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Parlamentspräsident Kövérs Antwort an Elie Wiesel: „Nyirő war kein Faschist“

23. Juni 2012

Vorgeschichte:

Inzwischen ist Kövérs Antwortschreiben im Netz (168ora.hu), erste Seite des Originals s.u. Ein paar Auszüge:

„József Nyirő war kein Kriegsverbrecher, kein Faschist und kein Antisemit – zu diesem Schluss kam der aus sowjetischen, amerikanischen und englischen Generälen bestehende Kontrollausschuss der Allierten, als er den Antrag auf Auslieferung des damaligen kommunistischen Innenministers zweifach zurückwies und die Auslieferung des in der Emigration lebenden Schriftstellers verweigerte. Nichtsdestotrotz erhielt die die ungarische kommunistische Propaganda die Anklagen aufrecht und versuchte über vier Jahrzehnte, Nyirő aus dem öffentlichen Bewußtsein zu tilgen. (…)
In den literarischen Werken von József Nyirő sind kein Nazi-Gedankengut und auch kein Antisemitismus zu finden.

Kövér führt eine jüdische Zeitschrift als Beleg an. Im Folgenden spricht er sich dafür aus,

„in der Beurteilung künstlerisch schaffender Menschen immer in erster Linie das Werk zu sehen und bei der Beurteilung keinen doppelten Maßstab anzuwenden. Dem aus Siebenbürgen stammenden ungarischen Schriftsteller József Nyirő gebührt Anerkennung nicht wegen seiner – unbedeutenden, aber zweifellos tragisch verfehlten – politischen Tätigkeit, sondern für sein literarisches Lebenswerk. (…)
Frieden entsteht nicht durch Vergessen, sondern durch vergebende Erinnerung.“

Dass Wiesel schrieb, die ungarischen Behörden ermutigten das „Weißwaschen tragischer und krimineller Episoden in Ungarns Vergangenheit“, bezeichnet Kövér als

„unwahr/ungerecht und unwürdig und darum unakzeptabel.“

Elie Wiesels Antwortschreiben ist mittlerweile ebenfalls im Netz (168ora.hu):

(…) Bin ich mit Ihrer Meinung zu Nyirő einverstanden? Nein. Meine Quellen sagen etwas anderes. Und außerdem: Meine Bedenken im Zusammenhang mit dem Horthy-Kult werden in Ihrem Brief nicht einmal erwähnt. (…)

[Edit:]

Goebbels-Bewunderer Nyirő

»Minister Goebbels, dieser junge, brillante, mit seinem ganzen Wesen Verstand, Genialität ausstrahlende, außerordentlich kultivierte, leise sprechende, in seinen Bewegungen grazile, aber tatkräftige Mann (…) Der geistige Führer Deutschlands mitten im Weltbrand, wo er den glorreichen Kampf seiner Heimat ficht.« (József Nyírő 1941)

Kein Antisemit?

Nyirö hielt Ende November 1942 eine Rede im ungarischen Parlament, in der er unter anderem erklärte: »Aus dem Weg mit den Brunnenvergiftern, mit denjenigen, die die ungarische Seele destruieren, unseren Geist infizieren, denjenigen, die die ungarische Kraftentfaltung verhindern (…) Aus dem Weg in erster Linie mit denen, die der ungarischen Seele und dem ungarischen Geist abgeneigt sind, und mit den Feinden, seien sie Menschen oder Ideen, Interessenvertretungen oder Ideenströmungen, die individuellen oder internationalen Zielen dienen, hinter der Maske von Schlagwörtern oder der Kultur und des sogenannten Humanismus (…) Diese Auffassung, diese abgewirtschaftete liberale jüdische Tradition, die auch viele gutgläubige Ungarn infiziert hat, diese versteckte Propaganda muss aus dem ungarischen Leben verschwinden.« Die Abgeordneten riefen begeistert: »So ist es! So ist es!«

Siehe ausführlich bei Jungle World: Patrioten und Geisterfahrer von Karl Pfeife; die Zitate auf Ungarisch bei hvg.)

[Edit Ende]

József Nyírő 1941: „Das Blut reinigt Europa, es lebe Adolf Hitler“

1941 repräsentierte József Nyírő Ungarn auf dem Weimarer Dichtertreffen der Nazis,

„der wichtigsten literarischen Veranstaltung in der Zeit des Nationalsozialismus im Deutschen Reich. Gastgeber war das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (…) Teilnehmer waren „die wichtigsten deutschen Schriftsteller der Zeit“ (gemeint: die in Nazi-Deutschland geblieben und gelitten waren) sowie ausländische Dichter.“ (wiki)

Der von den Pfeilkreuzlern ermordete Dichter Miklós Radnóti zitierte in seinem Tagebuch vom 3.11.1941 einen Ausspruch Nyirős nach einem Zeitungsbericht über das Weimarer Dichtertreffen:

„In diesen Tagen wird das geistige Europa neu geboren. Ich bin glücklich und glücklich ist die ungarische Literatur, dass auch wir an diesem geistigen Aufbau teilnehmen können. Gerade habe ich ein schönes Bild in der Kirche gesehen, auf dem Luther auf denjenigen Vers der Bibel zeigt, der besagt, dass das Blut uns reinigen werde. Das Blut reinigt Europa. Im Namen des Friedens, im Namen der Seele und im Namen des neuen Geistes halten die Völker Europas zusammen und finden einander. Aus ganzem Herzen, von ganzer Seele wollen wir diese Arbeitsgemeinschaft annehmen. Es lebe Adolf Hitler! Es lebe Deutschland! Es lebe die deutsche Literatur!“

(Miklós Radnóti : Napló (Tagebuch) Magvető, 1989, S. 197. Zitiert u.A. von
fsp.nolblog.hu, Magyar Narancs, Mandiner, parameter.sk. Übersetzung von Alexander Schikowski.)

Noch ab Januar 1945 war Nyirő Organisator der Propagandaaktion “Eleven Ujság” des Szálasi-Regimes, in Kooperation mit der Propagandaabteilung der Deutschen, mit denen Nyirő Propagandamaterial austauschte. (Protokolle der Törvényhozók Nemzeti Szövetsége vom 9.1.45, S. 21; 12.1.1945, S. 41-50, 51-60, 71-80. Gefunden und gesichtet von Karl Pfeifer.)

In seiner letzten Wortmeldung im Parlament am 16.1.1945 drückte er seine Loyalität zu Nazideutschland und seine Bewunderung für die heldenhaften deutschen Soldaten aus. (Quelle)


(Das Nyirő-Zitat kursiert derzeit auf Facebook)

*

3 Kommentare leave one →
  1. galut permalink
    24. Juni 2012 04:52

    Nyirö war ein Antisemit. Herr Karl Pfeifer hat die dies belegenden Stellen aus seinen Parlamentsreden in einem Artikel (Jungle World?) zitiert. Da gibt es leider nichts dran zu rütteln. Und insofern muss auch ich meine auf Pusztaranger erfolgte, teilweise apologetische Bewertung seines literarischen Wirkens und Werkes relativieren und zurücknehmen.

    • pusztaranger permalink
      24. Juni 2012 08:41

      „Nyirö war ein Antisemit. Herr Karl Pfeifer hat die dies belegenden Stellen aus seinen Parlamentsreden in einem Artikel (Jungle World?) zitiert. Da gibt es leider nichts dran zu rütteln.“

      War mir in der Materialflut entfallen, Danke für den Tip. Ich habe das entsprechend ergänzt.

  2. Don Kichote permalink
    24. Juni 2012 06:56

    József Nyírő passt ja sehr gut zu Fidesz und Jobbik. Man konnte noch nie genau sagen wo Fidesz aufhört und Jobbik anfängt, es sind lediglich verschiedene Namen für das gleiche Ziel. Unlängst wurde das Ziel 1944 angepeilt das unsägliche Potential ist im Volk und bei den Politiker ja reichlich vorhanden, man muss es nur noch schüren. László Kövér bettet sich dabei prima ein, ob es nun sein unzulängliches Wissen ist oder die bemitleidenswerte Ignoranz von Verbrechen an der Menschlichkeit ist, ist dabei unerheblich. Selbst ein Blinder ohne Krückstock sieht wohin die Reise geht.

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