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Verbotene Garde wird zur legalen Bürgerwehr

23. Juni 2010

Vermutlich handelt es sich hier um einen lokalen Testballon – wenn die Behörden nichts unternehmen, dürften die Gardisten bald wieder in größerem Umfang ganz legal ihr Ding machen.

Die verbotene Ungarische Garde, der paramilitärische Flügel der ultrarechten Partei Jobbik, ist zwar gerichtlich verboten, aber eine Gesetzeslücke gibt den Gardisten die Möglichkeit, ohne Überwachung der Behörden als Bürgerwehr weiter aktiv zu sein. Elf ehemalige Mitglieder der verbotenen Ungarischen Garde haben im April einen Verein gegründet, der zwar von der landesweiten Dachorganisation für Bürgerwehren nicht aufgenommen wurde, juristisch aber nicht zu beanstanden ist. Der Verein will seine Aktivitäten landesweit ausbauen.

Der Bürgerwehrverein „Für eine schönere Zukunft“ (Szebb Jövőért Polgárőr-egyesület) wurde im April als gemeinnützige Organisation gegründet, seine Aktivitäten – „in erster Linie die Verbesserung der öffentlichen Sicherheit” – konzentrieren sich vorerst auf das Komitat Békés in Südostungarn. Gründer und Vorsitzender Attila László – bis zum Verbot der Garde „Gardekapitän“ im Komitat Békés – rechnet schon bald mit Ablegern in anderen Landesteilen, und mit landesweit mehreren tausend Mitgliedern in einem Jahr.

In Ungarn organisieren sich die Bürgerwehren in einem Landesverband, dem derzeit 2115 Vereine mit insgesamt 90.000 Mitgliedern angehören, es besteht ein Kooperationsabkommen mit der Polizei.
Bedingung für die Aufnahme im landesweiten Dachverband ist politische Neutralität. So wurde Lászlós Bürgerwehrverein nicht in den Verband aufgenommen, eine offizielle Kooperation mit der Polizei besteht also nicht.

Jedoch schreibt das Gesetz für Bürgerwehren die Verbandsmitgliedschaft nicht verbindlich vor. Laut dem 1989 verabschiedeten Versammlungsgesetz sind für die Überwachung gesellschaftlicher Organisationen die Staatsanwaltschaft und die Gerichte zuständig. Die sind bislang nicht eingeschritten.

László hält die Auflösung der Ungarischen Garde nach wie vor für gesetzeswidrig, aber wie er sagt, haben sie nun eine neue Organisationsform gefunden, um ihre Aktivitäten weiterführen zu können. Laut Gründungsurkunde gehört zu ihren Tätigkeitbereichen Verbrechensprävention, die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung, Opferschutz, Schutz von Kulturgütern, Hochwasserschutz, sowie Schutz von Menschen- und Bürgerrechten.

Im Interview mit einem ultrarechten Portal sprach László im typischen Sprachgebrauch der Ungarischen Garde von „Zigeunerkriminalität“ und „von Zigeunerkriminalität verseuchten Gebieten“ , wo die Präsenz seines Vereines besonders wichtig sei.
Der Verein Szebb Jövőért Polgárőr Egyesület wurde vom Komitatsgericht Békés (Békés Megyei Bíróság) gemäß dem Vereinsgesetz als gemeinnütziger Verein registriert.

Quellen: Index.hu , 168ora.hu

Hier ist László im Interview mit Barikad.hu, gepostet auf der Seite der Jobbik-Ortsgruppe von Debrecen:

Wer hat den Verein gegründet?

Gründungsmitglieder des „Bürgerwehrvereins für eine Schönere Zukunft“ sind Gardisten, die nicht tatenlos zusehen können, wie mit Berufung auf alle möglichen Gesetze und Regierungsverordnungen die Landbevölkerung schutzlos bleibt. Gemäß ihrem Schwur auf die Heilige Krone haben die Gardisten auch bisher in den verseuchten Gebieten gesundheitsfördernde Spaziergänge gemacht (…) Auf diese Weise können wir bei der geltenden Rechtslage unsere Aktivitäten zur Rettung der Nation legal ausüben.

Machen Sie sich keine Sorgen, daß Ihr Verein mit der Ungarischen Garde gleichgesetzt und Ihre Arbeit unmöglich gemacht wird?

Wir haben daran gedacht. Hier würde ich mich auf den Slogan von der Gesetzlichkeit berufen, der der Garde gegenüber immer so gern gebraucht wurde. Im Rahmen der Garde-Bewegung haben wir genau dieselben Zielsetzungen umgesetzt, wie sie auch in den Vereinsstatuten von allen heute in Ungarn legal registrierten Bürgerwehrvereinen nachzulesen ist: Schutz der öffentlichen Sicherheit, Verbrechensprävention. Ich weiß nicht genau, was dem Regime (=der Regierung) da so ins Auge gestochen hat, das Wort Garde, oder daß wir diese Aufgabe nicht in offizieller Form ausgeführt haben? Jetzt haben wir beides behoben. Wenn sie uns jetzt also mit der Garde gleichsetzen, brauchen sie vielleicht einen Psychologen.

*

Derzeit engagiert Lászlós Bürgerwehr sich im Komitat Békés beim Hochwasserschutz, wie Mitglieder der verbotenen Ungarische Garde landesweit. Letztere kann man sich auf Jobbiks Parteifernsehen anschauen.


(Bild von der Vereinsseite.)

Und noch ein Update zur Ungarischen Garde vom 29.6.2010:

Aktuelles Zitat von der Facebook-Seite des Journalisten Gregor Mayer:

Die im Juli 2009 gerichtlich verbotene, para-militärische Ungarische Garde nennt sich neuerdings Ungarische Nationale Garde (Magyar Nemzeti Gárda). Es ist Teil des Versteckspiels, um sich vor der sporadischen Verfolgung durch die Staatsorgane besser wegducken zu können – vom Verbot bis zur letzten Umbenennung hatte man… sich Neue Ungarische Garde genannt. Die Aktivitäten der Jobbik-Miliz gehen aber, wenn auch weniger auffällig, so doch in aller Intensität weiter, schreibt Antónia Rádi in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung „HVG“. Dazu gehören auch Wehrsport-Übungen zur Ausbildung von selbsternannten „Gendarmen“ und „Nationalwächtern“ in einem Einödgehöft bei Dabas und einer Sandgrube bei Sülysáp.

Mayer beruft sich auf diesen Artikel bei HVG (ungarisch). Wenn ich die Zeit habe, übersetze ich ihn.

Edit 31.7.2010:

Mein Post bekommt gerade viele Zugriffe von hier:

„Europa: Die Vorboten der kommenden ethnischen Säuberungen“

da muss ich den Abschnitt doch kommentieren:

In Ungarn werden gerade
aus der eigentlich verbotenen Ungarischen Garde Bürgerwehren rechter Gruppen. Auch die ungarischen Sozialisten bauen nun mit »Dorf-Wachen« eigene Bürgerwehren auf. Da stehen sich dann bald schon rechte und linke Bürgerwehren gegenüber. Die einen wollen Migranten und bestimmte ethnische Gruppen (wie etwa Roma) beschützen, die anderen würden sie gern am liebsten vertreiben.

Hier entsteht der Eindruck, es würde eine linke Gegenbewegung zur ultrarechten Ungarischen Garde geben, das stimmt nicht. Der verlinkte Artikel von den Dorf-Wachen ist von 2009, und mit den „ungarischen Sozialisten“ ist die damalige Regierung gemeint, die im April 2010 abgewählt wurde. Die haben damals versucht, dem Phänomen der „Ungarischen Garde“ von Staats wegen etwas entgegenzuhalten (reichlich spät, und genützt hat es auch nichts). Inzwischen haben die Sozialisten nichts mehr zu sagen. Die neue Fidesz-Regierung geht gegen die Garde vor, aber noch nicht so, daß man wirklich was davon merken würde. Im Oktober sind schließlich Kommunalwahlen, und könnte ja sein, daß der ein oder andere Jobbik-Wähler doch für Fidesz stimmt.

Die Organisationsform der Gruppe im Komitat Békés ist so noch kein Massenphänomen, soweit ich sehe.  Allerdings ist die Garde derzeit im ganzen Land präsent und aktiv, sie machen Sammlungen für die (magyarischen) Hochwasseropfer, und werden von der (magyarischen) Landbevölkerung sehr positiv wahrgenommen. Alles Stimmenfang für die Kommunalwahlen.

Edit 1.8.2010

Ist doch wirklich erstaunlich, wer mich alles liest und verlinkt. Ich habe seit gestern über 60 hits von Seiten des Kopp-Verlages bekommen. Das sind diese hier:

http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/eva-herman/sex-und-drogenorgie-loveparade-zahlreiche-tote-bei-sodom-und-gomorrha-in-duisburg.html

Da ist wohl jeder Kommentar überflüssig.

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