Orbán: Ungarischer Staat unterstützt Autonomieforderungen der ethnischen Ungarn in der Ukraine
Der ungarische Staat steht mit vollem Nachdruck hinter den Autonomieforderungen der Ungarn in Transkarpatien, wie genau diese auch aussähen, sagte Viktor Orbán gestern Abend im Staatsfernsehen. „Wann sollten wir denn unsere Erwartungen gegenüber der neuen Ukraine äußern, wenn nicht jetzt, wo sie entsteht? Dass muss jetzt getan werden.“
Viktor Orbán sorgte diese Woche mit seinen Forderungen nach Autonomie und doppelte Staatsbürgerschaft für die ethnischen Ungarn in der Ukraine für Beunruhigung in der Ukraine und Polen; Außenminister Martonyi klärte dies als „Mißverständnis“.
- Der Standard: Orban fordert Autonomie für ethnische Ungarn in der Ukraine, 13. Mai 2014
- Der Standard: Orbán und die Ukraine: Ethnisches Zündeln, 14.5.2014
- Pester Lloyd: Missverständnisse unter Nationalisten
- EUobserver: Orban upsets neighbours by call for Hungarian minority self-rule, 15.5.2014
- Hungarian Spectrum: No retreat: Viktor Orbán socks it to Ukraine, 15.5.2014
- Stuttgarter Zeitung: Orbáns Spiel mit dem Doppelpass, 16.5.2014
- The European: Seitenwechsel. Der ungarische Premier Viktor Orbán beschließt, im Ukraine-Konflikt künftig gegen die EU zu arbeiten. Doch weder Brüssel noch die Mitgliedstaaten reagieren darauf. 17.5.2014
Der Vizepräsident der Ungarisch-Demokratischen Föderation in der Ukraine (UMDSZ), Elemér Kőszeghy erklärte gegenüber ukrainischen Medien, es läge ein Übersetzungsfehler vor – Orbán habe Autonomie und doppelte Staatsbürgerschaft für die ethnischen Ungarn in der Ukraine nicht gefordert, sondern lediglich festgestellt, dass diese Rechte ihnen zuständen. (Quelle)
In der Sendung „Der Abend“ im ungarischen Staatsfernsehen vom 16.5. (vgl. presstv.ir: Hungary urges autonomy for ethnic Hungarians of Ukraine) erklärte Viktor Orbán seine Erwartungen an die Ukraine genauer:
(Az Este, Folge 92, 16.5.2014, 22:19)
(8:04) Wir sind an einer stabilen, demokratischen Ukraine interessiert, denn auch die in Ungarn lebenden Ukrainer hätten gerne eine stabile demokratische Ukraine. Aber die Ukraine kann weder stabil noch demokratisch sein, wenn sie den dort lebenden Minderheiten, nationalen Gemeinschaften, darunter den Ungarn, nicht gibt, was ihnen zusteht, die doppelte Staatsbürgerschaft, kollektive oder Gemeinschaftsrechte, und die Autonomie. Ohne das gibt es weder Stabilität noch Demokratie, wie es auch die historischen Erfahrungen der aus mehreren Nationalitäten bestehenden westlichen Staaten zeigen. Das erwarten wir von der Ukraine. (…)
(Die Moderatorin fragt nach der Definition des Autonomiebegriffs)
(9:02) Autonomie ist Autonomie, eine juristische Institution, die auf zahlreiche Arten rechtlich umgesetzt werden kann, es gibt ungarische Gemeinschaften im Karpatenbecken, die Autonomie genießen, zum Beispiel die in Serbien (wörtlich: délvidék, „Südungarn“). In Europa existiert ein vielgestaltiges System von Institutionen der Autonomie. Die Ungarn in Transkarpatien werden sagen, welche konkrete Institution innerhalb der breiten und bunten Welt der Autonomie sie anstreben. Aber für welche Lösung sie auch die Lanze brechen, sie und der ukrainische Staat müssen wissen, dass der ungarische Staat mit vollem Nachdruck hinter den Autonomieforderungen der Ungarn in Transkarpatien steht.
(Die Moderatorin fragt, ob es denn produktiv sei, in dieser angespannten Situation von Autonomieforderungen zu sprechen.)
(10:04) Ich denke, ja. Darum habe ich es getan.
(Die Moderatorin sagt, damit dürfte er wieder einen Sturm der Entrüstung auslösen.)
(10:10) Jetzt entsteht die neue Ukraine. Jetzt wird es Präsidentenwahlen geben. Jetzt werden die wichtigsten Entscheidungen getroffen, die die Zukunft der Ukraine bestimmen werden. Wann sollten wir denn unsere Erwartungen gegenüber der neuen Ukraine äußern, wenn nicht jetzt, wo sie entsteht? Dass muss jetzt getan werden. Und was die Ukraine-freundliche Position betrifft, die wir einnehmen müssen, das ist eine ganz andere Debatte, auch wenn das jetzt zeitlich zusammenfällt. Dort geht es darum, dass das Territorium der Ukraine verletzt wurde, Russland im Verstoß gegen internationale Regeln eine Aktion gegen die Ukraine gestartet hat. In dieser Angelegenheit müssen wir die Ukraine unterstützen.“
(Orbán sagt im Folgenden, Ungarns Energieversorgung sei langfristig gesichert, auch falls durch den Konflikt die Gasversorgung aus der Ukraine gestoppt werden sollte.)
(12:57) Vor zwei Tagen war der Vorsitzende der Gazprom bei mir, mit dem wir darüber verhandelt und die nötigen Vereinbarung getroffen haben.
vgl. Stimme Russlands: Ungarischer Abschnitt von South Stream ab 2017 in Betrieb, 14.5.2014:
(…) Gazprom-Aufsichtsratschef Alexej Miller und der ungarische Premierminister Viktor Orbán haben am Mittwoch in Budapest die Umsetzung des Projekts South Stream erörtert. Sie betonten, die Arbeiten verliefen fristgerecht.
[Update 10.6.2014: Dr. rer. pol. habil. Erhard Crome hat sich in seinem Artikel Orbán und die Ukraine auf linksnet.de aus diesem Post bedient, ohne die Quelle anzugeben; Auszüge von Az Este wurden leicht verändert übernommen.]
Orbán hat ganz eindeutig einen Denkzettel ausgestellt. Jeder Staat der ethnische Ungarn hat sieht nun worauf Orbán wartet. Zündeln tut er ja nicht nur im eigenen Land.