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Chronik eines Schauprozesses

3. Februar 2011

 

Report des PusztaLeaks-Kollektivs vom 3.Februar 2011

(Update: Teil 2 vom 14.2.2011 mit Ergänzungen hier; Teil 3 vom 27.2. hier.)

In den letzten Wochen führt die regierungsnahe Presse eine aggressive Hetzkampagne gegen bedeutende ungarische Philosophen, so Ágnes Heller, Professorin u.A. an der New York New School for Social Research, die neben zahlreichen Auszeichnungen vor etwa einem halben Jahr auch die Goethemedaille erhielt; gegen Mihály Vajda, ebenfalls Professor an verschiedenen Universitäten in Kanada und Deutschland, und den international anerkannten Professor Sándor Radnóti, sowie drei ihrer Kollegen.

Die teils regierungskritischen, teils der Orbán-Regierung politisch nicht genehmen Wissenschaftler werden beschuldigt, eine halbe Milliarde Forint an Forschungsgel­dern veruntreut zu haben.

Im Folgenden möchten wir etwas mehr Kontext und Hintergründe liefern, denn diese Geschichte ist nicht nur für Philosophen interessant. Eine wissenschaftliche Einrich­tung, Medien und Politik arbeiten derzeit in konzertierter Aktion daran, prominente Kritiker und „Feinde“ der Orbán-Regierung juristisch zu belangen und mundtot zu machen. Die Frage ist nur, ob auch die Justiz das mitträgt.

Auszug:

Schnelle Lösungen – bewährte Methoden

In der Presse hieß es, Budais (Abrechnungsbeauftragter der Regierung)  Ermittlungen seien durch von der Magyar Nemzet ent­hüllte Fakten angeregt worden; der Artikel, der den Auftakt zur Hetzkampagne liefer­te, war vom Samstag, dem 8. Januar. Allerdings wurde die erste Anzeige (gegen das Projekt von Gábor Borbély) parallel am 8.Januar auf Budais Homepage bekanntgegeben, und auch Magyar Hírlap brachte sieamselbenTagaufdemTitel. Datiert ist Budais Anzeige bereits vom 5. Januar 2011.

Am 21.Januar erstattete Budai Anzeige gegen die Projekte von Ágnes Heller und Mihály Vajda.

Dieses unglaubliche Tempo dürfte der Tatsache geschuldet sein, daß Budai das „heiße Material“ der Magyar Nemzet bereits bekannt war. Denn zumindest im Fall von Bor­bélys Projekt war das Material nicht mehr neu, sondern bereits ein halbes Jahr alt: Das Projekt war nämlich bereits im Juli 2010 schon einmal angezeigt worden. Damals hatte eine „Privatperson, die ungenannt bleiben wollte,“ der Magyar Nemzet vertrauli­che Institutsunterlagen zugespielt und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Ab September ermittelte das Budapester Polizeipräsidium, und eigentlich hätte die Ange­legenheit mittlerweile vor Gericht kommen oder als unbegründet eingestellt werden müssen. Stattdessen machte Budai sie im Januar zur Chefsache und erstattete erneut Anzeige. Und dann nahm er sich auch die Projekte von Borbélys unliebsamen Kolle­gen vor. (…)

Den vollständigen Report, einen Philosophenkrimi vom Feinsten mit zahlreichen Belegen, hier als Pdf.


Update 4.2.: Eine Kurzzusammenfassung auf Englisch bei blog quatsch: Research funding and sneaking

Mehr zu den Philosophenprozessen auf diesem Blog hier 

Unterschriftenliste Hands off the Hungarian Philosophers! (englischer Text unter dem Ungarischen, aktuell 2938 Unterschriften.)

 Update 13.2.: Philosophische Audiothek: Umstrittene Philosophen in Ungarn

„Die ungarische Regierung unter Victor Orban hat einen Sonderbeauftragten eingesetzt, der im Gleichklang mit der Regierungspresse Philosophinnen (m/w) drangsaliert. Das Studiogespräch behandelt historische Hintergründe zur politischen Lage in Ungarn und die aktuelle Kampagne gegen ausgewählte Philosophinnen (m/w). Es nehmen teil: Thomas Szanto, Karoly Kokai (Philosophie) und Dieter Segert (Politologie). Diskussionsleitung Herbert Hrachovec.“

 

 

8 Kommentare leave one →
  1. Susanne permalink
    3. Februar 2011 21:56

    Vielen Dank für die Zusammenstellung des Materials!

    • pusztaranger permalink
      4. Februar 2011 18:24

      Aber gern. Es war viel Arbeit, für alle Beteiligten. Dafür bedanke ich mich hier auch nochmal.

    • Anatol permalink
      6. Februar 2011 10:05

      Ich schliesse mich dem Dank von Susanne an….

  2. Minusio permalink
    6. Februar 2011 18:46

    Ich auch: Grossdank!

    Eine derart akribische Quellenzusammenstellung ist einzigartig.

    Ist es Teamarbeit?

    Der ganze Blog ist einzigartig gut. Ich empfehle jedem, auch das „Interview“ mit Radio Dreyeckland zu lesen.

    • pusztaranger permalink
      6. Februar 2011 20:05

      Vielen Dank für die Lorbeeren, ich gebe sie ans Team weiter – die Sparte PusztaLeaks ist Teamarbeit.

Trackbacks

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  2. quatsch » research funding and sneaking
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