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Rassismusparagraph: Wieder Haftstrafen für Roma

10. Mai 2013

„Null Toleranz gegen Antisemitismus“ verkündete Viktor Orbán die Tage auf dem Jüdischen Weltkongress. Auch Rassismus wird von der ungarischen Justiz konsequent geahndet – allerdings nicht bei rechtsextremen Hassverbrechen gegen Minderheiten, sondern im Fall von Roma, die sich tätlich gegen rechtsextreme Angriffe wehren. Laut der neuen Verfassung schützt der Rassismusparagraph mittlerweile auch die ungarische  Mehrheits(volks)gemeinschaft vor „rassistisch“ motivierten Angriffen, in diesem Fall Mitglieder der verbotenen Ungarischen Garde. 

Neun Roma aus Sajóbábony, die 2009 Mitglieder der Ungarischen Garde angegriffen hatten, wurden in Miskolc wegen „Gewalt gegen eine Gemeinschaft“ (Rassismusparagraph, wirkt strafverschärfend) und Sachbeschädigung zu insgesamt 27 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt, so hvg gestern.

Die neun Männer demolierten am 14. November 2009 mit Stöcken, Äxten und Stangen bewaffnet ein Auto, in dem Mitglieder der Ungarischen Garde saßen. Während des Angriffs schrien sie: „Wir bringen euch um, ihr stinkenden Magyaren!“

Am Tag zuvor hatte in Sajóbábony eine Gardeversammlung stattgefunden, und die Romabevölkerung verbrachte die Nacht in Angst und Schrecken.

2008-2009 war die Zeit der Mordserie an Roma mit sechs Todesopfern und die Stimmung entsprechend aufgeheizt.  (Das Verfahren läuft; gibt es bis 20.8.2013 kein Urteil, müssen die rechtsextremen Angeklagten freigelassen werden.)


Nachtwache im Freien (Index)

Als sich dann nachts erneut ein mit Gardisten besetztes Auto dem Dorf näherte, wurden es von den Angeklagten auf der Zufahrtsstraße  angegriffen.

Die Angeklagten hatten die Sachbeschädigung gestanden, jedoch war es Aufgabe des Gerichts, zu überprüfen, ob der Angriff rassistisch motiviert oder aus Angst und Selbstschutz erfolgt war, so hvg. Laut dem Gericht handelt es sich um eine rassistisch motivierte Straftat.

Siehe auch ausführlich: morgenpost.de: „Rassismus“ gegen Rassisten – Haftstrafen für Roma, von Boris Kalnoky

(MTI)

Aus der Stellungnahme der Bürgerrechtsorganisation TASZ:

„Dieses Fehlurteil des Gerichts gibt deshalb Grund zur Sorge, weil unserer Erfahrung nach in Verfahren gegen Roma immer häufiger wegen Rassismus geklagt wird, während bei rassistischen Handlungen gegen Roma entweder überhaupt kein Verfahren eröffnet wird, oder die Behörden die Straftaten nicht als Hassverbrechen, sondern als geringere Vergehen qualifizieren, die milder bestraft werden, und die Mehrheit der Fälle noch im Ermittlungsstadium eingestellt werden.“ (Quelle; vgl. auch hier).

Kommentar Blog Fideszfigyelő auf Facebook:

„Roma aus Sajóbábony wurden zu insgesamt 27 Jahren Haft verurteilt, weil sie getan hatten, was Orbán versprochen hat zu tun: Die Gardisten zu schlagen (Anm.: Orbán hatte 2008 versprochen, mit den Gardisten so umzugehen wie Horthy mit den Pfeilkreuzlern: Sie „mit zwei Ohrfeigen nach Hause zu schicken.“)

Das ist auch in Ordnung, niemand darf andere mit Stöcken und Stangen angreifen.

Jedoch bleibt die Frage, warum kein Verfahren wegen des provokativen Jobbik-Auftrittes in Sajóbábony eröffnet wurde. Nicht einmal wegen der verbotenen Gardisten-Uniformen, worauf eigentlich eine Geldstrafe von 50 000 Forint steht.“

Kommentar der Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky:

„Laut der neuen Verfassung ist das rechtmäßig. Im neuen Grundgesetz Ungarns ist die Nation als Gemeinschaft (Volksgemeinschaft) definiert, und der Paragraph über die Hetze oder Gewalt gegen eine Gemeinschaft, d.h. die Volksverhetzung, der ursprünglich die Minderheiten schützen sollte, dient jetzt auch dem Schutz der Mehrheit. In Ungarn nennt man das umkehrten Rassismus, in Deutschland Täter-Opfer-Umkehr. Ein historisches Beispiel: In Deutschland haben die Nationasozialisten die Nation im Sinne eines Volkstums definiert, und heute ist es nur noch die NPD, die als Ziel die Herstellung einer Volksgemeinschaft Deutschtum verfolgt.“

Die Vorgeschichte auf diesem Blog:

Gardisten auf der „antizionistischen“ Jobbik-Gegendemo zum Jüdischen Weltkongress am 4.Mai.

(20min.ch)

9 Kommentare leave one →
  1. 10. Mai 2013 08:52

    Reblogged this on marikaschmiedt.

  2. Don Kichote permalink
    10. Mai 2013 10:53

    Für mich stellen sich zwei grundlegende Fragen:

    Wie weist ein Rechtsanwalt nach oder wie begründet ein Richter, ob es sich um Rassenhass und nicht um normalen Hass handelt. Meiner Meinung nach ist das fast unmöglich.

    “Wir bringen euch um, ihr stinkenden Magyaren!” Ist eher ein Angriff auf eine Angehörigkeit zu einer Nation, zu der auch die Angreifer gehören. Wäre es dann auch denkbar, dass ein Strafmaß, zu einer Schlägerei unter Magyaren, ein anderes wäre, als unter einer Schlägerei, zwischen Deutsche und Ungaren oder Österreicher und Ungaren?

    • Richter János permalink
      10. Mai 2013 15:38

      Gute Fragen Don.
      Stellen Sie diese doch Hungarianvoice, er ist meines Wissens Jurist.

      Ehrlich gesagt, ich vermisse Sie auf diesem Blog, dann wären wir schon 3 oder 4 die abgewatscht werden 🙂

      • Don Kichote permalink
        11. Mai 2013 07:01

        Lieber János, was soll ich bei Betonköpfen die Wasser predigen und Wein trinken. Auf HV-Fidesz-Fan-Blog ist alles wichtig, nur Ungarn nicht, da könnte ich auch auf einem norwegischen Blog Kommentare schreiben, Grüße Don.

Trackbacks

  1. Rassismus Ungarn (vorher: Newswatch Gyöngyöspata/ Ungarn) | cotaru.com
  2. dROMa-Blog | Weblog zu Roma-Themen | „Rassismus“ gegen Rassisten?
  3. Die ungarische Polizei schützt die Volksgemeinschaft vor den Minderheiten | Pusztaranger
  4. Ungarische Polizei erlaubt “friedliches” Steinewerfen, Aufruf zum Rassenkrieg und antisemitische Hetze unter Gleichgesinnten | Pusztaranger
  5. Rassistische Richterin löst Jobbik-Bürgerwehr nicht auf | Pusztaranger

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