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Ungarische Behörden bleiben untätig gegen rechtsextremes Hetzportal

15. Dezember 2013

Das rechtsextreme Hetzportal kuruc.info – laut Pester Lloyd hat es inzwischen mehr Leser als die Regierungspresse – warb diese Woche erstmals mit einem großflächigen Werbeplakat in Budapest, der Auftraggeber ein alter Bekannter. Informationen zu den anonymen Betreibern gibt es genug, doch die ungarischen Behörden bleiben untätig.

Am 10. Dezember entdeckte ein Journalist des Portals Index an einem Verkehrsknotenpunkt in Buda ein großflächiges Werbeplakat für das rechtsextreme Hetzportal kuruc.info, vgl. Hungarian Spectrum: Fidesz, the Chief Prosecutor’s Office, and a Hungarian neo-Nazi site, December 11, 2013. Die Plakatwand wird von der Firma Hungaroplakat betrieben, Index erkundigte sich dort nach dem Auftraggeber. Hungaroplakat erklärte darauf, vom Inhalt des Plakats nichts gewusst zu haben, es sei von einer Agentur in Auftrag gegeben worden; man ließ es wieder entfernen. Kurz darauf wurde die Anfrage des Journalisten an Hungaroplakat zusammen mit seiner Handynummer von Kuruc.info ins Netz gestellt und der Journalist massiv telefonisch belästigt.

Von den oppositionellen Medien wurde hier als interessant bemerkt, dass ESMA, das spanische Mutterunternehmen von Hungaroplakat, den Sozialisten nahesteht (z.B. hier, hier und hier). Allerdings arbeitete der heutige Geschäftsführer von Hungaroplakat Peter Garai zuvor für die Außenwerbungsfirma Peron Kft, die dem Fidesz-Oligarchen Lajos Simicska gehört. Hungaroplakat und Peron Kft befinden sich im selben Bürogebäude (gefunden von Ron/Hungarian Spectrum).

Am 11. Dezember meldete sich der Fidesz-EU-Abgeordnete Tamás Deutsch auf Facebook zu Wort und stellte dem Staatsanwalt ein Ultimatum zur Schließung des Hetzportals. Die ungarische Regierung hat mittlerweile die nötige gesetzliche Handhabe zur Blockierung von Internetseiten bereitgestellt, vgl. Pester Lloyd. Bereits in der Vorwoche hatte sich Fidesz-Fraktionschef Antal Rogán medial in ein laufendes Gerichtsverfahren eingemischt, vgl. Pester Lloyd: Aus dem Hausarrest in die U-Haft: Folgten ungarische Richter Zurufen aus der Politik? Offenbar musste schnell ein überzeugendes Gegenbeispiel her, um die Unabhängigkeit der ungarischen Justiz zu demontrieren.

Dass ausgerechnet Tamás Deutsch, der jüdische Wurzeln hat,  sich hier zu Wort meldete, passt in die Strategie seiner Partei,  Medienstatements zu kontroversen „Minderheitenthemen“ (hier: Antisemitismus) an Abgeordnete zu delegieren, die der entsprechenden Minderheit  angehören (insbesondere Flórián Farkas, die Europaabgeordneten Lívia Jaróka und Ágnes Hankiss, sowie János Fónagy).

Am 12.12. meldete sich ein gewisser Attila Nagy, ein Unternehmer aus Jászapáti, bei Index, und erklärte, er habe das Plakat bei Hungaroplakat in Auftrag gegeben. Laut Nagy „gelten die ungarischen Gesetze nicht für kuruc.info, genausowenig wie für die BBC“, da das Portal nicht in Ungarn operiert und der Server im Ausland steht. (Galamus) Nagy ist Mitglied im Jobbik-Ortsverband von Jászapati. Behördliche Konsequenzen hatte seine Äußerung bisher nicht, umso mehr begeisterten Zuspruch bekommt er derzeit auf kuruc.info.

„Deutschs 72-Stunden-Ultimatum ist vorbei, und wir sind immer noch da“, titelte Kuruc.info hämisch am 13.12. Der Artikel, in dem Deutsch übel antisemitisch beleidigt und als KZ-Häftling dargestellt wird, hatte noch am selben Abend 107.689 Seitenzugriffe (inzwischen knapp 130.000).

Ebenfalls am 13.12. schrieb das Regierungsorgan Magyar Nemzet, die Regierung habe den USA gegenüber all ihre Möglichkeiten ausgeschöpft, um gegen das Hetzportal vorzugehen:

„Das derzeitige Kabinett hat die nötigen diplomatischen Schritte unternommen, auch Ministerpräsident Viktor Orbán wandte sich bereits an amerikanische Kongressabgeordnete (hier), um bei der Abschaltung des Portals, deren Server sich in ihrem Land befinden, behilflich zu sein. Doch die Vereinigten Staaten, die unser Vaterland nicht nur einmal des Antisemitismus bezichtigten, bleiben in Berufung auf die Meinungsfreiheit untätig.“

Der in den USA lebende Journalist György Lázár beschäftigt sich seit Jahren vor Ort mit der Causa kuruc.info.  Er weist  auf Galamus und US-Nepszava unter Anderem darauf hin, dass

  • der Domaininhaber des Hetzportals seit Jahren bekannt ist, es ist Bela Varga, wohnhaft in Healdsburg/Kalifornien. 2012 setzte Bela Varga ein Kopfgeld auf jüdische Aktivisten aus, vgl. Post. Die Klage der darauf von Rechtsextremen und Bela Varga persönlich massiv belästigten Aktivistin Eszter Garai-Edler wurde im Oktober 2013 in zweiter Instanz abgewiesen, ohne dass bei den Ermittlungen die US-Behörden kontaktiert worden waren. Dabei bildet Garai-Édlers ausführliche englische Dokumentation eine solide Grundlage für Ermittlungen wegen Verdacht auf  harassment nach amerikanischem Recht.
  • Justizminister Tibor Navracsics einen der langjährigen Autoren von kuruc.info, Imre M. Szabó, zum Nationalfeiertag 2012 für seine „standfeste Arbeit für die Nation und seine Rolle im öffentlichen Leben“ persönlich mit einem Verdienstkreuz in Silber auszeichnete. (M. Szabó titelte eine seiner Dokumentationen “Holocaust an den Magyaren”, mehr zu ihm hier.)
  • FBI-Sprecherin Julie Sohn 2012 zur Sache kuruc.info erklärte, keine Anfragen der ungarischen Behörden bekommen zu haben. Ein generelles Verbot des Portals sei nicht möglich, jedoch seien konkrete Straftatsbestände auch in den USA nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
  • die ungarischen Medien kritische US-Berichte wie diesen unterschlagen.

Lázárs Fazit: “Eine unabhängige amerikanische Untersuchung könnte Unangenehmes zutage fördern, vielleicht auch, dass der Unterstützerkreis von kuruc.info mit der obersten  Fidesz-Führung in Verbindung steht.“

*

Dem Journalisten Tamás Bodóky vom Tranzparenzportal atlatszo.hu war 2012 gelungen, zu ermitteln, wer die ungarischen Anzeigengelder für Kuruc.info entgegennimmt und auf Vargas US-Konto weiterleitet. Es ist (Tusch): Attila Nagy aus Jászapati, der jetzt das Plakat in Auftrag gab, vgl. Hungarian Spectrum: Here is a tip for the Hungarian police and Viktor Orbán, August 4, 2012

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Die ersten zwei Kommentare des vielgelesenen antisemitischen Artikels auf kuruc.info zu Tamás Deutsch vom 13.12.:

Kohut Kovács Károly: Wann wird dieses Land endlich eine magyarische Führung haben? Weiter so, Kuruc, es lebe die WAHRHEIT!
Bela Varga: Wenn wir die Juden rausschmeißen.

vegbela

One Comment leave one →
  1. Don Kichote permalink
    16. Dezember 2013 15:18

    „Man fragt sich manchmal wirklich, welche Halluzinogene jene konsumieren, die Jobbik und Fidesz in einem Atemzug nennen. ….“ schrieb einmal Boris Kálnoky.

    Ich bin der Meinung, man weiß nicht wo Fidesz aufhört und Jobbik anfängt.

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