Ungarn, der „Kongo der EU“: Kinder lernen an der Waffe
In Ungarn bringen Rechtsextreme Kindern den Umgang mit Schusswaffen bei, die Regierung ist machtlos – und das Verteidigungsministerium veranstaltet eigene Militarycamps für den Nachwuchs, in Kooperation mit Grund- und Mittelschulen, und setzt für 12-13-Jährige „Militärische Grundkenntnisse“ auf den Stundenplan. „Ungarn – der neue Kongo, [Verteidigungsminister] Csaba Hende will Kindersoldaten“ titelte Index im April.
Die diversen rechtsextremen Gruppen in Ungarn veranstalten seit Jahren Sommerferienlager für Kinder, so die Jobbik-nahe Jugendbewegung der 64 Burgkomitate HVIM. Wichtiger Beitrag von arte dazu: Ungarn: Kinder-Sommerlager mit Faschisten.
Auch die rechtsextreme Wehrsportgruppe Rongyosok Kulturális Hagyományőrző Egyesülete („Lumpengarde Kultur- und Traditionspflegeverein“, der Name soll an die paramilitärische “Rongyos Gárda“ der Horthy-Ära erinnern; ihr Vorstand hatte den Jobbik-EU-Abgeordneten Csanád Szegedi als „Juden“ enttarnt, siehe Post) kümmert sich um den Nachwuchs (Quelle: Facebook/rosszabik.com):
Einige Bildunterschriften auf der Facebook-Seite:
- Solange du atmest, kannst du auch kämpfen!
- Deine Waffe ist deine Freiheit
- Die Waffe ist das Kennzeichen des freien Menschen
- Wenn das Unrecht zum Gesetz erhoben wird, ist Widerstand Pflicht
Die Kinder sind hier in erfahrenen Händen: Zoltán Ambrus, bis Anfang 2012 Vorsitzender der Rongyosok, war 2000 wegen illegalen Waffen- und Sprengstoffbesitzes zu einer Gefängnisstrafe von 16 Monaten verurteilt worden und im Frühling 2009 im Zusammenhang mit den Romamorden erneut ins Visier der Behörden geraten. Auf seinem Grundstück wurden Waffen und Sprengstoff sichergestellt, er verbrachte sechs Monate in Untersuchungshaft und sechs Monate in Hausarrest. Sitz des Vereins ist Ambrus‘ abgelegener Hof, auf dem 2009 die Waffen gefunden wurden. Im Frühling wurde gegen den Verein wegen illegaler Einfuhr von Waffen aus der Slowakei ermittelt. Der neue Vereinsvorsitzende ist der ehemalige Jobbik-Abgeordnete und Vorsitzende des Komitats Borsod-Abaúj-Zemplén Zsolt Endrésik, der kürzlich aus der Partei ausgeschlossen wurde; seither sitzt er als Parteiloser im Ungarischen Parlament. (Siehe Post Jobbik-EU-Abgeordneter bietet rechtsextremer Miliz EU-Gelder an, 25.7.2012)
Die rechtsextreme Wehrsportgruppe wird auf einer Seite des ungarischen Verteidigungsministeriums als Mitglied im Verband der Ungarischen Reservisten (Matasz) aufgeführt (katonasuli.hu). Zwischen dem Matasz und dem Verband der Reservisten der deutschen Bundeswehr e.V. besteht seit 2002 ein Partnerschaftsabkommen.
„Die rechtskonservative Regierung sieht keine Veranlassung, gegen die rechten Kinderfänger vorzugehen. Regierungssprecher Ferenc Kumin: „Mich wundert es gar nicht, dass ein Junge oder Mächen gerne mit Waffen oder Granaten spielen will. Sie verstehen eben nicht, worum es in Wirklichkeit geht. Juristisch kann man diese Camps nicht verbieten. Wir können Eltern nicht daran hindern, dass sie im Sommer ihre Kinder zu solchen Veranstaltungen bringen.“ (Arte, ab 1:42)
Verteidigungsministerium und Schulen veranstalten eigene Trainingscamps, „Militärische Grundkenntnisse“ auf dem Stundenplan
Was Kumin, ehemals Politologe, nicht erwähnt: Tatsächlich veranstaltet die ungarische Armee ihre eigenen Kinderferienlager, und das Verteidigungsministerium hat sein eigenes Programm KatonaSuli, „Soldatenschule“, „für Grund- und Mittelschulen, die der patriotischen, militärischen Erziehung einere größere Rolle geben wollen“, so die offizielle Webseite.
Im Rahmen dieses Programmes wird ab September an 32 Schulen des Landes das Lehrfach „Militärische Grundkenntnisse“ eingeführt, um Kinder (sic) an eine Laufbahn in der Berufsarmee heranzuführen, so Regierungsseite kormany.hu (vgl. Hungarian Spectrum: The militarization of Hungary, July 17, 2011).
Die folgenden Bilder stammen nicht von rechtsextremen Seiten, sondern von den KatonaSuli-Seiten des Verteidigungsministeriums (I, II, III).
[Update 29.8.2012: Bericht von AFP:
Update Ende]
Neue Militärfachschule
Ab Sommer 2013 finden die KatonaSuli-Trainingscamps für ältere Schüler in gemeinsamer Organisation mit der Debrecener Fachmittelschule für Elektronik statt (katonasuli.hu), ab dem Herbst Ungarns erster Militärischer Fachschule. Dort werden ab September 60 Schüler in elektronischer Kriegstechnik ausgebildet (hirado.hu).
Fachliche Unterstützung von den Rechtsextremen
Die Trainingscamps des KatonaSuli-Programms werden vom Reservistenverband Matasz unterstützt und holen sich auch schon mal fachliche Unterstützung von den Rechtsextremen. So stellte der Vereinsvorstand der rechtsextremen Rongyosok für ein Camp für benachteiligte Jugendliche in Hejce 2011 die Ausbilder; zudem konnten sie die nötigen Dekowaffen als Leihgabe aus dem Filmstudio in Etyek vermitteln. (katonasuli.hu)
Der Vorstand der Rongyosok war 2011 noch der wegen illegalem Waffen- und Sprengstoffbesitzes vorbestrafte Rechtsextreme Zoltán Ambrus. So arbeiten rechtsextreme Paramilitärs, der ungarische Reservistenverband, das ungarische Verteidigungsministerium und ungarische Schulen Hand in Hand für die nationale Sache, teilweise mit demselben Personal.
Was wird damit bezweckt? Man weiss es nicht.
Aber wenn die heute zehnjährigen Teilnehmer dieser Sommerlager volljährig sind, jährt sich der Vertrag von Trianon zum 100. Mal. Dafür dürfte von der heutigen Regierung bereits Größeres geplant sein, vgl. Pester Lloyd: Politiker der Regierungspartei will Revision der Grenzen von Ungarn, 17.8.2012
„Wenn Fidesz mehr Kräfte sammeln kann und Ungarn in wirtschaftlicher Hinsicht zu einem starken Land wird, dann könnte die Frage nach einer Revision der Grenzen in acht Jahren offiziell angesprochen werden.“ Diese Ankündigung machte das Mitglied der Regierungspartei Fidesz, Zoltán Kőszegi, Parlamentsabgeordeneter für den Kreis Dabas, Komitat Pest, während eines Lagers der Fidesz-Parteijugend im rumänischen Borzont am vorigen Wochenende.
Ob man so etwas im Sinn hat?
(Horthy-Truppen marschieren 1940 in Siebenbürgen ein)
Lieber Pusztaranger,
so erschreckend diese Nachrichten sind, es ist immer noch ein himmelweiter Unterschied zu Kindersoldaten, denen die Waffen nicht nur „zum Spiel“, sondern zum Töten in die Hand gegeben bzw. gezwungen werden. „Ungarn, der Kongo der EU“ ist eine reißerische Überschrift auf Bildzeitungsniveau – das bin ich von diesem Blog nicht gewohnt.
Ansonsten wie immer danke für die interessanten Artikel.
Bin in Ungarn aufgewachsen, im dunkelsten Kommunismus, haben u.a. im Rahmen der MHSZ (Ungarischer Verteidigungs Sportbund) Schiessübungen absolviert (mit 12- 14 J.) – bin kein Massenmörder geworden! Habe meiner Tochter(!) mit 12-13 das Schiessen mit Luftgewähr beigebracht – sie ist auch noch ganz friedlich, ohne seelischen Knachs!!!
Hätte doch die EU sich schon viel früher sooo um Ungarn gekümmert – spätestens zwischen 2002 und 2010, als Gyurcsány und seine roten Socken das Land geplündert haben!!
Habe den Eindruck, in der EU dominieren auch schon die Kommunisten!!!!
Das ist witzig, diese Artikel errinnert mich an sowjetischen Tricks, Verfälschung der Wahrheit.
Pusztaranger ist der Zeitschrift der Oppositen..