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Großes Verdienstkreuz für „liebevolle Segregation“ von Roma in Ungarn

29. Mai 2013

Bundespräsident Joachim Gauck hat dem ungarischen Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen; wofür eigentlich?, fragt der Pester Lloyd (Leseempfehlung). Für die unabhängigen ungarischen Roma-NGOs ist Balogs Auszeichnung ein Schlag ins Gesicht, treibt der Minister doch mit seiner „Nationalen Romastrategie“ die gesellschaftliche Segregation der Roma weiter voran. Letzten Sonntag demonstrierte in Budapest ein breites Bündnis von NGOs gegen die geplante Einführung der „liebevollen Segregation“ von Romakindern in ungarischen Schulen. Auf Facebook fühlt man sich durch die deutsche Auszeichnung von Balog an Ceausescus Besuch bei Jimmy Carter 1978 erinnert.

[Update 31.5.2013: Leseempfehlung: Spiegel Online: Ungarn: Deutsches Verdienstkreuz für umstrittenen Minister. Von Keno Verseck.]


(Quelle)

Deutsche Botschaft Budapest: Verleihung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband an Herrn Zoltán Balog

Bundespräsident Joachim Gauck hat dem ungarischen Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, für seine Verdienste um das deutsch-ungarische Verhältnis sowie die Menschen- und Minderheitenrechte das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen.

Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Ungarn, Dr. Matei I. Hoffmann, hat Herrn Minister Balog die Auszeichnung, die zweithöchste Stufe des deutschen Verdienstordens, am 28. Mai 2013 im Rahmen einer Feier in der Botschafterresidenz in Budapest überreicht. Anwesend waren Parlamentspräsident Kövér, Ministerpräsident Orbán und weitere hochrangige Persönlichkeiten. (…) Ständiges Anliegen war und ist Herrn Balog die Verbesserung der Lage der Roma (…)“


Zoltán Balog und Joachim Gauck (Pester Lloyd)

„Liebevolle Segregation“

Erst Ende April sprach sich Balog  für „liebevollen, aber den gesellschaftlichen Anschluss in Segregation (sic) ermöglichenden Schulunterricht“ aus (Index), der in Ungarn nun legalisiert werden soll:

Pester Lloyd: Segregation oder Förderung? Minister sorgt für „Suspendierung“ eines Gerichtsurteils gegen Ausgrenzung von Romakindern

Eine von der griechisch-katholischen Kirche betriebene (…) Grundschule im ostungarischen Nyíregyháza wurde Anfang der Woche von einem Gericht verdonnert, die schulische Segregation von Romakindern in ihrer Einrichtung umgehend zu beenden. Dort werden die Angehörigen der Minderheit in gesonderten Klassen, strikt getrennt von ihren Schulkameraden aus der Mehrheitsgesellschaft unterrichtet und betreut, die Areale sind auch baulich voneinander getrennt. Diese „Rassentrennung“ verbietet das Gesetz und das Gericht drückte das in seinem Urteil klar aus. „Die Schule verhindert die Integration der Roma in die Gesellschaft.“ Eingebracht wurde die Klage von einer Stiftung, die sich eben diesem Problem der systematischen schulischen Segregation, sozusagen als Auftaktsünde des Staats im Umgang mit seinen asozialisierten Bürgern, annimmt.

Es handelt sich um die NGO »Chance for Children Foundation« (CFCF), die bereits erfolgreich gegen die Segregation in der Grundschule der Jobbik-geleiteten Gemeinde Gyöngyöspata klagte; wenn in Ungarn die „liebevolle Segregation“ eingeführt wird, ist dieser Etappensieg hinfällig, vgl.:

Pester Lloyd weiter:

Was das Gericht offenbar nicht bedachte: das inkriminierte Schulprojekt ist Teil der „Nationalen Romastrategie“ und wird direkt aus dem zuständigen Ministerium mitfinanziert. „Superminister“ Balog, ein ehemaliger calvinistischer Pfarrer, der besonders solche Staat-Kirchen-Schulprojekte als „beispielhaft“ und „zukunftsweisend“ lobt und die Gründung von „Romainternaten“ forciert (mit dem Hintergedanken, dass die Entfernung der Romakinder von ihren Eltern womöglich die effektivste „Umschulungsmaßnahme“ sei)

Anm.: Was Jobbik seit Jahren fordert.

war als Zeuge geladen und schaltete sich umgehend auch in die Urteilsverkündung ein. Er nannte das Verfahren „schädlich“, den Kläger „unkooperativ“, da er die ministeriellen „Lösungsvorschläge“ abgelehnt habe. Der Kläger, so der Minister, behindert die Arbeit der Kirche. Dadurch, dass man den Fall vor das Gericht gebracht habe, sei die Chance auf eine Einigung gesunken.

Das Gericht folgte dem Minister dienstbeflissen. Das gesprochene Urteil wurde noch vor der Ausfertigung zurückgezogen, der Fall für 6 Monate ruhend gestellt, damit „die Parteien ihre Differenzen beilegen“ mögen. (…) Minister Balog (…) nannte das Schulprojekt „die richtige Lösung für einen speziellen Fall“. Es handele sich nicht um Segregation, sondern um „individuelle Förderung, zugeschnitten auf die Bedürfnisse jedes Kindes“. Warum dann alle Romakinder von den anderen Kindern getrennt „gehalten“ werden, erklären die Worte Balogs damit nicht.

Gegen die geplante Legalisierung der Segregation an ungarischen Schulen demonstrierte letzten Sonntag in Budapest ein breites Bündnis von NGOs, siehe Pester Lloyd: Demo gegen gesetzlich geförderte Segregation von Roma-Kindern in Ungarn; vgl. Nóra Ritók: „Getrenntes Land, getrennte Schulen“ , hvg (Ungarisch).

„Gemeinsame Schulen, gemeinsames Land!“ Fotos: Orpheush’s Photography, Facebook



Audioaufzeichnung und Fotos der Demo hier.

Historischer Vorläufer?

Auf Facebook fühlt man sich durch Balogs Auszeichnung an Ceausescus Besuch bei Jimmy Carter 1978 erinnert:

(Carter) (…) It’s accurate to say that in the last 10 years or more, the friendly relationships between the United States and Romania have increased and improved rapidly to the satisfaction and to the benefit of our people. (…)

Our goals are also the same, to have a just system of economics and politics, to let the people of the world share in growth, in peace, in personal freedom, and in the benefits to be derived from the proper utilization of natural resources.

We believe in enhancing human rights. We believe that we should enhance, as independent nations, the freedom of our own people. And Romania has been instrumental in pursuing the goals of the Helsinki conference, in particular, building the mutual confidence factors that can let the nations of Eastern Europe and the nations of Western Europe understand one another better and build up legitimate trust through that understanding. (…)


6 Kommentare leave one →
  1. Minusio permalink
    29. Mai 2013 16:46

    Gauck war schon vor Wulff meine erste Wahl für das Amt des Bundespräsidenten. Aber was für Berater hat er, dass er mit dieser Ordensverleihung einen solchen Stuss macht? Unglaublich!

    Ich werde ihm klar und deutlich schreiben, was er damit angerichtet hat. Auch wenn ich seit Jahrzehnten im Ausland wohne, ich habe immer noch einen deutschen Pass, also ist er immer noch auch mein Bundespräsident.

    Was für eine Blamage!

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