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Ulrike Lunaceks Beschwerde bei der ungarischen Medienbehörde

2. April 2012

Die außenpolitische Sprecherin der EU-Grünen Ulrike Lunacek hat bei der ungarischen Medienbehörde eine  Beschwerde gegen den rechtsextremen, regierungsnahen Sender EchoTV eingereicht. Der Journalist Zsolt Bayer hatte in seiner Sendung „Korrektura“ vom 10.2.2012 im Zusammenhang mit Lunaceks Wortmeldung im LIBE-Hearing am 9. Februar menschenverachtende Aussagen über sie gemacht.

Bislang wurde die ungarische Medienbehörde in Fällen politisch motivierter Verunglimpfung und Beleidigung regierungskritischer PolitikerInnen durch regierungsnahe ungarische Medien nicht aktiv.

Dies ist die erste Beschwerde einer ausländischen EU-Politikerin gegen ein regierungsnahes ungarisches Medium.

Die Vorgeschichte auf diesem Blog:

Der Journalist und Orbán-Freund Zsolt Bayer, einer der Hauptorganisatoren der Pro-Regierungsdemonstrationen am 21. Januar und 15. März 2012 (“Friedensmarsch”) mit mehreren hunderttausend Teilnehmern, äußerte sich am 10.2. in seiner Sendung “Korrektúra” im rechtsextremen EchoTV einschlägig über die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek.

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen hatte in Brüssel kritisch angemerkt, dass bei der Pro-Regierungsdemonstration im Januar in Budapest auf Plakaten antisemitische und europafeindliche Parolen zu lesen gewesen seien. Der bekennende Antisemit Bayer holte daraufhin im rechtsextremen Sender Echo TV aus: Lunacek sei eine „gehirnamputierte, an Krätze leidende Idiotin“. Was sie gesagt habe, sei eine „stinkende Hurenlüge“.

Am 14.2. beschwerte sich Lunacek bei EchoTV:

Ich beanstande hiermit offiziell die vom Publizisten Zsolt Bayer im Rahmen dieser Sendung getätigten menschenverachtenden Aussagen meine Person betreffend insbesondere “Csak jön egy olyan agyament ótvar hazug idióta, Ulrike Lunacek, es milyen finoman fejeztem ki magam. (…) Az egész egy rohadt szemét hazugság egy rohadt szemét szájából.” (…)  und behalte mir eine Anrufung des ungarischen Medienrates vor.

Außerdem forderte sie eine öffentliche Entschuldigung und eine Richtigstellung. EchoTV reagierte am 15.2. mit dem Angebot, den Vorfall in einer Studiodebatte mit Zsolt Bayer zu diskutieren.

Dies wies Lunacek am 2.4.2012  in einem Schreiben an EchoTV, das Pusztaranger vorliegt, als völlig unangemessen zurück:

„Über eine derartig grobe Missachtung gesellschaftlicher Umgangsformen generell und meiner Menschenwürde im Speziellen gibt es  nichts zu debattieren – die einzige adäquate Reaktion darauf Ihrerseits ist eine öffentliche Entschuldigung und eine korrekte Sachverhaltsdarstellung über meine Wortmeldungen in besagtem LIBE-Hearing am 9. Februar 2012 in Ihrem Sender.“

Heute hat Ulrike Lunacek Beschwerde bei der ungarischen Medienbehörde eingereicht. (MTI/NOL, auch bei Index und Origo.)

Bislang wurde die ungarische Medienbehörde in Fällen politisch motivierter Verunglimpfung und Beleidigung regierungskritischer PolitikerInnen durch regierungsnahe ungarische Medien nicht aktiv, siehe Posts

Dies ist die erste Beschwerde einer ausländischen EU-Politikerin gegen ein regierungsnahes ungarisches Medium. Und nicht irgendeiner:

Ungarische Regierung diskutiert nicht mit Lunacek

Die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung hatte für den 21.3. mehrere Fidesz-Spitzenpolitiker zu einer Podiumsdiskussion zur neuen ungarischen Verfassung in Brüssel eingeladen.

Eingeladen war auch Lunacek, obwohl sie den Leiter der Brüsseler Hanns-Seidel-Vertretung zuvor darauf hingewiesen hatte, dass ihre Ansichten in Ungarn „kontrovers“ diskutiert würden.

Laut Index wurde die Veranstaltung von ungarischer Regierungsseite mit der Begründung abgesagt, „mit Lunacek setze man sich nicht zusammen“. Darauf lud die Hanns-Seidel-Stiftung Lunacek wieder aus, legte ihr nahe, doch im Publikum Platz zu nehmen:

„in Anbetracht der sehr polemischen Diskussion in Ungarn um Ihre Person wollen wir nicht noch Öl ins Feuer gießen und deshalb von Ihrer Beteiligung auf dem Podium absehen“. Man wisse leider, dass die „ungarische Seite gewisse Vorbehalte im Rahmen einer unmittelbaren Diskussion mit Ihnen hat“.

Lunacek war befremdet. Es werfe ein „seltsames Licht auf das demokratische Verständnis der ungarischen Regierungsvertreter“, dass diese sich anscheinend keiner kritischen Diskussion stellen wollten, sagte sie.

Die vorgesehene Moderatorin, eine Journalistin vom Deutschlandradio, trat darauf zurück.

Laut Index wurde die Veranstaltung darauf von der Hanns-Seidel-Stiftung ganz abgesagt.

Quellen: Index, Süddeutsche Zeitung: Ulrike Lunacek: Eingeladen, ausgeladen. Peinliche Posse um Tagung der Hanns-Seidel-Stiftung

*

Fidesz-Gründungsmitglied Zsolt Bayer und Parteifreunde beim Fidesz-Geburtstag am 30.März 2012


(Bayer 5.v.l.)

(Bayer 2.v.l.)
(Fotos: hirado)

5 Kommentare leave one →
  1. Karl Pfeifer permalink
    3. April 2012 04:30

    Es ist erstaunlich, wie sich der ungarische Ministerpräsident und seine Partei verhalten. Einerseits möchten sie im Ausland als konservativ, christlich und demokratisch anerkannt werden, andererseits kungeln sie mit dem Fäkal-Antisemiten (© Die Presse) Zsolt Bayer und signalisieren im Inland, dass er zu ihnen gehört. Werden Fideszsympathisanten darauf angesprochen, erklären sie unverblümt, dies zu tun müssen, weil sie sonst einen Teil ihrer Wähler verlieren würden.

  2. 3. April 2012 05:42

    Normalerweise wird doch nur auf chinesische Befindlichkeiten so viel Rücksicht genommen und der Tibetaner regelmäßig ausgeladen. Vor einer Wirtschaftsmacht verbiegt man sich halt schon mal. Aber warum vor der ungarischen Regierung? Glaubt die CSU noch immer, es bei Fidesz mit Partei-FREUNDEN zu tun zu haben?

    • Kugelfuhr permalink
      3. April 2012 12:52

      Herr Rigo Jancsi, wie recht sie haben, wird der CSU wahrscheinlich erst auffallen wenn es zu spät ist. Sie wissen doch das diese auch im christlichen Glauben schwelgen, dort, bei der CSU, ist kaum Platz für Wissen oder/und Erkenntnis.

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