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Medienrat: Geldstrafe für Tierwitze

22. Juni 2012

Hier hat sich der Medienrat wieder selbst übertroffen.

Stern.de: Radio in Ungarn muss wegen Tierwitzen 870 Euro zahlen

Ungarns umstrittener Medienrat liebt keine Witze über Tiere: Er verurteilte einen Radiosender zur Zahlung von 250.000 Forint (870 Euro), weil sich die Moderatoren einer Satiresendung über Tiere lustig gemacht hatten. Laut dem politischen Blog Velemenzyvezer hatten die Moderatoren der Sendung „Boomerang“ im Februar im Radio NeoFM gesagt, das Aussterben der Pandas würde „niemanden stören“, weil die Bären ohnehin nur „rumsitzen und fressen“.

Das Gleiche gelte für Schildkröten, die ja „schon lange genug gelebt“ hätten, witzelten die Moderatoren nach Angaben des Blogs. Demnach verurteilte der Medienrat nach einer Klage eines Umweltaktivisten den Radiosender am 6. Juni zu der Geldstrafe – mit der Begründung, dass die Moderatoren in ihrer Vorbildfunktion für Kinder versagt hätten, wie es in dem Urteil heißt.

Der Blog Velemenzyvezer sieht in der Verurteilung eine „absurde Angelegenheit“, die die „schlimmsten Ängste“ bestätige. Dem Medienrat sei per Gesetz erlaubt, die ungarische Medienlandschaft nach seinem Gutdünken zu gestalten, kritisierte der Blog.

Dem Medienrat gehören ausschließlich Verbündete der Regierungspartei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orban an. Das Gremium war im Januar durch das neue Mediengesetz eingesetzt worden, das international auf scharfe Kritik gestoßen war.

Auch bei zeit.de.

Der Sender NeoFM steht den Sozialisten nahe und auf der Abschussliste der Regierung, siehe ausführlich Hungarian Spectrum: Strangling the media in Hungary: How it works, 20.6.

Medienrat: Vulgäre Ausdrücke ohne Altersbeschränkung

Außer dem oben Aufgeführten fand der Medienrat auch vulgären Sprachgebrauch bei nicht erfolgter altersgemäßer Kennzeichnung zu beanstanden.  In der von Annamária Szalai höchstselbst unterzeichneten Begründung des Medienrats heißt es weiter:

Der Medienrat hat festgestellt, dass die Sendung mehrere Elemente beinhaltete, die sich schädlich auf die gesunde Entwicklung von Hörern unter 12 Jahren auswirken können. (…)
Für die Altersklasse von 6-12 Jahren müssen (…) aggressive Sprachmuster vermieden werden, was in der Sendung nicht geschehen ist, zudem wurden die obszönen Äußerungen regelmäßig von Lachen begleitet. (z.B. „tierisch”, (…)„Du parkst scheisse“ (…) „Ich scheiß auf deine Meinung.“ – „Ist mir egal, daß du drauf scheißt, ich scheiß auch drauf, dass du drauf scheißt.“ (…) „Der sieht aus wie ein alternativer Greenpeace-Idiot.“)
Insgesamt hat der Medienrat festgestellt, dass die Sendung wegen der problematischen Darstellungsweise der angesprochenen Themen (…) und der gelegentlichen mittelstarken (sic) Vulgaritäten (…) unter der Altersfreigabe ab 12 (Kategorie III.) hätte ausgestrahlt werden müssen.
Der Mediendienstleister wies zu Beginn der Sendung nicht auf eine Altersfreigabe hin. (…)

Kategorie III: Freigegeben ab 12

Ach was?

Erst vor Kurzem hat der Medienrat eine Beschwerde der grünen Europaabgeordneten Ulrike Lunacek abgewiesen. Der Moderator Zsolt Bayer, persönlicher Freund des ungarischen Regierungschefs (und ein wiederkehrendes Thema dieses Blogs), hatte Lunacek in seiner Sendung “Korrektura” im Februar als “gehirnamputierte, an Krätze leidende Idiotin” bezeichnet – im O-Ton definitiv mehr als „mittelstarke“ Vulgaritäten. („Csak jön egy olyan agyament ótvar hazug idióta, Ulrike Lunacek, es milyen finoman fejeztem ki magam. (…) az egész egy rohadt szemét hazugság egy rohadt szemét szájából.“) Der Medienrat erklärte sich  für die Klage Lunaceks nicht zuständig, da er nur die Rechte der Fernsehzuschauer schütze. (APA)

Dagegen hat Lunacek beim Oberlandesgericht in Budapest eine Klage gegen den Medienrat eingereicht. „Wir werden sehen, ob das Gesetz nur als Maulkorb für politisch Unbequeme dient oder für alle gilt!“ (11. Juni 2012 • profil 24, S. 17)

Jetzt kann Frau Lunacek für die Rechte der ungarischen Fernsehzuschauer unter 12 Jahren in die nächste Runde gehen – eine Altersfreigabe ab 12 hat Zsolt Bayers Sendung Korrektúra auf EchoTV m.W.  auch nicht.

Update 25.6.:

Maßnahmen der ungarischen Regierung werden, wie man weiß, gerne im Nachhinein durch „nationale Konsultation“ legitimiert. Derzeit kann auf dem Blog des Medienrates über folgende Fragen abgestimmt werden:

  1. Muss der Medienrat Ihrer Meinung nach aktiv werden, wenn eine Tierschutzorganisation ihm meldet, dass auf einem landesweiten kommerziellen Radiosender morgens in einer Livesendung erörtert wird, wie man die Ausrottung bestimmter Tierarten beschleunigen kann?
  2. Lassen Sie ihr Kind gerne in Radionähe, wenn in einer Livesendung eines landesweiten kommerziellen Radiosenders lachend über die Tötung von Tieren gesprochen wird?
  3. Muss der Medienrat Ihrer Meinung nach aktiv werden, wenn eine Tierschutzorganisation ihm meldet, dass morgens in einer Livesendung eines landesweiten kommerziellen Radiosenders gesagt wird, dass „man die Haie schon lange hätte ausrotten müssen“?
  4. Halten Sie es für witzig, wenn morgens in einer Livesendung eines landesweiten kommerziellen Radiosenders gesagt wird, dass man die Schildkröten mit der Axt entzweihacken und als Waschschüssel verwenden müsste? (Anm.: Wortspiel.)
  5. Halten Sie es für geschmackvoll, wenn morgens in einer Livesendung eines landesweiten kommerziellen Radiosenders Tierschützer als Idioten tituliert werden?

Blog Egyenlito TV auf Facebook dazu: „Der Medienrat will sich hinter dem Ergebnis einer manipulativen Abstimmung verstecken. (…) Es ist nicht schön, Tierschützer als Idioten zu titulieren, aber der Medienrat ist keine Geschmackspolizei.“

Seither im Netz als mobiler Einsatztrupp der Medienbehörde im Gespräch:

[Update Ende]

Aktive Vorbildfunktion für die Jugend I:


Zsolt Bayer (links mit Präsentkorb) letztes Jahr bei einem Vortrag über das Mediengesetz vor Schülern des Franziskanergymnasiums Esztergom, moderiert von Lehrer und Fidesz-Gemeinderat Vajk Bánhídy (Video).

Aktive Vorbildfunktion für die Jugend II: Post Steile Karriere: Vom T*ttenblatt zur Präsidentin der neuen Nationalen Medienbehörde, 13. August 2010

5 Kommentare leave one →
  1. Maria permalink
    22. Juni 2012 18:28

    Mir scheint die Überschrift hier nicht zutreffend. Habe die betreffende Sendung nicht gehört, aber wenn sich jemand wie oben beschrieben über Pandas und Schildkröten lustig macht, sind das keine Tierwitze, dann ist das politische Satire über den auch von Fidesz-Leuten fleißig gepredigten Sozialdarwinismus, über das Kürzen sämtlicher Sozialleistungen auf ein geradezu lächerliches Niveau, über die Benachteiligung von Armen und Arbeitslosen bei fast allen Fidesz-Gesetzen.
    Die Strafe wird also nicht nur verhängt, weil es der falsche Sender ist, sondern weil er kritische Inhalte ausgestrahlt hat.

    • pusztaranger permalink
      22. Juni 2012 22:37

      In der Begründung der Medienbehörde ist ein Skript der beanstandeten Stellen nachzulesen – sieht mir nicht nach bewusster politischer Satire aus.

  2. Karl Pfeifer permalink
    22. Juni 2012 19:09

    Die Tiere darf man nicht beleidigen.
    Linke und Grüne darf ma n beleidigen.
    Und man darf auch fragen, ob jemand den
    Mut hat einen lausigen Juden zu erschiessen.
    Und dann sind diese Leute noch beleidigt wenn
    man ihnen den Spiegel vorhält.

  3. Don Kichote permalink
    23. Juni 2012 08:29

    Und dann muss man sich noch die Franziskaner anschauen die neben Zsolt Bayer dümmlich grinsen. Ist das die Christlichkeit die in der Verfassung festgeschrieben ist?
    Und dann muss man sich noch die Freunde von Zsolt Bayer anschauen, Orban und Co.. Zeig mir deine Freunde und ich sag dir wer du bist.

  4. Don Kichote permalink
    25. Juni 2012 13:26

    Zum Update:
    „Muss der Medienrat Ihrer Meinung nach aktiv werden, wenn eine Tierschutzorganisation ihm meldet, dass morgens in einer Livesendung eines landesweiten kommerziellen Radiosenders gesagt wird, dass “man die Haie schon lange hätte ausrotten müssen”? “

    Wenn es denn live gesendet wird kann der Medienrat dann schon vorher wissen was gesagt werden wird? Und was hat es damit zu tun, dass der Radiosender kommerziell ist? Und warum ist jetzt gerade eine Tierschutzorganisation das maß aller Dinge? Soll jetzt das was Zsolt Bayer in den Mund nimmt (Krätze) plötzlich geschützt werden?

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