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Daniel Cohn-Bendit im Visier der ungarischen Rechtsextremen

29. Januar 2011

Bei Viktor Orbáns Antrittsrede im EU-Parlament sagte Grünen-Chef Daniel Cohn-Bendit bekanntlich, Orban sei „auf dem Weg, ein europäischer  Chavez zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht“ (siehe z.B. beim Standard).

Seine Rede mit ungarischen Untertiteln wurde auf youtube 157.492 mal angesehen.

In ungarischen rechten bis rechtsextremen Kreisen ist man derzeit gar nicht gut auf ihn zu sprechen. Jetzt sehe ich eben das Cover der aktuellen Ausgabe von Magyar Forum, der Parteizeitung der rechtsextremen Partei MIÉP (über Miép und Jobbik siehe „Habt Acht! Wie Ungarns extreme Rechte triumphiert“), angekündigt auf der Parteiseite.

Dort wird Daniel Cohn-Bendit mit der Überschrift „Der Kinderschänder“(wörtlich: Der Kindermolestierer) ein ganzer Artikel gewidmet, eine antisemitisch aufbereitete Vita mit Sätzen wie „Cohn-Bendit liebt nicht nur Kinder, sondern auch Israel“, und „es ist mehr als lächerlich, daß so ein Mensch es gewagt hat, den ungarischen Ministerpräsidenten einen populistischen Nationalisten zu nennen.“ Die Fotomontage spricht für sich: Davidstern, roter Stern, grünes Logo.


(Für eine größere Ansicht das Bild anklicken.)

Da wäre jetzt wohl eine Anzeige fällig.

Verglichen mit Jobbik hat die MIEP derzeit in der Politik nicht viel zu melden; was mich hier aber doch sehr wundert,  ist etwas anderes. Ebenfalls in dieser Ausgabe ist nämlich auch ein Interview mit Gyula Budai, dem Abrechungsbeauftragten der ungarischen Regierung (links, zweiter Kasten von unten). Der Artikel ist noch nicht online verfügbar, aber dem Titel nach („Die Interessen der Unberührbaren“) dürfte es um die Philosophenprozesse gehen (siehe mein Post: Hetzjagd auf Philosophen in Ungarn: Offener Brief).
Mit etwas anderem scheint Budai sich derzeit nicht zu beschäftigen, wenn man sich seine Website ansieht. Die letzten sieben Einträge handeln von ihnen, allesamt Artikel der regierungsnahen Magyar Nemzet:

  • Philosophenprojekte: Neue Anzeige wahrscheinlich, 2011.01.17.
  • Für Millionen aus dem Ungarischen ins Ungarische übersetzt, 2011.01.15.
  • Nietzsche war wichtiger als die Romafrage, 2011.01.14.
  • Chaos herrschte im philosophischen Institut der MTA (Ungarische Akademie der Wissenschaften), 2011.01.11.
  • Moralischer Tiefpunkt in der Philosophie, 2011.01.10.
  • Budai: Die Zeit der Rechtsverstöße der Regierung ist abgelaufen, 2011.01.08.
  • Anzeige gegen Philosophisches Forschungsinstitut der MTA,  2011.01.08.

(Siehe auch: Blog quatsch: Gyula Budai: The one thing on his mind; sowie  Budapest Background: Budai und Funding Philosophy in Budapest.)

Was hat der von Viktor Orbán eingesetzte Abrechnungsbeauftragte Gyula Budai den Lesern des rechtsextremen Magyar Forum zu sagen?

Ich versuche gerade, an die Printausgabe zu kommen, Fortsetzung folgt.

11 Kommentare leave one →
  1. Minusio permalink
    30. Januar 2011 01:29

    Daniel Cohn-Bendit ist einer der intelligentesten, integersten und gebildetsten Politiker, die Europa hat. Man kann sagen, dass er das Gewissen des Europäischen Parlaments ist. 1945 ist ein guter Jahrgang.

    Ausserdem ist er ein blendender Redner. Wenn man das mit dem ruppigen Maschinengewehrfeuer von Orbáns Entgegnung vergleicht… Dazwischen liegen Welten.

    • Georgia permalink
      9. Januar 2012 10:40

      Sie haben absolut Recht. Daniel Cohn-Bendits kleiner Finger besitz mehr Intelligenz als Ungarns Spatzenhirn Orban. Jörg Haider lässt grüßen.
      Ich kenne mich zufälligerweise in der ungarische Geschichte aus habe viele Ungarische Bürger kontaktieren müssen und was man aus den Münder dieser Leute hört ist erschreckend.
      Der Nationalismus und Cheauvinismus dieses Volkes ist unübetreffleich. Steigerung gibt es kaum noch.
      Das Cohn-Bendit vor Wut schäumt ist nur zu verständlich.
      Mit Demokratie hat dieses Volk nichts am Hut.
      Ich verstehe nicht was so ein Konglomerat nationalistischer Exemplare in der demokratische EU zu suchen hat.
      Empörend!
      Weiter so Cohn-Bendit. Nicht nur sein Jahrgang ist gut. Ich bin 1952 Spätlese aber frisch, spritzig und aufgeweckt.
      Eben nicht ungarisch!

      • pusztaranger permalink
        9. Januar 2012 17:00

        „Mit Demokratie hat dieses Volk nichts am Hut.“

        Liebe Spätlese, Pauschalkommentare wie dieser kosten hier in Zukunft 5 EUR, zu überweisen auf das Konto der ungarischen Solidaritätsbewegung Szolidaritás Mozgalom :

        A Szolidaritás tagjaitól, tagdíjat nem szed, akcióinkat az alábbi számlaszámra küldött adományokból fedezzük. Segíts Te is! A számla tulajdonosa a Szolidaritás. MagNet Bank: 16200010-00168250 IBAN: HU76 1620 0010 0016 8250 0000 0000

  2. Herbert Hrachovec permalink
    30. Januar 2011 10:43

    Aus österreichischer Sicht finde ich die Einsetzung eines Korruptionsbeauftragten ja keine schlechte Idee. Wir haben unsere eigenen Probleme mit (in diesem Fall echten) Abzockern einer früheren Regierung. Und wir haben auch ein Boulvardblatt, das gerne bereit steht, üble Propaganda zu betreiben. Mehr noch: dazu passt eine Regierung, die manchmal nach der Pfeife der Kronenzeitung tanzt.

    Aber es ist undenkbar, dass eine Korruptionsbeauftragte ihre Homepage aus Kronenzeitungs-Schlagzeilen zusammensetzt. Da haben uns die Ungarn etwas voraus 🙂

  3. Istvan permalink
    11. März 2011 14:47

    Es wird immer skurriler. Soeben die Berichterstattung in der Mittagschronik des Kossuth Radio über die gestrige Abstimmung im Europaparlament zum ungarischen Mediengesetz gehört.

    Wer es selbst (auf Ungarisch) hören will, kann dies hier
    http://hangtar.radio.hu/kossuth#!#2011-03-11 tun.

    Unabhängig davon, ob das Zitat aus Daniel Cohn-Bendits Buch stimmt oder nicht, oder wie es sich im Zusammenhang anhört – das kann ich im Moment nicht überprüfen – das Ganze zielt offensichtlich darauf ab, dass einzig und allein dieser „pädophile Kommunist“ daran schuld ist, dass nicht alle Ungarns Mediengesetz so lieben wie Orban Victor.

    Ich habe den Beitrag eben abgehört, hier also zuerst eine deutsche Zusammenfassung/grobe Übersetzung, dann der abgehörte Originaltext – beides ohne Gewähr, Ihr könnt mich gerne verbessern und ergänzen:

    „Wie erwähnt hat das Europaparlament gestern den Beschluss gefasst, Ungarn zur nochmaligen Überarbeitung des Mediengesetzes aufzufordern. Einer, der diesen Beschluss wollte, ist der in der Europapolitik bekannte … Daniel Cohn-Bendit. Hintergrundinformationen von Tasner Geza.“

    Tasner Geza:
    „Der Politiker hat sich gestern auf die Demokratie berufen, obwohl er früher selbst offen dem Marxismus gehuldigt hat.“ (…anarchistische Gruppen in Frankreich, meinte Frankreich solle die rote Fahne als Nationalflagge haben, weshalb er „Roter Dani“ geheißen wurde, 1968 aus Frankreich ausgewiesen, wieder nach Deutschland, deutsche Anarchisten, 1984 Eintritt bei den Grünen, 10 Jahre später ins Europaparlament gewählt).

    „Seine Person wurde nicht nur wegen seiner marxistischen Vergangenheit angegriffen, sondern auch wegen Verdachts auf pädophile Dinge. Darüber schreibt er in seinem eigenen Buch: ‚Es ist häufig vorgekommen, dass ein paar Kinder meinen Hosenschlitz aufgemacht und angefangen haben, mich zu streicheln. Ich habe den Umständen entsprechend immer wieder anders reagiert, aber mein Verlangen hat mir Probleme gemacht. Ich habe sie gefragt, warum spielt ihr nicht miteinander, warum habt ihr mich ausgewählt und nicht die anderen Kinder. Aber wenn sie sehr darauf bestanden haben, habe ich sie gestreichelt. Deshalb wurde mir perverses Verhalten vorgeworfen.’ Soweit das Zitat. Dieser Politiker mit seiner skandalösen Vergangenheit gibt sich jetzt im Europaparlament als der aggressivste und wichtigste Schützer der Demokratie. Dieses Jahr hat er hauptsächlich er die ungarische Regierung attackiert, manchmal nicht gerade in europäischem Stil.“

    Der abgehörte ungarische Text:

    „… az ep megszavazta azt a hatarozatot, amely felszolitja a magyar kormanyt, hogy vizsgalja felul a mediatorvenyt. A tegnapi dontes egyik kezdemenyezoje a zoldparti frakcio tarselnoke d.c. bendit volt, aki az europai politika jol ismert alakja….

    Tasner Geza:
    A politikus tegnap is a demokraciara hivatkozott, mikozben korabban nyiltan a marxizmust eltette. Francia egyetemi evei alatt tobb anarchista csoporthoz csatlakozott, akik a kommunizmus eszmeit vallottak es tamadtak a polgari berendezkedest. Emiatt kapta a voros dani becenevet. Ekkor javasolta, hogy a francia allam a nemzeti zaszlo helyett voroset hasznaljon. 1968ban kiutasitottak az orszagbol. Igy visszatert nemetorszagba, ahol a nemet anarchistakhoz csatlakozott. 1984ben belepett a nemet zold partba. 10 evre ra kesobb azep tagjava valasztottak.

    Szemelyet nemcsak a marxista multja, hanem pedofilgyanus ugyei miatt is tamadtak.
    Errol o maga konyveben igy ir:
    ‘Gyakran elofordult, hogy nehany gyerek kinyitotta a sliccemet es elkezdett simogatni.
    A korulmenyektol fuggoen mindig maskent reagaltam, de vagyaik problemat okoztak nekem. Megkerdeztem toluk, miert nem jatszotok egymassal, miert engem valasztottatok es miert nem a tobbi gyereket. De amikor ragaszkodtak hozza, akkor en simogattam oket. Emiatt perverz magatartassal vadoltak.’
    Eddig az idezet a konyvbol. A botranyos multu politikus az ep –ben most a demokracia legfobb es legeroszakosabb vedelmezojenek tunteti fel magat. Iden eddig legfokeppen a magyar kormanyt tamadta, olykor nem eppen europai stilusban.”

    • Georgia permalink
      9. Januar 2012 10:45

      An Ihrer Stelle verehrter Istvan, würde ich mit Bezeichnungen wie“Pädophiler Kommunist“ betreffend Daniel Cohn Bendit aufpassen.
      Aber Sie können nicht aus Ihrer Haut heraus. Sind eben ein „Echter Ungar“!
      Damit ist wohl alles gesagt.

      • pusztaranger permalink
        9. Januar 2012 17:07

        Das haben Sie falsch verstanden, István zitiert die Berichterstattung im staatlichen Kossuth Rádió, und das korrekt.

    • Georgia permalink
      9. Januar 2012 10:49

      Tipikus magyar hozzáscholás!
      Eltereljük a lényeget azzal, hogy elkezdünk másokat lepisszkolni.
      De hát magyar az magyar marad!

  4. Istvan permalink
    11. März 2011 14:49

    Übrigens: Kossuth Radio hat meines Wissens nichts mit Jobbik zu tun, die sind eher fidesznah…

Trackbacks

  1. quatsch » Ungarische Verhältnisse. Brief der Vorsitzenden der ÖGP
  2. Stoppt die Rechten » Ungarn: Antisemitismus in den Medien erlaubt?

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