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Ungarn baut Nazi-Besatzungsdenkmal

9. April 2014

Zwei Tage nach der Wahl wurde am Budapester Freiheitsplatz mit dem Bau des Denkmals der deutschen Besatzung begonnen. Unter anderem wegen dieses Denkmals boykottieren die ungarischen jüdischen Gemeinden das Holocaust-Gedenkjahr. Ein Flashmob von Zivilen und Opposition riss gestern den Bauzaun ein und kündigte weitere Proteste an.

Zwei Tage nach der Wahl wurde auf dem Budapester Freiheitsplatz mit dem Bau des „Denkmals zur Erinnerung an die Deutsche Besatzung“ begonnen, siehe Spiegel Online: Umstrittenes Projekt: Ungarn beginnt Bau von Nazi-Besatzungsdenkmal. Unter anderem wegen dieses Denkmals, das Horthy-Ungarns Verantwortung für den ungarischen Holocaust leugnet und Tätern und Opfern gleichermaßen gedenken will, boykottieren die jüdischen Gemeinden das Holocaust-Gedenkjahr. Nach Protesten seit Anfang des Jahres hatte Viktor Orbán im Interesse seines Wahlkampfs die für den 19. März geplante Errichtung des Denkmals auf nach die Wahlen verschoben und den jüdischen Gemeinden nach Ostern weitere Gespräche angekündigt, die Hintergründe auf diesem Blog.

Bis Ostern werden am Freiheitsplatz jetzt Tatsachen geschaffen. Der Dachverband jüdischer Gemeinden Mazsihisz bezeichnet den Schritt als skandalös (s.u.).

Gestern Nachmittag demonstrierte ein kurzfristig organisierter ziviler Flashmob von etwa 300 Personen unter Teilnahme der Oppositionsparteien (außer Jobbik und LMP, s.u.) vor der Baustelle und riss den Bauzaun ein. Die Polizei schritt nicht ein.

Laut Informationen der Népszava wurden die Bauarbeiten nach der Demonstration am späten Abend gegen 22 Uhr fortgesetzt.

Weitere Protestaktionen sind angekündigt, die nächste heute um 17.00 Uhr.

(Quelle)

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(Quelle)

(Index, mit Video)

(Foto: Attila Kovács/MTI via 444.hu)

Reaktionen der jüdischen Gemeinden auf den Denkmalbau

Der geschäftsführende Vorsitzende des Dachverbandes jüdischer Glaubensgemeinschaften Mazsihisz, Gusztáv Zoltai, sagte der Népszava: „Was sie bis zum Abend aufbauen, werde ich als Zeichen bürgerlichen  Ungehorsams bis zum Morgen wieder abreißen, wenn es sein muss, auch wenn sie mich dafür einsperren – dann werde ich als Holocaust-Überlebender eben nach 70 Jahren wieder eingesperrt.“

Der Mazsihisz-Vorsitzende András Heisler sprach von einem „Skandal“, man müsse Konsequenzen ziehen.  Der Mazsihisz-Vizevorsitzende Péter Tordai fügte hinzu, „unsere  Enttäuschung ist riesengroß, ich halte diesen Schritt nicht für korrekt.“

Protest von Zivilen und Opposition

Die Protestaktionen werden von der Dramaturgin Fruzsina Magyar und der äußerst aktiven Facebook-Gruppe „Toleranz“ organisiert; gestern schlossen sich die oppositionellen Parteien DK, Liberale, Gemeinsam-PM und MSZP an.

Die LMP positionierte sich wie üblich in der Mitte zwischen Regierung und Opposition (vgl. Heinrich-Boell-Stiftung): LMP-Chef András Schiffer sagte im oppositionellen Fernsehsender atv zu den Protesten, das Land habe viel größere Probleme, und die Opposition täte besser daran, sich mit den Problemen zu beschäftigen, die zur Wahlpleite geführt haben. „Ich bin auch ein Nachfahre der Opfer, ich bin mit der Konzeption des Denkmals nicht einverstanden, doch ich habe genug von der Krawallmacherei und Hysterie, die die Linke um das Denkmal entfacht, weil es Holocaust-Leugung wäre. Wieso sprechen wir stattdessen nicht über die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen?“ (Übersetzung Gregor Mayer, Quelle)

*

Derweil präsentierte sich Viktor Orbán nach seinem Wahlsieg auf seiner internationalen Pressekonferenz mit programmatischer neuer Beflaggung: Oben auf den Fahnen ist der völkisch-magyarische Cousin des deutschen Reichsadlers, der Turul montiert, vgl. Orbáns „Blut und Boden“-Rede 2012.

(Quelle)

Ausgeblendete historische Vorläufer:

(Turul rechts. Hungarian Spectrum/nepszava.com)

[Update 15.4.2014:

Bild: Hetek.hu. Update Ende]

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