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Hochwasserkatastrophe: Jobbik sammelt nicht für Roma

16. Juli 2010

In Ungarn gab es im Mai und Juni eine schlimme Hochwasserkatastrophe.

Der Hot-Spot der Hochwasserkatastrophe in Ungarn ist nach wie vor das Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén, wo über 12.000 Menschen, Spezialisten wie Freiwillige versuchen, die Wassermassen halbwegs einzudämmen und die größten Schäden zu beheben. Straßen- und Bahnverbindungen, u.a. nach und um Miskolc sind unterbrochen. Die Hälfte der Kleinstadt Edelény mit rund 10.000 Einwohnern wurde vom Fluss Bodva, einem Nebenfluss der Theiss überschwemmt, einige Häuser sind bereits aufgeweicht und zusammengebrochen.

Soweit der Pester Lloyd im Juni.

Jobbiks Parteiarmee, die verbotene Ungarische Garde, leistete wochenlang aktive Hochwasserhilfe in den betroffenen Gebieten, und  Jobbik organisiert derzeit Spendensammlungen für die Hochwasseropfer. Entsprechend gut werden ihre Chancen dort bei den  Kommunalwahlen im Herbst stehen.
Jobbiks Engagement für die Hochwasseropfer wäre sehr löblich, nur werden diese Spenden nach ethnischen Kriterien verteilt: Roma kriegen nichts ab.

Es ist eine Sache, wenn Leute in ihrer Gemeinde sammeln, private Soliaktionen können das wohl handhaben wie sie wollen; hier jedoch organisiert eine im Parlament vertretene Partei landesweit Spendensammlungen unter Ausschluß einer konkreten ethnischen Gruppe.
Für die NGO TASZ ist das ein klarer Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz (wörtlich: Gleichbehandlungsgesetz), sie will deshalb die ungarische Gleichstellungsbehörde einschalten.

Jobbik reagierten prompt mit einer Presseerklärung: Nicht Jobbik hätte die Verteilung so angeordnet, sondern die lokalen Aktivisten hätten das individuell so entschieden. Und da die Aktivisten keine juristischen Personen seien, habe Jobbik auch nicht gegen das Gesetz verstossen:

„(…) Jobbik hat über die konkrete Abwicklung der Verteilung der für die Hochwasseropfer gesammelten Spenden nicht zentral entschieden, wie das in dem auf Index.hu erschienenen Artikel mit dem Titel „Jobbik sammelt nur für Magyaren” suggeriert wird.  Die Partei ließ ihre an der karitativen Aktion beteiligten Ortsgruppen und Aktivisten nach individuellem Ermessen über die Ausgabe von Hilfsgütern entscheiden. Genauso, wie jeder Staatsbürger selbst entscheidet, wem er seine Spende schicken will. (…) Die Aktivisten von Jobbik sind keine juristischen Personen, somit bezieht das Gleichstellungsgesetz sich nicht auf sie.“

Laut TASZ-Mitarbeiter Péter Juhász ist es wirklich so, daß die Aktivisten nicht als juristische Personen gelten, jedoch wurde die Sammlung nicht von ihnen, sondern von der Partei organisiert:

„Es ist völlig unerheblich, wer die Spenden konkret ausgeteilt hat, entscheidend ist vielmehr, wer die Spendensammlung organisiert hat. Und weil das eindeutig Jobbik war, bezieht das Gesetz sich auch genauso auf sie (die Aktivisten). Daß Jobbik sich in ihrer Presseerklärung auf die Aktivisten berufen, bedeutet, daß sie sich über ihr gesetzeswidriges Vorgehen bei der Spendensammlung durchaus im Klaren sind.“ (Index.hu)

Und in Jobbiks diversen Spendenaufrufen steht ja auch klar zu lesen, daß die Spenden nur für „magyarische/ungarische Familien“ gedacht sind. Inzwischen sind wir in Ungarn nämlich so weit, dass Roma im eigenen Land nicht mehr als Ungarn gelten.

(Das Video von TASZ)

Es folgen die Einzelheiten, Übersetzung Pusztaranger.

Der Artikel von TASZ:

Keine Spenden für Hochwasseropfer, weil sie Roma sind

Die Jobbik-Ortsgruppe von Monor sammelte Spenden für die Hochwassergeschädigten,  bzw. tut das immer noch. In Szalonna gab es Hochwasserschäden an 17 Häusern, 5 davon von Roma bewohnt. Einer der Aktivisten der Partei verteilte Spenden im Dorf, jedoch gab er den hochwassergeschädigten Roma – offen ausgesprochen: wegen ihrer ethnischen Abstammung  – nichts, während Jobbik-Wähler, die keine Roma sind und die vom Hochwasser verschont wurden, Spenden erhalten haben.
In einigen der im Internet veröffentlichten Spendenaufrufe wird betont, daß die Hilfslieferungen nur an „Magyaren“ verteilt werden.

Laut Antidiskriminierungsgesetz (Egyenlôbánásmódról szóló törvény, 2003. évi CXXV. törvény) (…) sind die Parteien dazu verpflichtet (…) die Grundsätze der Gleichbehandlung im Allgemeinen, in allen ihren Rechtsbeziehungen, allen Verfahren und Aktivitäten einzuhalten. Indem sie Hochwassergeschädigte wegen ihrer ethnischen Abstammung von den Spendenempfängern ausschließen, betreiben sie aktive Diskriminierung. Darum wird TASZ sich die Gleichstellungsbehörde einschalten.

Index.hu:

Imre Pfundt, der Jobbik-Ortsgruppenleiter von Monor, hat diesen Film gesehen, aber will sich in der Angelegenheit nicht äußern. Die Jobbik-Parteisprecherin Dóra Dúró war nicht erreichbar.

Nochmal Index.hu:

„Die Hauptorganisatorin im Dorf, Katalin Csontos, teilte ausdrücklich nur solchen Bewohnern Spenden aus, die bei den Parlamentswahlen für sie oder Jobbik gestimmt haben (Anm.: Sinngemäß übersetzt). Sie sagte zudem, daß diese Spenden ausdrücklich von Jobbik kämen, mit der Auflage, sie nicht an Zigeuner auszuteilen,“ – so der Vorsitzende der Zigeunerselbstverwaltung von Szalonna, Gyôzô Orgona, laut dem die Spendenaktion Ende Juni/Anfang Juli in Wahrheit auf politischer bzw. ethnischer Grundlage erfolgte.

Laut Orgona erhielten von den 17 hochwassergeschädigten Familien nur 12 als Magyaren geltende Familien Spenden (Anm.: oft ist das nämlich gar nicht so eindeutig), die fünf Zigeunerfamilien gingen jedoch leer aus.

„Ich habe sie gefragt, warum sie nicht auch den Zigeunern etwas gibt, ihre Häuser wurden vom Hochwasser doch genauso überflutet, und sie sagte: Die Hilfslieferung kommt von einer zigeunerfeindlichen (cigányellenes) Partei, deshalb kann sie nichts abgeben. Sie hat mir ins Gesicht gesagt, ich habe die Magyaren versorgt, versorge du die Zigeuner.“

(…) In den Hilfspaketen waren Grundnahrungsmittel und Haushaltsgeräte. „Ich weiß von drei Gelegenheiten, daß sie hier waren. Sie kamen mit dem Auto, und ich habe gesehen, daß sie Desinfektionsmittel bringen und Mineralwasser, aber ich habe auch Kühlschränke, Waschmaschinen und Möbel gesehen. Ein paar (Roma) gingen zu den Organisatoren und fragten sie, warum sie nichts von den Spenden abbekommen, worauf der 5-6 Jobbik-Leute anrief. Die waren innerhalb einer Stunde da, und da habe ich die Polizei angerufen und die Zigeuner nach Hause geschickt, denn wenn wir nichts bekommen, drängen wir uns nicht auf, wir kommen auch so zurecht.“

(Bild gefunden bei szentesinfo.hu)

168ora:
Im gemeinsamen Spendenaufruf von Jobbik, der Ungarischen Nationalen Garde (aktueller Name der verbotenen Ungarischen Garde) und der (rechtsextremen) „Jugendbewegung der 64 Burgkomitate“ im Komitat Heves steht (…) zu lesen, daß mit den Spenden „ausschließlich magyarische Familien“ unterstützt werden sollen.

Der Hauptorganisator der Spendensammlung, András Kovács von den „64 Burgkomitaten“, antwortete der Népszabadság auf Anfrage: Im Spendenaufruf sei klar formuliert, dass „diese Spenden nicht an Zigeuner ausgegeben würden“.  Wie er sagte, hat er von mehreren Bekannten, unter anderem Polizisten, gehört, dass beim Hochwasser Romas Hochwassergeschädigte bestohlen hätten (…). „Unsere Vorurteile gründen sich auf Tatsachen (wörtlich: Wir haben Nachurteile), deshalb unterstützen wir keine Zigeuner. Sollen doch die betuchten Zigeuner sich darum kümmern. Uns ist es egal, wenn sie uns für Rassisten halten,“ erklärte er.

*

Ich habe mal nachgeschaut, auf Jobbik.hu wird für Spenden für in Not geratene  „magyarische Menschen“ aufgerufen, auf diversen Jobbik-Ortsgruppen für „magyarische Familien“, so z.B. in Salgotarján.

Dass für die Jobbik-Wähler „ungarische/magyarische Menschen“ und Roma mittlerweile semantisch nicht mehr zusammengehen, Roma implizit keine Ungarn und auch keine Menschen mehr sind, verdeutlicht dieser typische Leserkommentar im Lokalblatt Heves Megyei Hirlap

2. Valakieger  2010. július 14. 21:04

(…)
Jobbik hat klar gemacht, dass sie für MAGYARISCHE/ungarische MENSCHEN sammeln und nicht für die Roma!!!  (…) Als ich meine Spenden gebracht habe, habe ich extra darum gebeten, dass nicht Zigeuner sie bekommen, sondern MAGYARISCHE/ungarische Bedürftige, weil der Staat denen doch so viel gibt!
Chancengleichheit (egyenlô bánásmód) bedeutet nicht, daß die Zigeuner ungestraft stehlen und rauben dürfen, und so viel Sozialhilfe aus unseren Steuermitteln kassieren, daß die Mehrheit daran zugrundegeht! (…)

*

Vielleicht gibt es ja im deutschsprachigen Raum Organisationen, die jetzt Lust bekommen haben, auch eine Spendenaktion für ungarische Hochwasseropfer zu starten – im Dorf Szalonna (im obigen Video zu sehen) beispielsweise gibt es derzeit fünf Familien, die das sicher gut brauchen können.

Hier die Kontaktinformationen der Roma-Selbstverwaltung von Szalonna, deren Vorsitzender Gyôzô Orgona im Video zu Wort kommt:

Cigány Kisebbségi Önkormányzat
H – 3754 Szalonna, Tanácsház tér 1.
Tel.: 0036-48/558-204

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