Gleichgeschaltete Nationalkunst gegen die „moderne Demokratie“
Letzes Jahr wurde ein etabliertes, funktionierendes Budapester Theater einem Rechtsextremen zum Herunterwirtschaften anvertraut, jetzt geschieht Vergleichbares in ungleich größerem Stil mit der Budapester Kunsthalle und allen Institutionen der bildenden Kunst in Ungarn. György Fekete, der Vorsitzende der nationalistischen „Akademie der Künste“, ist nicht Jobbik-, sondern Fidesz-KDNP-nah und „tief religiös“, aber hinsichtlich seiner Kunst- und Demokratieauffassung besteht zum rechtsextremen Theaterdirektor György Dörner ideologisch kein wesentlicher Unterschied, wie aus einem aktuellen Interview ersichtlich.
Der Hintergrund beim Pester Lloyd:
Eine „Akademie der Künste“ in Ungarn soll zum zentralen Verwaltungsorgan für die Fidesz-Staatskultur werden, auch wenn ihr greiser Chef György Fekete gerade wieder durch eine antisemitische Äußerung und Anklänge an „entartete Kunst“ auffiel. (…) Die Kunsthalle soll ab 2013 von der früher privaten, heute halbamtlichen, „MMA“ Akademie der Künste übernommen werden, wie viele weitere wichtige Kultureinrichtungen des Landes, verbunden mit entsprechender Finanzierung (derzeit 2,5 Mrd. Forint für das kommende Jahr) und inhaltlicher Gleichschaltung. Das nahm der – ebenfalls unter Fidesz-Ägide ernannte – [bisherige Leiter der Kunsthalle] Gábor Gulyás nicht hin [und trat zurück].
Siehe ausführlich beim Pester Lloyd:
- Aus dem Gleichschritt… Chaos im Kultur- und Medienbereich in Ungarn, 14.12.2012
- “Nationalblasphemie” -Kulturkampf in Ungarn: Kunsthalle wegen “Blasphemie” unter Kuratel gestellt, 28.11.2012
Es folgt ein aktuelles Index-Interview mit György Fekete, Video unten, deutsche Übersetzung und Untertitel von nemma.noblogs.org.
György Fekete: „Ich pfeife auf diese moderne Demokratie“
Einzelne Kritiker behaupten, dass es so viel Macht im kulturellen Bereich in Ungarn seit (György) Aczél (der einflussreichste ungarische Kulturpolitiker und Ideologe des Kádár-Systems) nicht mehr gegeben hat. Wie sehen Sie das?
Das ist die gemeinste Beschuldigung. Die niederträchtigste Beschuldigung. Mich mit György Aczél zu vergleichen… ist schon fast ein Gerichtsverfahren wert, weil ich mein ganzes Leben damit verbracht habe, wie ich mich dieser Sache entziehen kann. Es gibt ein altes Sprichwort, das besagt, dass man im Sozialismus nur dann normal leben kann, wenn man im Sozialismus ausserhalb des Sozialismus lebt.
Was braucht man übrigens, um Mitglied in dieser Akademie werden zu können?
Man muss ein reifes, gesellschaftlich und künstlerisch anerkanntes Lebenswerk, zweitens ein überdurchschnittliches Interesse am öffentlichen Geschehen, und drittens eine eindeutig nationale Gesinnung vorweisen können. Das heisst, hier muss man sich seinem Land, seiner Sprache, mitsamt seinen Fehlern und Mängeln verpflichtet fühlen. Jemand, der sich wirklich zuhause fühlt und nicht ins Ausland reist, um von dort aus das Land rückwärtig zu diffamieren. [Antisemitische Konnotationen schwingen mit, gemeint sind, obgleich keine bildenden Künstler, György Konrád, Imre Kertész, Agnes Heller, Adam Fischer, András Schiff, etc.]
Stellenweise sind wirklich große Künstler damit ins Stolpern gekommen. Wenn ich jezt ein Beispiel nennen darf, bei der Ausstellung Mi a magyar? (Was ist ungarisch?) in der Kunsthalle ist bei uns in der Akademie die Sicherung durchgebrannt. So etwas kann eine Stiftung, eine private Galerie machen, die können im Namen der künstlerischen Freiheit machen, was sie wollen, aber als staatliche Institution darf man solche Missverhältnisse nicht schaffen.
Wird es ähnlich kritische Ausstellungen in der von Ihnen geleiteten Kunsthalle geben?
Nein, sicherlich nicht. Das ist die Sache derer, die sich mit so etwas, entweder aus ideologischen oder was auch immer für Beweggründen, beschäftigen. Das Grundprogramm der Akademie der Künste prognostiziert ein fünfjähriges Salon-Ausstellungssystem, das wir ab 2014 einführen werden, weil dann die Kunsthalle natürlich uns gehören wird. [d.h. der Fidesz-Wahlsieg 2014 wird als selbstverständlich vorausgesetzt.] Wir wollen die Kunsthalle nicht explodieren lassen, sondern sie den ungarischen Künstlern zurückgeben. [d.h. die Kunsthalle war bislang in der Hand des Gegners, und nur „national“ gesinnte Künstler sind „ungarische“ Künstler.]
Die Budapester Kunsthalle am Heldenplatz: Ab 2014 nur noch Sarkophag für sakralisierte Nationalkunst. (archinform.net)
Irgendwo haben Sie verlauten lassen, dass Sie [Plural] nur dann in das Programm eingreifen, wenn Sie etwas besonders Skandalösem begegnen.
Ja, damit so etwas, was jetzt vorgefallen ist, nicht noch mal vorkommen kann. Der Direktor der Kunsthalle hatte auch früher schon skandalöse Ausstellungen gemacht, gegen die die Reformierte und die Katholische Kirche seinerzeit auch protestierte, wegen Jesus-Lästerung. So etwas nein.
Es kommt aber doch des Öfteren vor, dass die zeitgenössische Kunst die Kritik der Kirche auslöst, das ist eigentlich nichts Außergewöhnliches.
Nein, nein…
Das wollen Sie dann vermeiden?
In staatlichen Institutionen soll es keine Beleidigung der Kirche geben. Hier handelt es sich um ein auf den christlichen Traditionen basierendes Ungarn, man muss nicht immer [Ungarisches Original: ständig und ewig] provozieren. [Antisemitische Konnotationen schwingen mit, wer „ständig und ewig provoziert“ sind keine „Christen“, lies: „Juden“.]
Aber Staat und Kirche haben nicht viel miteinander zu tun.
Doch, sie müssen miteinander zu tun haben, denn ich bin ein gläubiger reformierter Presbyter, und der Präsident der Akademie der Künste, das kann mir niemand wegnehmen.
Die Grundlage der modernen Demokratie ist, dass die zwei…
Nein. Ich pfeife… auf diese moderne Demokratie, weil das nicht modern und nicht demokratisch ist. Das ist keine Demokratie, wenn man die Herrschaft der Minderheit [Lies: „Juden“, „Linke“, „Liberale“, „Homosexuelle“etc.] sogar über die Herrschaft der Mehrheit stellt. Das ist keine Demokratie, das ist Anti-Demokratie. Das ist gleichzeitig Faschismus, Kommunismus und eine Art Liberalismus, die ich Pseudoliberalismus, ungarischen Liberalismus nenne – diesen Pseudoliberalismus kann ich nicht berücksichtigen.
[Vgl. Fidesz-Geschichtsbild im „Haus des Terrors“ – Die Gleichsetzung von Stalinismus und Nationalsozialismus und die Darstellung der ungarischen Nation als rein gebliebenes Opfer, z.B. hier.]
Aber Gábor Gulyás (Direktor der Kunsthalle) genoss doch die Unterstützung des rechten Flügels, es wäre schwierig, ihm Liberalismus vorzuwerfen.
Ich kenne sein Vorleben nicht, aber er ist liberal. (…)“
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Man beachte, wie hier aus einem selbst erklärten Konservativen ein „Liberaler“ gemacht wird, weil er mit der Ausstellung gegen die Fidesz-Linie der sakralisierten Nation verstößt („Blasphemie“), der die Kunst zu dienen habe.
2011 war Gábor Gulyás übrigens der einzige Konservative, der gegen die antisemitische Hetzkampagne der regierierungsnahen Medien gegen die Philosophen klar Stellung bezog:
„Der „Philosophenprozess“ hat auch einen antisemitischen Aspekt. Nichts Geringeres behauptet ausgerechnet der konservative, der Regierungspartei Fidesz nahestehende Philosoph Gábor Gulyás. Mitte Januar warf er rechtsnationalen Medien wie der Magyar Nemzet vor, ihre Kampagne sei „offen intellektuellenfeindlich und versteckt antisemitisch“. Prompt geriet er selbst ins Visier des Abrechnungsbeauftragten. taz.de: Abrechnung nach alter Manier (29.3.2011, vgl. hvg.)
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Das Interview entstand anläßlich der Einweihung der Plastik links im Hintergrund (ab 2:46), einer Schenkung der Künstler Teréz Borza und András Kontur an den XII. Budapester Bezirk. Fidesz.hu berichtete von einem „Geschenk an die Bürger“ – ein teures Geschenk, konstatiert die Enthüllungsplattform atlatszo.hu; die Plastik war vom ungarischen Staat mit 700 000 HUF gefördert worden; die Kosten ihrer Aufstellung, über 1,1 Mio. HUF, wurden vom Bezirk getragen.
Links:
- Rat für die Künste, Berlin: Offener Brief Zur Situation in Ungarn vom 04.12.2012
- Autonomy of Art in Hungary: ANNOUNCEMENT for the International Press, Board of the AICA Section Hungary (International Association of Art Critics)
- art magazin: Brief: Kunstfreiheit in Ungarn bedroht. In einem offenen Brief hat sich der Rat für die Künste (Berlin) besorgt über die Lage der Künstler in Ungarn gezeigt.
- Tagesanzeiger.ch: Aufruhr in Ungarns Kunstszene, 27.11.2012. Der Direktor der Budapester Kunsthalle, Gabor Gulyas, ist gestern aus politischen Gründen zurückgetreten.
- artmagazine: „Ungehindert übers ganze Feld“ – Nächster Halt: Kunsthalle Budapest, 28.11.12
- ORF: Offener Brief: Kunstfreiheit bedroht
- welt.de: Ungarns unabhängige Künstler müssen protestieren (Adám Fischer zu György Feketes antisemitischen Anfeindungen gegen György Konrád in der rechtsextremen Wochenzeitung „Magyar Demokrata“)
Der angeblich so tief religiöse György Fekete kennt nicht einmal die zehn Gebote wie kann er da religiös sein? Ich würde sagen er ist eher ein Atheist. Er ist einer, der als Wesen an sich selbst glaubt.
Das achte Gebot
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Herr Pustaranger,
mein Kommentar bezog sich auf eine graue Fläche, es war wohl eine Aussagen von unserem tief religiöse György Fekete. Wo ist dieser hin-verschwunden? Wenn Sie diesen löschen, können Sie auch mein Kommentar dazu löschen.