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„Deeskalationsstrategie“ der Budapester Polizei bei rechtsextremen Veranstaltungen: Gegendemos verhindern.

21. November 2010

Ein Nachtrag zu meinem Post von gestern:
Ich habe mich umgehört, warum die Gegendemo denn nun abgesagt wurde und von wem, Polizei oder Veranstaltern, und siehe da: Die Budapester Polizei fuhr die Strategie, die (offenbar im Umgang mit der Polizei unerfahrenen) Organisatoren der Gegendemo einzuschüchtern, indem sie sagte, daß sie die Sicherheit der Teilnehmer nicht gewährleisten könnte, besonders beim Verlassen der Veranstaltung; außerdem würde die Sicherung der Gegendemo den Verkehr sowie die Ruhe der Anwohner überproportional belasten. Es wäre also besser, die Organisatoren würden die Anmeldung selbst zurückziehen. Was sie dann auch taten. Ein Protokoll darüber gibt es natürlich nicht.
(Die werden ihre Lektion jetzt auch gelernt haben…)
Details siehe unten.

Es war also tatsächlich ähnlich wie beim Budapest Pride 2010 (siehe mein Post) und sieht mir ziemlich nach einer Strategie der Polizei aus, Zusammenstößen mit den gewaltbereiten Rechtsextremen aus dem Weg zu gehen, indem sie sich raushält bzw. Gegenveranstaltungen „elegant“ unterbindet und so keine schlechte Presse durch offene Verbote riskiert.

Die heutige Demo bei der Statue ist friedlich verlaufen, es waren mehrere hundert Leute da.

Bilder: Index.hu

Die blieben offenbar friedlich.

*

Jemand aus dem Umfeld der Organisatoren hat mir auf meine Anfrage hin Folgendes gesagt (Übersetzung Pusztaranger):

Es war tatsächlich so, daß die beiden Mitglieder unserer Gruppe, die die Demo anmelden wollten, die Anmeldung zurückgezogen haben. Und zwar, nachdem die Polizei ihnen detailliert ausgeführt hatte, welche Probleme der Schutz unserer voraussichtlich kleinen Gruppe gegen die zahlenmäßig größere Gruppe aggressiver Neonazis bereiten würde, und sie daran erinnerte, daß die Neonazis in den letzten Jahren demokratische, linksliberale Demonstrationen (Gedenkveranstaltungen, Proteste, den CSD, Veranstaltungen am Nationalfeiertag etc.) regelmäßig angegriffen haben. Und wir sollen’s doch einsehen, wenn sie uns auch in der Vergangenheit nicht schützen konnten, dann jetzt schon gar nicht. Besonders nach der Demo auf dem Heimweg (…) können die uns ohne weiteres angreifen. Auch von technischen Problemen war die Rede, daß man nämlich zwischen den beiden Gruppen einen so großen Abstand herstellen muß, daß es dort vor Ort nicht ohne Straßensperrungen abgehen würde, was den Verkehr behindern und die Ruhe der Anwohner stören würde. Die Polizei hat die beiden so lange bearbeitet, daß sie schließlich einsahen: Es ist besser, wenn sie die Anmeldung lieber zurückziehen.
Es gab also nichts Schriftliches, kein offizielles Verbot, nichts in den Akten. (…) Natürlich hätten unsere beiden Leute (…) wenigstens irgendein offizielles Papier oder Protokoll fordern sollen. (…) Wenn es überhaupt etwas Schriftliches gibt, steht da natürlich nur, daß sie die Anmeldung selbst zurückgezogen haben. Das heißt, die Polizei ist „sauber“.

Am Vortag, als wir das Fax mit der Anmeldung an zwei Faxnummern der Polizei geschickt haben, hatten wir vorher angerufen und gefragt, ob wir schon zu spät dran sind wegen der Anmeldungsfrist von 72 Stunden, denn wenn ja, dann lassen wir das Ganze, aber wenn nicht, was wäre dann der schnellste Weg, die Demo anzumelden.
Unsere Leute haben mit mindestens zwei Polizisten geredet, die ihnen sagten, ja, wir wären zwar schon innerhalb der 72-Stunden-Frist, aber wir sollen das Fax trotzdem schicken, und am nächsten Tag soll unser Vertreter kommen und alles andere klären. Am nächsten Tag wurde der dann wegen Ordnungswidrigkeit angezeigt, weil er die Demo unzulässig innerhalb der 72 Stunden angemeldet hat.
Die Polizei hätte am Telefon lediglich sagen müssen, sorry, zu spät, eure Anmeldung ist zu kurzfristig, deshalb könnt ihr nicht demonstrieren. Und wenn ihr trotzdem hingeht, kann jeder Einzelne von Euch mit einer Ordnungsstrafe von 100.000 Ft rechnen, aber auf keinen Fall mit Polizeischutz, und Tschüs.

Leider kann man solche Spielchen nur mit uns Linksliberalen machen, die Rechtsextremen teilen auch der Polizei aus, natürlich so, daß man sie nicht drankriegt. Die Rechten (Fidesz, Jobbik) haben einen dermaßen großen Unterstützerstab von  Anwälten und Juristen, daß Polizei, Staatsanwälte und Richter sich gar nicht mal unbedingt physisch, sondern juristisch vor ihnen fürchten. Und wir haben keinen Juristen, der uns rechtliche Unterstützung geben, uns vorbereiten oder gar verteidigen würde.

So ähnlich auch gefunden auf Blog e-Vita auf NolBlog (ungarisch).

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