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Fidesz-Medien im Wahlkampf: Sozialisten wollen Gegner physisch vernichten

1. Februar 2014

Die Sozialisten wollen in der Tradition der kommunistischen Diktatur ihre politischen Gegner physisch vernichten, lautet ein beliebtes Wahlkampf-Narrativ der Fidesz-Medien. Ohne Nachrichtenfälschung geht das nicht ab.

„Wenn sie könnten, würden sie heute wieder in unsere Menge schießen“, läutete Viktor Orbán bereits am 23. Oktober, dem Jahrestag des Ungarnaufstands, den Wahlkampf ein,  „diejenigen, die 2006 mit Gewehren in Budapests Straßen Jagd auf uns machten.“ (Mandiner/MTI). Gemeint sind die Gyurcsány-Regierung und die Polizei.

Auf dem MSZP-Parteitag am 26.1.2014 hatte der MSZP-Vorsitzende und Oppositionsspitzenkandidat Attila Mesterházy über Lörinc Mészáros, den Bürgermeister von Viktor Orbáns Heimatdorf Felcsút, der es innerhalb von drei Jahren unter die reichsten hundert Männer Ungarns schaffte (Platz 88), gesagt: „Wäre er kein persönlicher Freund von Orbán, müsste man ihm einen Lehrauftrag an der Wirtschaftsuni geben, um den zukünftigen Managern zu erklären, wie man so etwas macht.“ Hier kam ein vereinzelter Zuruf aus der Menge: „Hängt ihn auf!“ (wörtlich: „einen Strick!“) Mesterházy sagte weiter, für Mészáros werde es wohl kein Lehramt geben, schon eher das, was eben jemand gerufen habe. Hinterher sagte er, er hätte nicht „Strick“ (kötelet), sondern „Gefängnis“ (börtönt) verstanden (vgl. Pester Lloyd).

Der private regierungsnahe Nachrichtensender HírTV stellte dies in seinem Bericht so dar, als habe Mesterházy sich absichtlich nicht distanziert und wolle somit seine politischen Gegner hängen lassen. Das Staatsfernsehen wiederholte den Zuruf in seinem Bericht von 2,5 Minuten insgesamt acht Mal.
Fidesz-Vize Lajos Kósa reagierte prompt: In einer Demokratie drohe man niemandem mit dem Strick, dies sei die Methode von Mesterházys Vorgängern in der kommunistischen Diktatur gewesen, so Regierungsorgan Magyar Nemzet.

Expliziter wurde die Fidesz-Abgeordnete und Veteranin des Ungarnaufstands 1956 Mária Wittner am 30.1. in der Morgensendung des Staatsfernsehens: Die heutigen Sozialisten seien „dieselben, die (damals) die sozialistische Todesfabrik betrieben haben – denn dass sie sich nicht geändert haben, bewiesen sie, als sie 2006 das Gedenken an 1956 in Blut ertränkten. (…) Warum wollen sie die Andersdenkenden vernichten? (…) Die werden erst im Tod sauber werden, wenn sie einen Meter tief unter dem Boden sind.“ (Volltext unten.)

„Zulässige“ Nachrichtenfälschung

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass HírTV die Tonspur des am 26.1. gesendeten Berichtes manipuliert hat: Der in der Zuschauermenge unverständliche Zuruf war akustisch so verstärkt worden, dass der Eindruck entstand, Mesterházy habe ihn auf jeden Fall deutlich gehört (Quelle, Origo, hvg, cink, cink. Der Beitrag hier, akustisch verstärkter Zuruf und verdeutlichender Untertitel bei 0:25).

Dass die Tonspur bearbeitet worden war, gaben Verantwortliche von HírTV in einer anderen Sendung sogar offen zu, bezeichneten dies jedoch als unproblematisch (Quelle).

Mária Wittner und die „sozialistische Todesfabrik“

Ma Reggel, Sendung vom 30.1.2013, M1, 7:28 Uhr (im Video ab 49.33):
In der Einleitung heißt es sinngemäß, die Fidesz-Abgeordnete Mária Wittner war 1956 kurz davor, den Strick am eigenen Leibe zu spüren.

Moderator: (…) Unabhängig davon, was wirklich gesagt wurde, weil das ja derzeit diskutiert wird – was haben Sie empfunden, als Sie es hörten?

Wittner: Ich war entsetzt, dass heute, 25 Jahre nach dem sogenannten Systemwechsel, so etwas gesagt werden kann. Wer „Strick“ gerufen hat – denn das konnte man hören, und der Mesterhazy hat nicht sofort darauf reagiert, sondern erst nachträglich (…) ich weiß nicht, ob die Menschen sich überhaupt vorstellen können, was es (…) bedeutet, (unverständlich) wenn (im Gefängnis) jeden Tag die eigenen Kameraden zum Hängen abgeholt werden. Es war eine ungeschriebene Regel, dass jeder, den sie abholten, laut seinen Namen sagte,  also, „jetzt holen sie mich ab zum Galgen“, auf diese Weise hat jeder seine Botschaft  gesagt, und diese war zugleich das Vermächtnis des Todeskandidaten. Und dieses Vermächtnis müssen wir pflegen.
Und dass jetzt nach 25 Jahren so etwas gesagt wird, aus dem Mund von denjenigen, die diese sozialistische Todesfabrik betrieben haben – denn dass sie sich nicht geändert haben, haben sie bewiesen, als sie 2006 das Gedenken von 1956 in Blut ertränkten. (…) Die reden und reden, aber sie haben sich keinen Deut geändert, und mit diesem Zuruf haben wir wieder einen Beweis dafür. (…) Széchenyi sagte, wir müssen sogar den Vatermörder freisprechen, weil wir (Ungarn) so wenige sind, aber warum wollen sie die Andersdenkenden vernichten? Warum?  (…) (53:00) Die (Sozialisten) werden erst im Tod sauber werden, wenn sie einen Meter tief unter dem Boden sind. Die werden sich nicht ändern. (…)“

wittner_ma_reggel

Die Sozialisten und besonders Ex-Premier Ferenc Gyurcsány als direkte Nachfolger der kommunistischen Diktatur darzustellen, ist bei Wittner nichts Neues, vgl. Rechtsextreme Fidesz-Abgeordnete über die „Henker“ des Volkes, 2. April 2011.
Wittner positioniert sich seit Jahren eindeutig rechtsextrem, hier als Gaststar der rechtsextremen Rockband Kárpátia – deren Sänger János Petrás 2013 von Minister Zoltán Balog mit dem ungarischen Verdienstkreuz ausgezeichnet wurde – auf dem Neonazi-Festival Magyar Sziget in Verőce 2011. Im Lied “Ich will Namen hören” geht es um die Vergeltung an den “Mördern und Verrätern” von 1956; das Publikum begrüsst Wittner frenetisch mit “Dreckige Juden!”

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