Rechtsextreme Fidesz-Abgeordnete über die „Henker“ des Volkes
Mária Wittner ist Abgeordnete der Fidesz im ungarischen Parlament. Sie genießt Ansehen, weil sie als Aufständische 1956 während des antikommunistischen Aufstands zum Tode verurteilt worden war. Wittner sympathisiert mit den Rechtsextremen.
(Wittner 2007 mit Krisztina Morvai von Jobbik, Quelle Stop.hu.)
Wittner hatte Auftritte bei der Ungarischen Garde, siehe
Spiegel: Rechtsextremisten gründen „Ungarische Garde“ (2007)
Eiertänze um die Ungarische Garde – Ungarn und sein Problem mit dem Faschismus, Jüdische Zeitung, Nov. 2007
Ungarn? Ungern! Jungle World November 2007.
Damals, 2007, hiess es noch von Oben,
Orbán und Fraktionschef Tibor Navracsics versicherten erst unlängst dem Leiter des World Jewish Congress und der europäischen Dachorganisation der Juden, dass ihre Partei eine Diskriminierung auf Basis der Rasse, Religion oder Überzeugung nie tolerieren würde. Zu Wittners Auftritt (Anm.: bei der Gründung der Ungarischen Garde) sagte ein Fidesz-Sprecher nur, dass man darüber vorher nicht informiert worden sei.
Siehe Pester Lloyd vom September 2007.
Damals war man „nicht informiert“; 2011 wird Wittners Weltbild von Fidesz-Gremien im Schuluntericht verordnet.
„Geschichtsunterricht“ a la Fidesz
2008 wurde über Mária Wittners Leben ein Dokumentarfilm gedreht: „Hóhér vigyázz! A Wittner film“ [Henker, gib acht! Der Wittner Film], von Beatrix Siklósi und Gábor Matúz. Dort geht es um Revolution und Freiheitskampf von 1956. Die Hauptaussage des Filmes ist jedoch die ideologisch-propgandistische Gleichsetzung der Ereignisse von 1956 und 2006 und die Darstellung der Gyurcsány-Regierung als direkte Fortführung der kommunistischen Diktatur, als „Henker“ des magyarischen Volkes. Das kennt man von den Rechtsextremen; die beiden Filmemacher sind Redakteure bei EchoTV, und der Film wird von den einschlägigen rechtsextremen Firmen vertrieben, z.B. von Magyar Menedék, die antisemitisches Material à la Stürmer und Pfeilkreuzler-Literatur im Programm haben.
Im März beschwerten sich nun einzelne Schüler der Jókai Mór-Mittelschule von Kazincbarcika bei ihren Eltern, weil man ihnen diesen Film im Unterricht gezeigt hatte. Schüler und Eltern waren empört und wandten sich an die Népszabadság; die Lehrer wagten aus Angst um ihre Stellung nicht, sich dazu zu äußern. Schließlich stallte sich heraus, daß die Komitatsversammlung (Landtag) von Borsod-Abaúj-Zemplén diesen Film für die Vorführung in allen staatlichen Mittelschulen bestellt hat.
(Népszabadság vom 21.3.2011)
Die Zusammensetzung der Komitatsversammlung laut ihrer Webseite:
Fidesz 17
Jobbik 7
MSZP 6
Insgesamt 30
Laut Roland Mengyi (Fidesz), dem Vorsitzenden der Komitatsversammlung, „haben wir kürzlich den 17-18jährigen Schülern an den staatlichen Schulen des Komitats den Dokumentarfilm „Henker, gib acht“ von Beatrix Siklós Beatrix und Gábor Matúz gezeigt. Während und nach den Vorführungen haben wir von den Schülern viele positive Reaktionen bekommen, aber offenbar will jemand – vermutlich, ohne den Film überhaupt gesehen zu haben – unsere Erinnerungen anders darstellen.“
Hier nun ein paar Ausschnitte:
Freiheitskampf 1956 = „Freiheitskampf“ 2006
Durch Montage und OFF-Kommentar wird eine direkte Parallele zwischen den Polizeiübergriffen/Krawallen von 2006 mit 1956 hergestellt; die Gyurcsány-Regierung wird als Diktatur dargestellt, als „Henker“/“Mörder“ an der eigenen Bevölkerung:
Fidesz-Demokratieverständnis: Anbetung der „Heiligen Krone“
Hier sieht man Mária Wittner zur „Heiligen Krone“ im Parlament beten, die eine so zentrale Rolle in der neuen Fidesz-Verfassung spielt (ab 0:40).
Zu dieser Szene schrieb Magdalena Marsovszky:
Für die weitere Spaltung der Gesellschaft sorgt die zunehmende „Sakralisierung“ der völkisch gedachten Nation, d.h. die Nation nimmt die Stelle Gottes ein und wird nach und nach sakralisiert. Angebetet wird die „Heilige Ungarische Krone“ (aus dem 11. Jh.), die sich seit 2000 (der Amtszeit von Fidesz und (…) Viktor Orbán) im Parlamentsgebäude statt im Nationalmuseum befindet. Für die Parlamentsabgeordnete der Fidesz/Bürgerliche Union, Maria Wittner, die ehemalige Revolutionärin von 1956, ist dies mehr als hilfreich: „Was meine Situation erleichtert, ist, dass in diesem Haus die Heilige Ungarische Krone aufbewahrt wird. Wenn die im Sitzungssaal für mich unerträglich werden, dann komme ich hinaus zur Heiligen Ungarischen Krone, bete zu ihr und bitte sie um Hilfe. Denn die Ungarische Heilige Krone ist hier im Ungarischen Parlament eine Persönlichkeit. Das Parlament ist sowieso nur deshalb da, damit wir uns vorspielen, dass es in Ungarn ein Mehrparteiensystem gibt.“
Aus: Völkisches Denken, antisemitische Mobilisierung und drohende Gewalt in Ungarn von Magdalena Marsovszky. Weiterlesen hier.
Fidesz-Abgeordnete beim gemeinsamen Auftritt mit Skinhead-Band
Hier sieht man Frau Wittner zusammen mit der Ethno-Rockband Kárpátia, Ungarns bekanntester Skinheadband, die auch am Marsch der Ungarischen Garde mitgearbeitet hat (kann man sich hier antun).
Als im Mai 2007 das Grab von János Kádár geschändet wurde, fand sich nahe dem Grab ein Graffiti mit den Worten „Mörder und Verräter sollen nicht in heiliger Erde ruhen 1956-2006“ – ein Zitat aus dem Kárpátia-Stück „Ich will Namen hören“ (Neveket akarok hallani). (Wiki) Der Band wurde 2010 von Serbien die Einreise verweigert, wie auch schon früher anderen ungarischen Rechtsextremen.
Wittner aktuell über Gyula Horn: „Henker“
Am 23. März meinte Wittner nun im ungarischen Parlament,
der ehemalige sozialistische Ministerpräsident „Gyula Horn war ein Henker“ und bedauerte, dass sein Spitalaufenthalt „von unseren Steuern“ finanziert wird, „er ringt im Honvédspital seit drei Jahren mit dem Tod, weil er nicht sterben kann“.
Siehe „Regression in Ungarn” von Karl Pfeifer auf Hagalil.
Auf Proteste der Opposition hin hat der Fidesz-Fraktionschef János Lázár Wittner jetzt verteidigt: Ihre Worte seien vom Recht auf freie Meinungsäusserung gedeckt, dies sei ein absoluter und unbeschränkbarer Grundwert, und Maria Wittner habe nur ihre Meinung geäussert. Auch Viktor Orbán wollte sich nicht von Wittners Worten distanzieren. Siehe Népszava vom 28.3. und 29.3.2011. sowie Hírszerző.
Wittner ist demnach bei Fidesz keine rechtsextreme Randerscheinung – sie hat die Unterstützung von ganz Oben.
Herzlichen Dank fürs Zitieren, lieber Pusztaranger.
Hier eine neuere Publikation in Englisch (Original in Deutsch) zum Mythos: Freiheitskampf 1956 = „Freiheitskampf“ 2006
http://www.hagalil.com/archiv/2011/02/24/hungary-7/
Jeder darf seine Meinung sagen. Aber eine zivilisierte, europäische Partei sollte sich von Mitgliedern distanzieren, die anderen mit so erbärmlichen Worten den Tod wünschen. Aber was ist da schon zu erwarten? Wer sich nicht von Bayer Zsolt distanziert, warum sollte der sich von Wittner distanzieren?
Rigo Jancsi, nicht nur, dass sie sich nicht von Zsolt Bayer nicht distanzieren, Tamás Deutsch erklärt explizit am 30,3,2011 seine Bereitschaft sich mit Bayer photographieren zu lassen und bei dieser Gelegenheit (23 Jahre seit Gründung der Fidesz) läßt sich auch V.O. mit Bayer photographieren.
http://vasnepe.hu/image.aspx?id=2ea20212-27cd-4fd2-b0f3-42243a011392&view=d687bb3a-509a-49ca-b43e-cbc038e76e5b