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Deutsche FDP-Politikerin entschuldigt sich bei den ungarischen Ultrarechten?

3. August 2009

Eine deutsche EU-Abgeordnete ist gerade ins Visier der ungarischen Ultrarechten geraten: Nadja Hirsch, FDP, Stadträtin in München, hat während eines Redebeitrags von Krisztina Morvai/Jobbik im EU-Parlament gelacht und sich mit ihrem Nebenmann unterhalten – für die ungarischen Ultrarechten eine Unverschämtheit. Laut dem Portal kuruc.info haben mehrere entrüstete Leser Nadja Hirsch deswegen angeschrieben und eine Entschuldigung verlangt. Das allein wäre mir ziemlich egal, aber angeblich hat sie sich darauf per E-mail bei Krisztina Morvai und dem ungarischen Volk für ihr unsensibles Verhalten entschuldigt und Morvais Engagement für bürgerliche Freiheitsrechte als „ernst und wichtig“ bezeichnet.

Hätte sie mal besser genau zugehört, mit wem sie es da eigentlich zu tun hat…

Kuruc bringt den angeblichen Briefwechsel hier, meine Übersetzung siehe unten.

Screenshot

„Unverschämt“: Nadja Hirsch lacht und unterhält sich (etwa bei 5:25, rechte untere Ecke):

Der angebliche Entschuldigungsbrief von Nadja Hirsch

(cut & paste von kuruc.info):

Dear Arthur Madsen, thank you for your mail. I’m really sorry about this. Following mail I wrote to Krisztina Morvai:

„Dear Krisztina Morvai,

I’d like to apologize for my behavior, it was not correct. I want you to know that the topic I laught about was NOT your speech. I’m really sorry if you got this impression or I hurt your feelings or the Hungarian people’s feelings.

I know you fight for civil rights and that’s an important issue. Especially of this I want to say sorry and I hope you can accept my apology.

Sincerely yours Nadja Hirsch“

I want to emphasize that I was not laughing about the serious and important topic Krisztina Morvai talked about.

With kind regards,

Nadja Hirsch

Wenn dieser Brief echt ist, hat Frau Hirsch offenbar keine Ahnung, wer Jobbik sind und wofür sie stehen. Sonst hätte sie Morvais Rede nicht inhaltlich als „serious and important“ kommentiert. Zur Erinnerung: diese „friedlichen Demonstranten“, die Morvai hier als unschuldige Opfer von Polizeiterror darstellt und für deren Freiheitsrechte sie sich einsetzt, sehen so aus:

Und wer nicht weiß, wer Jobbik sind, hier einige Hintergrundinformationen.

Kuruc.info ist ein Portal, auf dem unter anderem der Holocaust geleugnet und für den verbotenen Film „Jud Süß“ geworben wird. Und wenn die sauer sind, werden sie gerne persönlich: So bezeichnen sie Nadja Hirsch als német(?), als Deutsche mit Fragezeichen, wohl wegen ihrem Familiennamen.

Edit 4.8.:

Eine ungarische Bekannte hat mir eben das mit dem Fragezeichen nochmal bestätigt:

“Wenn jemand einen Namen mit Fragezeichen versieht, also Deutsche (?), dann ist es ein Code für jüdisch, d.h. nach Kurucz sei sie eine Jüdin.
Das ist immer ein antisemitischer Code.”

Nein, die sind nicht nett.

Zum Abschluss hier noch die Briefe entrüsteter Rechter an Nadja Hirsch (laut kuruc.info, Original Ungarisch, Übersetzung pusztaranger):

„Sehr geehrte Nadja Hirsch!

Mein Name ist Arthur Madsen. Ich bin Autor, 34 Jahre alt, weißer, christlicher, heterosexueller ungarischer Staatsbürger.

Ich schreibe Ihnen, weil ich Ihr Benehmen, während die Abgeordnete Dr. Krisztina Morvai die EU-Abgeordneten über die derzeitigen (seit 20 Jahren herrschenden) unhaltbaren Zustände in Ungarn informiert hat, geschmacklos und empörend finde.

Ich bin gutgläubig und setze voraus, dass Sie zur Schule gegangen sind (korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre), die Grundlagen kultivierten Benehmens dürften Ihnen somit vertraut sein.

Sie müssen wissen, liebe Nadja, dass seit der sogenannten Wende Ihre liberalen Freunde und Genossen Ungarn und die anständigen Ungarn ausgeraubt, ausgeplündert und vernichtet haben. Wenn Sie auf Dr. Krisztina Morvais Worte geachtet hätten, wüßten Sie, dass die kriminellen Handlanger der Macht (Liberale, Postkommunisten) ungarische Staatsbürger, die auf ihrem Nationalfeiertag ihre Rechte ausgeübt haben, auf Kosten des Steuerzahlers von der Polizei zusammenschlagen und gezielt beschießen ließen. Als Folge der brutalen Polizeiattacke verloren mehrere Menschen ihr Augenlicht. War es das, was Sie so lustig fanden? Oder haben Sie deshalb so (…) gelacht, weil dieses politische Regime nach wie vor die Demokratie und die Menschenrechte mit Füßen tritt und in Ungarn stalinistische Zeiten heraufbeschwört? Wissen Sie überhaupt, wer dieser Stalin war? Nein, kein Fußballer und kein Rockmusiker. Ich verrate es Ihnen: Stalin (…), Vorkämpfer und Fahnenträger des Kommunismus, war der Mann, unter dessen segensreicher Herrschaft mehrere Millionen Menschen ihr Leben verloren haben. Bei uns in Ungarn liegen Stalins Nachfahren in den letzten Zügen, wir haben genug von ihnen und demonstrieren unsere Stärke.

Sie müssen wissen, das ungarische Volk ist eine freundliche, arbeitsame, friedliebende anständige, gastfreundliche Nation, aber… (…) man muss Nein sagen können. Nicht leise, mutlos, schüchtern flüsternd, sondern mit der Faust auf den Tisch hauen: NEIN!

Für unser wunderbares Land sagen das (die Jobbik-Abgeordneten im EU-Parlament, Anm.d.Ü.) Dr. Krisztina Morvai, Zoltán Balczó und Csanád Szegedi, und immer mehr andere sagen es mit ihnen zusammen:

NEIN, NEIN UND NOCHMALS NEIN!

Auf diesem Wege bitte ich Sie, oder vielmehr FORDERE ich als gesetzestreuer Bürger der Europäischen Union, dass sie unverzüglich nicht nur Dr. Krisztina Morvai, sondern auch die gesamte ungarische Nation für Ihr unsägliches Verhalten um Entschuldigung bitten. (…)

Arthur Madsen, Autor, Ungarn.“

Auch ein weiterer unserer Leser hat Fräulein Nadja signalisiert, dass wir ihr Gekichere nicht wortlos schlucken:

(Original Englisch mit ungarischer Übersetzung, cut & paste:)

Dear Ms Hirsch,

I have been very sad to see you laughing in the European Parliament while Ms Krisztina Morvai was talking about police brutality and human rights violations against the Hungarian protesters.

I would like to kindly ask you to think over what Ms Morvai was talking about and what has been happening in Hungary since 2006.

To make thinks clear: would you have been laughing, giggling at a case where lesbians, gays or Jews had been hit in the same way? Of course not. You, Liberals, are very concerned about minorities, human rights, equality, but are you concerned about the equality of non-Jewish, non-gay, Christian people? Why does it make me feel that we, white, Christian, heterosexual, normal middle-class people are disdained and scorned, while deviant, extravagant and subcultural behaviour is favoured?

We do not expect you to become the main protector of human rights in Hungary from now but could you please kindly stop behaving as a drunken disco-goer in the European Parliament. It is very humiliating.

Regards,

Árgyelán János, Chairman of Jobbik Fejér County

Edit 18.7.2010:

Carsten Hübner dazu in seinem Artikel „Aufrechte und Feiglinge“ in Neues Deutschland vom 21.8.2009, offenbar ein eifriger Leser dieses Blogs.

4 Kommentare leave one →
  1. Falsche Nachrichten? permalink
    11. August 2009 13:25

    Sie haben das Video warscheinlich gutmütig verwechselt.:-/

    Hier ist der richtige:

    Und eine Nachricht:
    http://www.magyarhirlap.hu/cikk.php?cikk=175629

    • pusztaranger permalink
      11. August 2009 15:23

      Wieso, was gefällt Ihnen nicht an meinem Videolink?
      Den Presseartikel hätten Sie gerne übersetzen können. Es ist ein heutiger Artikel im (rechten) Magyar Hirlap, der sich beruft auf Informationen der (rechten) Magyar Nemzet Online. Dort wird berichtet, dass die Polizei nach außergerichtlicher Einigung 10 Personen für ihre Behandlung durch die Polizei im Herbst 2006 insgesamt 8 Mio. HUF Schadensersatz zahlt.
      = Es gab Krawalle, es gab einen harten Polizeieinsatz, Leute wurden verletzt und verhaftet, zehn Leute kriegen jetzt deswegen eine Entschädigung.
      Ja, und? Randaliert haben Hunderte, und Jobbik ist eine ultrarechte Partei, das ist es, worum es mir geht.

      • Piri permalink
        30. Januar 2012 22:55

        Frau Dr.Morvai Krisztina ist eine hochintelligente gebildete Frau (Juristin Strafrecht) die sich für die Menschenrechte im In- und Ausland einsetzt. Wie jeder andere normal denkende Mensch, hält sie Israels politische Einstellung für untragbar. Sie ist nicht die Einzige, die sich diesbezüglich kritisch äußert. Auch in der Kunst wurde Versuche unternommen, das jüdische Gedankengut zu beleuchten, z.B. „Der Kaufmann von Venedig“ oder „München“(Spielberg 2005) Zitate aus „München“: „Es ist egal wieviele Menschen sterben, solange Davids heilige Rasse gerächt wird, denn sie sind die Einzigen, die von Gott geliebt werden“(..). Israels Aktivitäten in Palästina hat Morvai als „dreckige Mörderei“ bezeichnet, seither gilt sie in der deutschen Presse als Antisemitin.(!!!) Dass die Deutschen seit 1945 unter
        „ultrarechts“ eine Neonazi-Partei verstehen, ist nicht das Problem von Morvai Krisztina und ich finde es sehr peinlich, dass irgendwelche dahergelaufenen Leute, die so unglaublich niveaulose Artikel verfassen, wie die auf
        „Pusztaranger“ (autsch!) 🙂 versuchen sie als Nazi darzustellen. Antisemitismus bedeutet, dass man Menschen WEGEN ihrer genetischen
        , kulturellen oder religiösen Verschiedenheit/Eigenheit diskriminiert und verachtet. Dass bedeutet aber nicht, dass sich eine Volksgruppe alles erlauben kann WEIL sie eine schwere Geschichte hatte und WEIL SIE ZU KRITISIEREN AUTOMATISCH HEISST, EIN ANTISEMIT ZU SEIN!! Krisztina wird von einer rechtsnationalen Partei unterstützt, die nationale Ziele haben, wie die Förderung der ungarischen Kultur in den Medien und die Ankurbelung der ungarischen Wirtschaft etc.( Nein, keine Transporter nach Auschwitz). Wer sich mit dem nationalen Gedankengut nicht anfreunden möchte, kann eine linksliberale Partei wählen. Deswegen muss man nicht über prominente Persönlichkeiten herziehen und alles was sie sagen abtun mit „sie ist sowieso ultrarechts und darum geht es “ (siehe Ihr letzer Kommentar). Aber entspricht absolut dem Niveau von „Pusztaranger“, herzlichen Glückwunsch! Falls Sie Englisch können, empfehle ich zu diesem Thema einen amerikanischen Reporter: David Duke. Vielleicht regt das Video Ihre Gedanken an:

        *Anm. PR: Link gelöscht*

        Herzliche Grüße

      • pusztaranger permalink
        31. Januar 2012 16:38

        Ein echter Fan, ich sehe schon.
        Allen anderen sei diese aktuelle Petition (Ungarisch) zur Unterzeichnung und Verbreitung ans Herz gelegt. Krisztina Morvai ist neben ihrer Abgeordnetentätigkeit im EU-Parlament nach wie vor Dozentin am Institut für Strafrecht der Budapester ELTE-Universität, die Unterzeichner der Petition fordern vom Vorstand der ELTE ihre Entlassung:
        „(…) Jobbiks offizielle Kampagne und Ziele wurden von Anfang an von Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie bestimmt, und Krisztina Morvai spielte bei dieser Kampagne sowie dem Funktionieren der Partei eine aktive Rolle im In- und Ausland. (Jobbik-)Abgeordnete betreiben im Parlament die Relativisierung und Leugnung des Holocaust und offene, zum aktiven Handeln motivierende gesellschaftliche Hetze.(…)“

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