Fidesz-Medienstrategie: Gekaufte Hofberichterstattung und internationale PR-Dienstleister
Fidesz „sponsert“ einheimische Medien für unkritische Berichterstattung, und die ungarische Regierung engagiert internationale PR-Unternehmen, um ein „korrektes und positives Bild von Ungarn“ zu vermitteln. Für den deutschsprachigen Raum ist ein Berliner Unternehmen zuständig, das sich für den Großkunden Russland bewährt hat.
Gekaufte Medien im Inland
Laut Pester Lloyd/Magyar Narancs
unterzeichnete die konservative, regierungsnahe Wochenzeitung Heti Válasz einen Vertrag mit dem Fidesz-regierten 2. Budapester Bezirk, in dem die Redaktion sich explizit dazu verpflichtet, keine negative Berichterstattung über die Bezirksregierung zu veröffentlichen. (…) Im Gegenzug (…) wird die Zeitung vom Bezirk mit 275.000 HUF (930 EUR) pro Monat „gesponsort“. Die Regierung behält sich dafür das Recht vor, die Vereinbarung jederzeit unverzüglich aufzulösen, sofern Heti Válasz „irgendwelche Informationen, Fakten, Anzeigen oder Neuigkeiten veröffentlicht, die dem Klienten schaden“ könnten.
Eine weitere Veröffentlichung von Magyar Narancs listet auf, dass die beiden Fidesz-nahen Wochenzeitungen Heti Válasz und Magyar Demokrata gemeinsam im Laufe des vergangenen Jahres über 100 Mio HUF (338.000 EUR) an moralisch fragwürdigen Einnahmen durch Verträge mit Fidesz-geführten Bezirksregierungen generieren konnten. Ähnliche “Aboaktionen” startete auch das Außenministerium mit anderen Zeitungen, die sich durch publizistische Liebdienerei und journalistische Selbstaufgabe den Machthabern angedient haben.
Laut Politics.hu ist das für die Budapester Zeitung und die Budapest Times der Fall : Das Unternehmen von Jan Mainka (s. Spiegel Online: Ungarns hässliche Freunde – Ein Deutscher als Fürsprecher des rigiden Rechtskurses, Mai 2011) soll 2011 4.75 Mio HUF (ca. 16 000 EUR) erhalten haben, um 250 Exemplare seiner Gratis(!)zeitungen an diverse Ministerien zu liefern (politics.hu).
Mainka ist derzeit gern gesehener Gast auf Lobbyveranstaltungen für die ungarische Regierung in Österreich, so im März beim Symposium „Ungarn – Gefahr oder Renaissance für Europa“ des Club Pannonia, und der heutigen FPÖ-Veranstaltung „Österreich 2000 – Ungarn 2012“.
Internationale PR-Offensive
Wenn die eigene Politik im Ausland nicht überzeugt, sollen es hochbezahlte Kommunikationsberater richten: Nachdem die ungarische Regierung 2011 ein Londoner Unternehmen für die internationale Kommunikation engagiert hatte (für ca. 708.000 EUR), sollen nun drei weitere ausländische PR-Unternehmen in den USA, Frankreich und Deutschland/Österreich ein „korrektes und positives Bild von Ungarn vermitteln“, was mit ca. 960 000 EUR zu Buche schlägt. (Quelle napi.hu/MTI) Etwa die Hälfte geht an die Bostoner Agentur Rasky Baerlein Strategic Communications, die monatlich $45,000 / ca. 35 600 EUR erhält, siehe ausführlich bei Hungarian Spectrum.
Berliner Unternehmen mit Russlandschwerpunkt
Laut MTI ist für den deutschen Sprachraum das Berliner PR-Unternehmen dimap communications zuständig. Zu seinen Kunden gehören die Präsidialverwaltung der Russischen Föderation, die Russische Botschaft Berlin, Gazprom sowie das Deutsch-Russische Forum.
Aus der dimap-Publikation „Das Russlandbild deutscher Medien“ auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung (2011):
„Klischees und Stereotype nehmen einen großen Teil der deutschen Russland-Berichterstattung ein. (…) Der Text analysiert die Ursachen und führt Beispiele für das tendenziell kritische Russlandbild an. (…)
Stereotype und Schwarz-Weiß-Vergleiche
Eine Untersuchung hat ergeben, dass 36 Prozent der Journalisten in ihren Russland-Beiträgen auf Stereotype setzen. Diese sollen den Lesern helfen, Ereignisse besser zu verstehen. Meistens führen aber Stereotype zu einer negativen Darstellung der Situation. (…)
Um komplizierte Themen lesbar und attraktiv darzustellen, werden Inhalte verkürzt dargestellt. Beschreibungen wie „liberal“ oder „autoritär“ liefern beispielsweise fertige Urteile über „schlechte“ oder „gute“ Kräfte. (…)
Der Verlust an Differenziertheit der politischen Situation in Russland führt zuweilen zu einer Realitätsverzerrung. (…)
Eine einseitige Wahrnehmung des Landes in der Presse könnte auch in der Politik zu mehr Distanz gegenüber Russland führen. Die zunehmend positiven Kommentare der deutschen Journalisten zu der Wirtschaftskooperation beider Länder könnte die gesamte Russland-Berichterstattung jedoch positiv beeinflussen.
Der Kunde Ungarn düfte hier in guten Händen sein.
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Kleine Pointe zum Schluss: Weitere Kunden des Unternehmens in der Branche Politik sind die European Liberal Democrats und das European Liberal Forum; in der Branche Non-profit-Organisationen die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung. 2009 führte dimap communications (mit Partnern) für das European Liberal Forum die Studie „Attitudes Towards Liberalism“ in Polen, Ungarn, Tschechien, Bulgarien und Österreich durch.
Dass die Orbán-Regierung sich im deutschsprachigen Raum ausgerechnet von einem PR-Unternehmen mit „liberalem“ Schwerpunkt vertreten lässt, ist in Ungarn noch nicht bekannt, dürfte aber definitiv für Heiterkeit und Häme sorgen.
Update:Der Post wurde aufgegriffen von German Foreign Policy: Ein positives Ungarn-Bild, 22.06.2012
Ein kleiner Recherchefehler hat sich wahrscheinlich eingeschlichen: Die Budapester Zeitung bzw. Budapest Times sind meines Wissens keine Gratiszeitungen. Die kann oder muss man normalerweise genauso abonnieren oder am Kiosk erwerben wie andere Wochenblätter auch. Wenn sie irgendwo zum Mitnehmen ausliegen, dann hat sie vermutlich zuvor der Eigentümer der entsprechenden Lokalität erworben. Alles andere wäre mir wirklich neu. Und ich lebe schon eine Weile in Budapest. Davon unabhängig bliebe das Verhältnis von 16.000 Euro für 250 Exemplare in der Tat absolut fragwürdig. Hoffentlich stellt sich diese Nachricht als Zeitungsente heraus.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58355
Danke für den Link Frau Magdalena Marsovszky. Die Orbanische Propaganda wird teuer bezahlt, während andere Ungarn versuchen jeden Forint zu sparen.