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Horthy-Kult und Statuenkrieg

24. Mai 2012

Der Geschichtsrevisionismus blüht, der Hitler-Paktierer Horthy ist wieder salonfähig. Derzeit häufen sich die Errichtung und Planung von Horthy-Statuen, Büsten und Gedenktafeln; es regt sich Protest; als Reaktion auf die „Umgestaltung“ der Horthy-Statue in Kereki wurde gestern die Wallenberg-Statue in Budapest von unbekannten Tätern geschändet; der israelische Botschafter protestiert in zwei Wochen bereits zum zweiten Mal gegen antisemitische Vorfälle in Ungarn.

Horthy-Platz in Gyömrő

Im April wurde in der Gemeinde Gyömrő unweit des Budapester Flughafens, trotz Protesten der Bevölkerung der Hauptplatz vom „Freiheitsplatz“ in „Horthy-Platz“ umbenannt, vgl. Pester Lloyd: Ungarische Gemeinde schafft Platz für Horthy, 26.04.2012, siehe ausführlich Hungarian Spectrum: The stealth Horthy cult.

Horthy-Reiterstandbild in Budapest mit Fidesz-Unterstützung (geplant)

Am 5. Mai 2012 veranstaltete der Vitézi Rend im XVI. Budapester Bezirk Sashalom einen Benefizball für die Errichtung eines Reiterstandbildes für Horthy, hier im Modell:

Der Vitézi Rend (dt. Stand der Tapferen) wurde am 10. August 1920 von der ungarischen Regierung unter Leitung des Reichsverwesers Admiral Horthy gestiftet und war die erste staatliche Auszeichnung nach der Wiederherstellung der nationalen Regierung im Ergebnis des Ersten Weltkrieges. Der Orden wurde 1992 neu zugelassen; 2011 wurde zwischen dem Vitézi Rend und dem Bayerischen Soldatenbund BSB ein Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. (wiki)

Kein Karnevalsorden:

(helyihirek.hu)

Schirmherren der Veranstaltung waren der Bürgermeister des XVI. Budapester Bezirks Péter Kovács (Fidesz) und Kristóf Szatmáry (Fidesz), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Beide sind auch Parlamentsabgeordnete, Szatmáry ist Fidesz-Vizefraktionsvorsitzender. (stop.hu) Zum Vitézi Rend in Kürze mehr.

Horthy-Statue in Kereki

Am 13. Mai wurde im Dorf Kereki im Komitat Somogy eine Horthy-Statue eingeweiht.


(Video: Anwesend waren u.A. der Vitézi Rend, Kirchenvertreter und die rechtsextreme Motorradgang Gój Motorosok. Der Vorsitzende Imre Mészáros sagt sinngemäss, wenn Linke die Statue schänden, kommen sie und „erledigen das schneller als das Gericht.“ Der Generalkapitän des Vitézi Rend, János Molnár-Gazsó, relativiert die Judengesetze unter Horthy (Anm.: 1920 und 1938) damit, dass sie „auf Druck der Faschisten“ eingeführt worden seien und es zeitgleich in den von Deutschland besetzten Gebieten schon Massenexekutionen gegeben habe. Ein Mann sagt, er ist gegen die Statue, „aber das ist jedermanns Privatsache.“ Eine Verkäuferin sagt, ihre Horthy-Poster gehen weg wie warme Semmeln. Ein alter Mann singt ein populäres Soldatenlied aus den schönen Horthy-Zeiten, er war damals Polizist. Das Ortsschild prangt in Széklerrunen.)

Kurz darauf wurde die Statue von einem Aktivisten mit roter Farbe übergossen, siehe Pester Lloyd: Denkmal für Hitler-Paktierer Horthy in Ungarn eingeweiht und „umgestaltet“ und Hungarian Spectrum: The war of the statues.

(„Massenmörder, Kriegsverbrecher“)

Darauf mobilisierte Jobbik gegen den Aktivisten, die Polizei schützte ihn auf der Budapester Andrássy út vor einem Mob von etwa 200 gewaltbereiten Rechtsextremen, siehe Pester Lloyd: „Pogromstimmung: Neonazis in Ungarn stürzen sich auf „Liberale“

Horthy-Gedenktafel im reformierten Kollegium Debrecen

Am 19. Mai 2012 erfolgte die feierliche Einweihung der restaurierten Gedenktafel für Horthy in Debrecen („der reformierte Vatikan“) durch Gusztáv Bölcskei, den Bischof der reformierten Kirche in Ungarn, siehe Pester Lloyd: Wieder ein Horthy-Denkmal in Ungarn: diesmal an einer Uni. Mehr dazu in Kürze.

István Horthy-Denkmal in Siofok (geplant)

Am 21.5. wurde bekannt, dass die Stadt Siofok die im Krieg zerstörte Gedenkstatue an Horthys ältesten Sohn István Horthy von 1943 rekonstruieren will, der 1942 als Jagdflieger in Rußland umkam. (Index)


(szoborlap.hu)

Horthy-Büste in Csókakő (Juni 2012)

Am 14. Mai veranstaltete Jobbik ein Benefizkonzert rechtsextremer Bands für die Errichtung einer Horthy-Büste in Csókakő, die am 16. Juni, dem Jahrestag des Rákóczy-Freiheitskampfes,  eingeweiht werden soll. Als Rednerin ist u.A. die Fidesz-Abgeordnete Mária Wittner eingeladen, die regelmäßig mit rechtsextremen Gruppierungen auftritt. (szentkoronaradio etc.)

Proteste

Am 20.5. wurde die Gedenktafel der antisemitischen Schriftstellerin Cécile Tormay (1875-1937) im 8. Budapester Bezirk „umgestaltet“:


(168ora)
Ebenso am 22.5. die István-Horthy-Gedenktafel (von 2009) am Vámház krt. in Budapest.

Am 21. Mai besprühten Unbekannte die Statue des Blut- und Boden-Schriftstellers Albert Wass (wurde gerade in den nationalen Lehrplan aufgenommen) in Debrecen mit einem Hakenkreuz und „Nazi“; ein Fidesz-Gemeinderat äußert sich ratlos, „was Einzelne zu solchen Handlungen treibt.“ (haon.hu)

(Zur Erinnerung: So gut wie kein Medienecho bekam 2009/2010 die wiederholte Schändung des Roma-Holocaustdenkmals mit Hundekot, und offizielle Stellen waren nicht bereit, das Denkmal zu reinigen, so dass schließlich Ausländer die Initiative ergriffen, siehe Ausländer und Roma reinigten gemeinsam das beschmierte Holocaustdenkmal, 14. Februar 2010.)

Wallenberg-Denkmal in Budapest geschändet

Vermutlich als Reaktion auf die „Umgestaltung“ der Horthy-Statue in Kereki wurden der Raoul-Wallenberg-Statue im 2. Budapester Bezirk am 23.5. von Unbekannten Schweinefüße umgehängt (Magyar Narancs).


Mit Schweinefüßen wurde 2009 das Holocaustdenkmal „Schuhe am Donauufer“ geschändet, als Reaktion auf eine Kunstaktion mit der Turul-Statue im 12. Bezirk, einem völkischen Kriegerdenkmal für die ungarischen Soldaten des zweiten Weltkrieges: Die britische Künstlerin Liane Lang hatte den Turul im Juli 2009 mit einer abgeschnittenen Plastikhand im Schnabel fotografiert. Rechtsextreme Portale meldeten „Schändung“ durch „Juden“, und am nächsten Tag steckten unbekannte Täter Schweinefüße in die einzelnen Schuhe des Holocaustdenkmals (deutsch hier, Index). Siehe: Magdalena Marsovszky: „Heiliger Turul, steh uns bei!“ Ungarns völkische Wende und die Sakralisierung der Nation.)

Der zuständige Bezirk und das Außenministerium verurteilten die Schändung der Wallenberg-Statue „auf das Schärfste“, die Polizei nahm Ermittlungen auf.

Der Vorfall wurde dem Bezirk vormittags gemeldet, nachdem aber von offizieller Seite den ganzen Tag nichts unternommen wurde, säuberten  schliesslich Zivile von der Stiftung Marsch des Lebens (Élet Menete Alapítvány) die Statue. (Quelle)

Die Wallenberg-Gesellschaft protestierte heute in einer Erklärung gegen den Horthy-Kult und fordert gesellschaftliche Aufklärung über Horthys Verantwortung für den Kriegseintritt Ungarns, die Judengesetze und die Deportationen. (atv)

Der Israelische Botschafter Ilan Mor wird morgen um 14.00 Uhr Blumen vor der geschändeten Statue niederlegen.

Der letzte antisemitische Vorfall, bei dem er Stellung bezog, ist gerade mal zwei Wochen her, siehe Post: Eger: Auftrittsverbot für jüdischen Schauspieler, Israels Botschafter sagt Besuch ab, 10. Mai 2012

*

Auf Facebook kursieren derzeit diese Bilder:

Postkarte 1938

(Facebook)


18. Oktober 1943 (cultiris.com, Militärhistorisches Institut und Museum Budapest)

10 Kommentare leave one →
  1. Hunor permalink
    25. Mai 2012 02:05

    Es erfüllt mich mit großer Freude, dass ENDLICH damit begonnen worden ist, die über 60 Jahre andauernde Gehirnwäsche, bösartige Desinformation und Herumlügerei über die Geschichte Ungarns 1920-1945 (natürlich auch jene der Zeit davor und danach!) und über die damals handelnden Personen fortzufegen und die Dinge an ihren richtigen Ort zurückzustellen! Natürlich gibt es überall „Linke“ und „Antifaschisten“, die allzu gerne dagegen anstänkern möchten und auch schon mal Hand anlegen, in Form von Farbenüberschüttungen u.ä., aber da wird schon die passende Antwort folgen..
    Eigentlich traue ich der Fidesz nicht über den Weg. Ich argwöhne, dass deren Führung nur Sand-in-die-Augen-streu-Politik betreibt und etwas ganz anderes im Sinne hat, als das, was die ganze Show darzustellen scheint. Sollte ich mich darin irren und Fidesz das Ganze ehrlich betreiben, wäre ich positiv überrascht. Nach allem, was ich aber so lese über die Führungsebene von Fidesz, habe ich Probleme damit, keine hintergründigen Absichten zu vermuten (was das für verdeckte Absichten sein könnten, nun, das kann ich allerdings auch nicht erkennen..).

  2. galut permalink
    25. Mai 2012 04:54

    “ relativiert die Judengesetze unter Horthy (Anm.: 1920 und 1938)“…

    und 1939 und 1941. Das von 1920 wurde 1927 aufgehoben.

  3. koehlergraupa@googlemail.com permalink
    25. Mai 2012 12:06

    Ich wundere mich, dass nicht auch weitere Gründe gegen eine Verehrung Horthys ins Feld geführt werden. Unter anderem gab es unter ihm einen noch stärkeren Assimilierungsdruck auf die Deutschen Ungarns als vor dem 1. Weltkrieg, der einen Teil von ihnen in Hitlers Arme geführt hat. Am Ende des Krieges hat Horthy dann alle Männer der deutschen Minderheit – also ungarische Staatsbürger – an Hitler übergeben (selbst solche, die schon mit der ungarischen Armee am Don gewesen waren), der sie dann als (aus deutscher Sicht) ausländische Staatsbürger in der Waffen-SS verheizt hat. Nach dem Krieg haben dann die bürgerlichen Parteien die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und die Alliierten gebettelt, sie mögen es Ungarn erlauben, seine deutschsprachigen Staatbürger in das besetzte Deutschland auszuweisen. Gegen eine Ehrung Horthy spricht also auch, dass er in gewisser Weise verantwortlich dafür ist, dass es heute im Grunde keine deutsche Minderheit mehr in Ungarn gibt.

  4. babel permalink
    25. Mai 2012 13:42

    Ja, Ungarn versteht es schon, sich ein Denkmal zu setzen. Dieses Mal wird noch lange bleiben!

  5. Judith B. permalink
    26. Mai 2012 10:47

    http://atv.hu/belfold/20120525_hack_peter
    Leider nur ungarisch

  6. Don Kichote permalink
    9. Juni 2012 13:10

    Warum nicht Martin von Tours?, er ist einer der bekanntesten Heiligen der katholischen Kirche und ist in Pannonien wahrscheinlich in Szombathely geboren.
    Den Mantel den er teilte gab er einem unbekleidetem armen Menschen. Ein überragendes Beispiel für Menschlichkeit und würdig verehrt zu werden. Deshalb wäre mein Wunschkandidat Martin von Tours und nicht Horthy.
    Ich schreibe dies aus dem Grund, um aufzuzeigen wie unterschiedlich diese Charakteren sind und man sollte sich genau besinnen was man verehrt.

  7. Don Kichote permalink
    12. Juni 2012 15:18

    Hier noch ein Nachtrag zur neuen ungarischen Heldensammlung.
    ”Mádl was a hero”
    http://hungarianspectrum.wordpress.com/2012/06/11/over-the-weekend-developments-in-hungarian-politics/

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