Internationale Kritik an Orbán – Lob von Front National – Schneechaos – Demos für die ungarische Demokratie (Presseschau 14./15.3.2013)
(Die Action findet derzeit auf der Facebookseite des Blogs statt, hier die aktuellen Links.)
Scharfe internationale Kritik an Orbán – Lob von Front National – Schneechaos – Demos für die ungarische Demokratie, 15.3. – Klubradio hat Sendefrequenz – Drei Verdienstorden für rechtsextreme Hetzer – Antisemitische Aufkleber an der Budapester ELTE-Universität
Scharfe Internationale Kritik an Orbán
„Mr. Orbán may indeed choose not to listen, but the European Union and NATO should not tolerate a member government that violates fundamental democratic principles. Hungary should be asked to change constitutional provisions that are found by the Council of Europe to violate democratic norms; if it refuses, it should be subject to sanctions.“ Washington Post
„Bundeskanzlerin Merkel spricht von einem möglichen Machtmissbrauch.“EU hadert mit Verfassungsänderung: Merkel warnt Ungarn – taz.de
„(…) beim Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs dominiert der Streit über Ungarn: Wegen umstrittener Verfassungsänderungen drohen dem Land harte Strafen – sogar ein Entzug des Stimmrechts wird diskutiert.“ (…) Justizkommissarin Viviane Reding (…) drohte Ungarn offen damit, europäische Mittel zu kappen. „Die Kommission ist Hüterin der Verträge und als solche sieht sie nicht tatenlos zu, wenn die Grundsätze dieser Verträge mit den Füßen getreten werden“, sagte Reding in Berlin.
Mit Blick auf die verfassungsändernde Mehrheit der Orbán-Partei im Budapester Parlament sagte die Justizkommissarin: „Mit dem Grundgesetz spielt man nicht. Man kann nicht alle sechs Monate hingehen und das Grundgesetz ändern.“ Sie habe den Eindruck, dass in Ungarn die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr sei.“ Spiegel Online: Umstrittene Verfassungsänderungen: Zoff mit Ungarn überschattet EU-Gipfel
„Das UN-Menschenrechtskommission hat die Verfassungsänderungen in Ungarn scharf kritisiert. Die Maßnahmen seien ein Schlag für die Unabhängigkeit des Justizsystems des Landes, erklärte der Sprecher Rupert Colville am Freitag in Genf. Die Änderungen seien ohne angemessene öffentliche Diskussion erfolgt, die Inhalte könnten „tiefgreifende Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Menschenrechte durch das ungarische Volk“ nach sich ziehen. Bedroht seien „die Unabhängigkeit der Justiz, die Autorität und Rechtsprechung des Verfassungsgerichts“ und „der Rechtsstaat an sich“.(…) Der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, erklärte am Freitag, Ungarn schränke „ungeniert zum wiederholten Male Grundrechte ein und erlässt Verfassungsänderungen, die nicht mit dem demokratischen Rechtsverständnis in der EU vereinbar“ seien. Die EU-Kommission forderte er auf, zu prüfen, ob die Verfassungsänderung mit den europäischen Regeln vereinbar sei. Gegebenenfalls könne ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden.“ Wiener Zeitung Online: UN-Menschenrechtskommission kritisiert jüngste Maßnahmen Orbans
„Scharfe Kritik von Vizekanzler Spindelegger an Parteifreund Orbán (…) „Orban ist mit seinen Maßnahmen am Rande des Erträglichen angekommen. Ich kann ihm nur raten, alle Rechtsfragen rund um die neue Verfassung mit europäischem Recht abzuklären, das muss ganz klar gelöst werden. Ungarn muss auf den Boden europäischen Rechts zurückkehren.“ derstandard.at: Scharfe Kritik Spindeleggers an Parteifreund Orbán
EU leaders at European Council need to address the constitutional changes in Hungary. transparency.hu
Sehr empfehlenswertes Interview mit János Mátyás Kovács, Institut von den Wissenschaften vom Menschen, Wien:
„Frivolous cohabitation. Preparing the soil for a Jobbik takeover? János Mátyás Kovács, a Hungarian economist, talks to Karolina Wigura about deep sources of Jobbik’s popularity and longue durée consequences of Victor Orban’s legal carpet bombing. (…) The moderately anti-liberal, euroskeptic and racist attitudes of those Hungarians who had been relatively tolerant of corruption, rule-bending and the like were offered a new Social Contract combining – to put it simply – Janos Kadar with Miklos Horthy. According to it, in a disintegrating Europe and in the global mood of challenging liberal values, the nation needs a strong paternalist leader providing citizens with supreme goods such as security, order, decent living standards and national pride in exchange of not disturbing him in looking after his people. (…) this mentality may also give rise to a new radicalism engulfing Fidesz if it proves unable to provide the goods promised and sinks in its own corruption. Then, frustration might turn into violence, resentment and hatred against Orban who used these passions against socialists and liberals for a whole decade at least. It does not make a big difference whether that change will be orchestrated by Jobbik, a more extremist Fidesz or their future coalition. The cultural, discoursive and political room for such maneuver is already there.“Frivolous cohabitation. Preparing the soil for a Jobbik takeover? „Ungarn: Theologe spricht von „Orbanokratie“. Religionswissenschaftler Mate-Toth: Kritiker der Regierungspolitik Orbans „in Freund-Feind-Schema gepresst“ – Eindruck von „Fanatismus und Despotismus“, Sorge um „Stabilität der Demokratie“. Katholische Presseagentur Österreich http://www.kathweb.at
Lob von der Front National
Angesichts der vernichtenden internationalen Kritik ist man bei den Staatsnachrichten um jede Unterstützung froh und meldet: „Die französische Front National unterstützt die Entscheidung des ungarischen Parlaments“ (zur Verfassungsänderung).
Hier das französische Original.
Schneechaos
(Origo)
Schneechaos in Ungarn: Updates und Panzerbilder 😉 Fidesz feiert trotz tausender Eingeschlossener pesterlloyd.net
„Damit bleibt der Nationalfeiertag 15. März – nach jetzigem Stand – das erste Mal in der jüngeren Geschichte des Landes demonstrationsfrei.“
Schneechaos in Ungarn: Update: auch sämtliche Oppositionsparteien sagen ihre Demos ab pesterlloyd.net
Schneechaos in Ungarn: Hilfe aus Österreich gestartet – noe.ORF.at
Staatsnachrichten (Satire): „Verantwortungslose Autofahrer verursachten heftige Schneefälle.“ (Für Innenminister Pintér sind die unverantwortlichen Autofahrer am Schneechaos schuld.)
Demos für die ungarische Demokratie, 15.3.
Brüssel:
Vor der ungarischen Botschaft in Wien:
[Update: neuwal.com: Demonstration für die ungarische Demokratie!
„In Wien wurde heute gegen die “autoritären Tendenzen der Regierung Orbán” demonstriert. Die etwa 80 Demonstrantinnen versammelten sich um 16 Uhr vor der Ungarischen Botschaft.
Bei eisigem Wind wurden von den Anwesenden Transparente mit der Aufschrift ” Für eine neue Republik Ungarn”, oder “Weg mit Orbán” hochgehalten. Nach einer kurzen Rede von Organisator Dr. Béla Rásky löste sich die Demonstration gegen 17 Uhr auf.“ + Fotostrecke. ]
Thomas Müller, Facebook
Screaming Birds Aktionsgruppe, Facebook
Újhajnalka Tehenészet, Facebook
Klubradio hat Sendefrequenz
„Budapester Klubradio gewinnt Streit um Frequenz. Medien: Sender errang „Sieg nach der Schlacht“ Im Einklang mit dem jüngsten Gerichtsurteil hat der ungarische Medienrat am heutigen Donnerstag dem Oppositionssender Klubradio die Budapester Sendefrequenz 95,3 Mhz endlich dauerhaft zugeteilt. Das rechtskräftige Gerichtsurteil vom 5. März hatte den Medienrat der Nationalen Medienbehörde (MNHH) verpflichtet, den Sieger der Ausschreibung um die ständige Sendefrequenz 95.3 Mhz zu verkünden. Diese Tatsache betiteln Medien als „Sieg nach der Schlacht „.
Laut Andras Arato, Generaldirektor des Klubradios, erhielt der Sender die Frequenz für sieben plus fünf Jahre. Arato erinnerte daran, dass das Klubradio seit zwei Jahren seitens der Medienbehörde immer nur eine provisorische Sendegenehmigung für 60 Tage erhalten hatte, wodurch der Sender praktisch vom Werbemarkt und der Teilnahme an Kampagnen ausgeschlossen wurde. Nun hoffe der Sender auf neue Werbeaufträge.“derstandard.at
Verdienstorden für drei Rechtsextreme, 14.3.
Der antisemitische, rassistische Hetzer Ferenc Szaniszló vom rechtsextremen regierungsnahen EchoTV (Kollege und ähnliches Kaliber wie Zsolt Bayer) wurde von Superminister Zoltán Balog anlässlich des Nationalfeiertags, der auch Tag der Pressefreiheit ist, in Anerkennung seiner journalistischen Leistungen mit dem staatlichen Mihály-Táncsics-Preis ausgezeichnet. 2011 verhängte die Medienbehörde nach Anzeige von Bürgerrechts-NGOs für diesen rassistischen Hetzbeitrag eine Geldstrafe von 500 000 Ft; kurz darauf wurde Szaniszló von József Pálinkás, dem Präsidenten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, der Széchenyi-Preis verliehen.
(Weitere Kostproben: Hier erklärt Ferenc Szaniszló 2010 mit dem Wortspiel „anti-szemét“, Anti-Müll, warum er Antisemit ist. „Wir werden unsere Heimat vom Müll säubern.“ Radio Rwanda lässt grüssen. Best of-Video von index.hu – von jüdischer Weltverschwörung und Rassismus bis Ungarisch als Ursprache der Menschheit und den Magyaren als Gottes auserwähltes Volk ist alles drin.)
Inzwischen haben mehrere frühere Táncsics-Preisträger, darunter der Chefredakteur der Népszava, aus Protest ihre Preise zurückgegeben. neki.hu
Auf die Kritik distanzierte sich Superminister Zoltán Balog von Szaniszló, seine unakzeptablen Äußerungen seien ihm vor der Preisverleihung nicht bekannt gewesen. Allerdings verlieh er zwei weitere Auszeichnungen an Rechtsextreme, je ein ungarisches Verdienstkreuz an
- János Petrás, Sänger und Bassist von Kárpátia, der bekanntesten Band der ungarischen Rechtsrockszene, und von der auch der Marsch der Ungarischen Garde ist, Kostprobe hier; Petrás tritt mit Jobbik-Politikern auf.
- Kornél Bakay, rechtsextremer Archäologe, früherer Miép-Kandidat, dem zufolge Jesus kein Jude, sondern Parther (d.h. Ungar) war (dabei bezieht er sich auf Theorien von emigrierten Pfeilkreuzlern aus den 1960ern) nyest.hu; 2003 kuratierte er als Museumsdirektor in Kôszeg eine Horthy und die Pfeilkreuzler verherrlichende Ausstellung, die auf Proteste jüdischer Organisationen geschlossen wurde; er ist Autor zweier „alternativer“ Lehrbücher für den Geschichtsunterricht, die sich inhaltlich ebenfalls auf die Geschichtstheorien der Pfeilkreuzler-Emigranten stützen (Belege und Quellen hier).
[Update: Siehe ausführlich bei Hungarian Spectrum: Official prizes for far-right neo-Nazis and members of the lunatic fringe in Hungary]
Antisemitische Aufkleber an der Budapester ELTE-Universität
Aufkleber am Türschild der Philosophin Agnes Heller und KollegInnen an der ELTE-Uni Budapest: „JUDEN! DIE UNI GEHÖRT UNS*, NICHT EUCH! ES GRÜSSEN EURE MAGYARISCHEN STUDENTEN.“ Laut Medienberichten sollen solche Aufkleber auch anderorts aufgetaucht sein. (*Der Slogan der Unibesetzer, lies, diese sind von den „Juden“ angestiftet.)
http://firstpost.com/topic/person/aldous-huxley-bencsik-az-angyali-rtkrend-jeles-kpviselje-orb-video-mQVulRm7v0c-14682-7.html
orban viktor als vertreter einer „engelhaften“ werteordnung sollte auch nicht unerwähnt bleiben.
Danke für den Link. Pressekonferenz des Zivilen Forums CÖF (Friedensmarsch-Organisatoren, mit polnischen Gästen von der Gazeta Polska/PiS); Demokrata-Chef András Bencsik erklärt Viktor Orbán wörtlich zum Vertreter einer „engelhaften“ Werteordnung, während Gyurcsány-Bajnai-Mesterházy die Mächte des Bösen vertreten. Die Wahlen 2014 werden immer schriller als Endschlacht zwischen Gut und Böse inszeniert.
Zum Thema „Verdienstorden für drei Rechtsextreme“ passt prima der Beitrag von László Bartus vom 10. März mit dem Titel „Szőke Feri“
http://nepszava.com/2013/03/velemeny/bartus-laszlo-szoke-feri.html
Wie bei Bartus leider üblich, wieder sehr ausschweifend geschrieben, die Quintessenz jedoch, falls sie wirklich stimmt, ist mehr als erschreckend.