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Irans Pläne mit Ungarn: „Ideal für Investitionen“

5. Dezember 2011

Aktuelles Update zum Post Ungarns “Öffnung nach Osten”: Irans neues Tor zur EU, 4. November 2011.

Kurzversion:

  • Am 2.12. veranstaltete Jobbik vor der US-Botschaft in Budapest eine Solidaritätsdemonstration mit dem Iran.
  • In den regierungsnahen Medien wird es tendenziell so dargestellt, als sei lediglich Jobbik aus ideologischen Gründen an Wirtschaftskontakten zum Iran interessiert; allerdings ist die ungarische Regierung genauso darum bemüht (s. auch ausführlich Post vom 4.11.): Seit seinem Amtsantritt 2010 knüpft der iranische Botschafter in ganz Ungarn Wirtschaftskontakte mit der Fidesz-Administration.
  • Der Iran will u.A. gezielt in den Bildungsstandort Ungarn investieren, Kooperationen mit mehreren ungarischen Universitäten sind geplant, im Januar 2012 wird der iranische Bildungsminister zum Staatsbesuch erwartet. (Stand vor dem 1.12., seither nichts Neues.)
  • In den Medien war von alldem so gut wie nichts zu erfahren.

Details:

Jobbik-Solidaritätsdemo für den Iran

Am 2.12.2011 veranstaltete Jobbik vor der US-Botschaft in Budapest eine Solidaritätsdemonstration für den Iran mit 2oo – 300 Teilnehmern. Es sprachen der Jobbik-Vize, Abgeordnete und Vizepräsident des ungarischen Parlaments Zoltán Balczó, sowie die Jobbik-Abgeordneten Dóra Dúró, Tamás Nagy-Gaudi, der Jobbik-Vizefaktionsvorsitzende Márton Gyöngyösi, auch Vorsitzender des Parlamentsausschusses für ungarisch-iranische Freundschaft, sowie der antisemitische reformierte Pastor Loránt Hegedűs Jr., und der iranische Zahnarzt und Geschäftsmann Afi Jahromi, der Vorsitzende der „Hungarian Iranian Friendship of Commerce“, die mit Unterstützung des iranischen Botschafters Kontakte zwischen ungarischen und iranischen Unternehmen herstellt. Vizevorsitzender dieser Organisation ist der Jobbik-Vizefaktionsvorsitzende Márton Gyöngyösi (s. Post vom 4.11.).

(Foto: Pester Lloyd)

*

Die EU bereitet Verschärfungen der Sanktionen gegen den Iran vor; nach der Sitzung der 27 EU-Außenminister in Brüssel am 1.12. erklärte der ungarische Außenminister Martonyi, daß Ungarn seinen Botschafter nicht aus dem Iran abziehen werde (MTI/politics.hu).

Hinter den Kulissen geht man jedoch davon aus, dass Ungarn, stets auf der Suche nach „neuen strategischen Partnern“ abseits des Westens, sich eine Tür offenhalten und für seine diplomatische Zurückhaltung belohnen lassen könnte. Man werde die Ereignisse im Iran „jedoch weiter genau beobachten“, so Martonyi. (Pester Lloyd)

Iranischer Botschafter: „Ungarn ideal für iranische Investitionen“

Der Iran will seine Kooperation mit Ungarn in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft ausbauen und plant diesbezügliche Investitionen. Der iranische Botschafter in Ungarn, Sajed Sejed Agha Banihasemi, in einem Interview vom 18.11.2011 (atv, Video s.u.):

„Seit ich in Ungarn bin (Sommer 2010), habe ich 21 Städte besucht, um Kontakte zu knüpfen, und über jede dieser Städte Informationen zu Handel, Universitäten und Bildungseinrichtungen sowie Kultur gesammelt und an mein Land geschickt. Es freut mich sehr, dass wir bislang sieben Delegationen in den Iran schicken konnten und fünf Universitäten in naher Zukunft Kooperationsabkommen miteinander schließen werden.“

Der Botschafter bezeichnete Ungarn als „einen der besten Staaten für iranische Investitionen“. Im Zusammenhang mit der Jobbik-Hochburg Tiszavasvári, die dieses Jahr eine Städtepartnerschaft mit Ardebil im Iran geschlossen hat, sagte er, die Grundlage erfolgreicher politischer Kooperation liege in „gut funktionierenden Beziehungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.“

Iran will in den Bildungsstandort Ungarn investieren. Im Januar 2012, so der Botschafter, wird der iranische Bildungsminister zum Staatsbesuch in Ungarn erwartet, um Kooperationsabkommen mit ungarischen Bildungsinstitutionen zu schließen. Laut Botschaftsseite führte er bislang Gespräche mit den Universitäten von Pécs, Debrecen, Miskolc, Győr, Veszprem, sowie der Budapester Corvinus Universität und der Wirtschaftsfakultät der Szent István Universität in Békéscsaba.

Derzeit studieren etwa 2-3000 Iraner in Ungarn (in Deutschland laut DAAD etwa 4000); dies soll offenbar ausgebaut werden.

Von alldem ist in regierungsnahen Medien nichts zu erfahren. Der oppositionelle Sender atv bezieht sich hier auf dieses aktuelle Interview mit dem iranischen Botschafter, das von einem Jobbik-Gemeinderatsabgeordneten für das Internet aufgenommen wurde.

Fidesz-Bürgermeister offen für Kooperation mit dem Iran

Jobbik-Abgeordnete und -Bürgermeister machen kein Hehl aus ihren Sympathien für den Iran und ihre guten Kontakte zum iranischen Botschafter; auf der Botschaftsseite finden sich Treffen mit den Jobbik-Abgeordneten Márton Gyöngyösi und Zsolt Német. Die meisten dieser Kooperationsgespräche auf lokaler Ebene wurden jedoch mit Fidesz-Bürgermeistern geführt. So wird der Bürgermeister von Miskolc auf der Botschaftsseite folgendermaßen zitiert:

The new city administration has announced that they will be opened to the world, and that the resulting relationship can be a step in the program. (sic)

Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2010 hat der iranische Botschafter nach eigenen Angaben 5000 Kilometer zurückgelegt und sich in 21 ungarischen Städten und Gemeinden  mit Bürgermeistern und Vertretern der Industrie- und Handelskammern zu Gesprächen getroffen, laut Botschaftsseite (iranembassyhu.org/events/) im Einzelnen:

Jászivány: Rede auf der jährlichen „Weltversammlung der Jassen“ 2010, zusammen mit Bürgermeister András Tari (Fidesz); Schirmherr war Landwirtschaftsminister Sándor Fazekas (Fidesz).

Jászberény – Treffen mit Bürgermeister Tamás Szabó (Fidesz)

Gyula

Debrecen – Gespräch mit Ferenc Miklóssy, dem Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer Komitat Hajdú-Bihar (Vizevorsitzender der Ungarischen Industrie- und Handelskammer, links im Bild) und Vize-Bürgermeister Béla Somogyi (Fidesz), rechts im Bild; Besuch der Universität.

Pécs, Universität: Gespräch mit Vizerektor Dr. László Imre Komlósi

Jászkisér (Bild s.u.)
Győr – Gespräche mit der Industrie- und Handelskammer Komitat Győr-Moson-Sopron sowie Bürgermeister Zsolt Borkai (Fidesz); Besuch der István Széchenyi Universität.

Veszprém – Besuch von Rathaus, Universität und Industrie- und Handelskammer

Miskolc – Gespräch mit Bürgermeister Dr. Ákos Kriza (Fidesz) und dem Rektor der Universität. „considerable interest in the automotive glass, fertilizer, meat products, and construction services. University of Miskolc also want to build long term relationships, among others, the professors, PhD students to exchange. The ambassador said Iran has money on research and development, and would welcome the Hungarian universities in joint projects. (…) The new city administration has announced that they will be opened to the world, and that the resulting relationship can be a step in the program.“ (sic)

Zalaegerszeg

Szombathely – Gespräch mit Prof. dr. Károly Gadányi, Präsident und Vizerektor der Universität. „The ambassador added, is three thousand Iranian students studying in Hungary, mostly in higher education. In the following weeks, several universities can be established in cooperation between exchanges and joint projects regarding research. “ (sic)

Budapest – Vortrag Corvinus Universität

Szent István Universität – Vortrag und Gespräch mit Dekan Dr. László Villányi

Gyöngyös – Gespräch mit Bürgermeister László Faragó (Fidesz)

 

Bildvergleich: Gyöngyöspata, Oszkár Juhász (Jobbik):


Székesfehérvár 



Békéscsaba – Gespräch mit Bürgermeister und Parlamentsabgeordneten Gyula Vantara (Fidesz)


Tiszavasvári – Gespräch mit Bürgermeister Erik Fülöp (Jobbik).

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Aus anderer Quelle:

Der Budapester Oberbürgermeister István Tarlós auf Jobbiks Budapester Veranstaltung für die iranische Delegation im Oktober, hinter ihm der Jobbik-Abgeordnete Gábor Staudt. Laut Jobbik-naher Medien fand die Veranstaltung im „Tempel der Heimkehr“, der Kirche des antisemitischen reformierten Jobbik-Pastors Lóránt Hegedûs Jr. statt, der auch eine Begrüßungsansprache hielt.

Randnotiz: Kulturkontakte

Institutionelle Kulturkontakte zum Iran werden in Ungarn seit den 1990ern gepflegt, vor allem begründet mit der „historischen Verwandtschaft“ der beiden Völker über die Volksgruppe der Jassen im Raum Jászbérény, der ersten ungarischen Partnerstadt des Iran (1996).

(Jászkisér)

Der iranische Botschafter ist regelmäßig Gast bei Veranstaltungen des gemeinnützigen Kultur- und Brauchtumsvereins „Stiftung für Jazygien“ (Jászok Egyesülete) in Jászberény. Dieser kooperiert mit der Unterstützung des iranischen Botschafters regelmäßig mit der „Gesellschaft für Ungarisch-Iranische Freundschaft“ (Magyar-Iráni Baráti Társassag). Diese betont immer wieder, daß ihr kulturelles Engagement der Völkerverständigung diene und „nicht politisch“ sei (siehe z.B. hier.)

In ihrem Vorstand finden sich unter anderem ein in Ungarn lebender iranischer Ingenieur für Atomanlagen und ein ungarisch-schwedischer Importeur von Kampfflugzeugen:

Vizevorsitzender ist Habib Naderi. Ein Ingenieur diesen Namens mit Abschluss von der Technischen Universität Budapest findet sich als Technical Adviser der Firma VISOLA Electric Insulation Technology Ltd mit Sitz in Pilisborosjenő, die „electrical penetration assemblies (EPAs)“ für Atomkraftwerke entwickelt und produziert:

Habib Naderi received both his MSc Electrical Engineer and Mechanical Engineer degrees at the Technical University of Budapest (TUB). In the first seven years of his professional career he had been developing and designing various specialized equipment at the Communications Technology Factory. Later he had been designing electron beam welding machines for the Research Institute of Communications Industry (HIKI) and later for the Institute of Industry Technology from which many were exported to ex-socialist countries. (…) He developed and produced parts and equipment for nuclear power plants. (Firmenseite)

Der Sekretär der „Gesellschaft für Ungarisch-Iranische Freundschaft“ ist der in Schweden lebende Industrielle und Jászberényer Ehrenbürger Tibor Kertész. Er reformierte nach der Wende Electrolux Ungarn in Jászberény und war seit Mitte der 1990er an der Einführung des schwedischen Mehrkampfflugzeugs JAS 39 Gripen in Ungarn maßgeblich beteiligt. Im August wurde er Berater des schwedischen Think Tanks Global Utmaning (Global Challenge). Quelle: Global Utmaning.

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