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Internationales Filmfestival CineFest Miskolc 2014 zensiert Romafilme

5. August 2014

Auf dem internationalen Filmfestival CineFest in Miskolc, mittlerweile Ungarns wichtigstem Filmfestival, das dieses Jahr vor den Kommunalwahlen stattfindet, dürfen „zur Vermeidung politischer Konflikte und aus Sicherheitsgründen“ keine Filme mit dem Thema Roma in Ungarn gezeigt werden.

In Miskolc wird derzeit ein Romaviertel mit 800 Bewohnern geräumt, weil es dem Stadionbau im Weg ist, und die Bürgermeisterkandidaten von Fidesz, Jobbik und „Linken“ für die Kommunalwahlen im Oktober profilieren sich allesamt durch Romafeindlichkeit. Der für die Romaintegration zuständige Minister für Humanressourcen Zoltán Balog hatte anlässlich des Roma Holocaust-Gedenktages am 2.8. erklärt, aus Ungarn habe es keine Deportationen von Roma in die Vernichtungslager der Nazis gegeben, s. Post. Das ist der Kontext der folgenden Meldung:

Auf dem internationalen Filmfestival CineFest in Miskolc, mittlerweile Ungarns wichtigstem Filmfestival, das dieses Jahr vor den Kommunalwahlen stattfindet (Festival: 12.-21. September, Kommunalwahlen am 12. Oktober), dürfen „zur Vermeidung politischer Konflikte und aus Sicherheitsgründen keine Filme mit dem Thema Roma in Ungarn gezeigt werden“, so die Festivalleitung laut einer Erklärung der Dokumentarfilmgruppe DunaDock. Ihr Dokumentarfilmforum DunaDock MasterClass sollte seit 2013 das Festivalprogramm als ständige Einrichtung ergänzen: Es wurden schwerpunktmäßig ungarische Dokumentarfilme der letzten Jahre gezeigt und diskutiert und ungarische Dokumentarfilmer mit den internationalen Gästen vernetzt (Quelle).

dunadock_logo

Nicht jedoch in diesem Jahr. In einer heutigen Erklärung des DunaDOCK-Teams auf seiner Facebookseite auf Ungarisch und Englisch heißt es:

„Zu unser größten Überraschung hat sich herausgestellt, dass das CineFest unserem Programm dieses Jahr nur dann Raum geben kann, wenn darin – im Gegensatz zu unseren Plänen – keine Filme mit dem Thema Roma in Ungarn vorkommen, oder wenn doch, dass Titel, Inhalt und Macher des betreffenden Films nicht im offiziellen Festivalprogramm und keinem weiteren öffentlichen Forum aufgeführt werden. Auch in diesem Jahr haben wir nach fachlichen Kriterien international anerkannte ausländische und ungarische Dokumentarfilme für unsere MasterClass ausgewählt. Von den ungarischen Filmen hatten wir einen Klassiker – Cséplő Gyuri von Pál Schiffer (1978), sowie einen auf internationalen Filmfestivals gezeigten neuen Dokumentarfilm ausgewählt. Beide in der Tat zum Roma-Thema.“

Es könnte der Film “Ítélet Magyarországon / Judgement in Hungary / Urteil in Ungarn” (2013) der Regisseurin Eszter Hajdú gemeint sein, der in Ungarn mittlerweile im Kino angelaufen ist. Er dokumentiert den Gerichtsprozess gegen die Täter der Mordserie an Roma 2008/09, der zweieinhalb Jahre dauerte. Mehr dazu hier.

Ebenfalls in Frage kommt „Kains Kinder“ (Káin gyermekei) von Marcell Gerő, der gerade als erster ungarischer Film seit 2002 vom San Sebastian Film Festival angenommen wurde.

[Update 14.8.: Laut Auskunft von DunaDock handelt es sich bei dem neueren Film nicht um die beiden hier genannten.]

Weiter in der Erklärung:

„Uns ist die Begründung der Festivalleitung unverständlich, dass das Festival dieses Jahr vor den Kommunalwahlen stattfindet, und so zur Vermeidung politischer Konflikte und aus Sicherheitsgründen keine Filme mit dem Thema Roma in Ungarn gezeigt werden können, selbst ihr traditionelles Romaprogramm wird nicht stattfinden.

Wir glauben daran, dass der Dokumentarfilm ein Medium ist,  dass die Empathie zwischen den Menschen fördert, und halten es für unakzeptabel, dass die Freiheit eines unabhängigen fachlichen Filmprogramms von der Tagespolitik eingeschränkt wird.
Unter solchen Bedingungen wird DunaDOCK nicht auf dem CineFest vertreten sein, von unserer Entscheidung haben wir das Festival bereits in Kenntnis gesetzt.

Wir bedauern zutiefst, dass es auf einem internationalen Filmfestival  zu einer solchen Situation kommen kann.

Unsere MasterClass-Reihe werden wir an einem anderen Ort und zu einem anderen Termin fortsetzen, worüber wir Euch in Kürze unterrichten werden.

Budapest, August 2014

Das DunaDOCK-Team

Ágnes Böjte, Diana Groó, Klára Trencsényi, Julianna Ugrin.“

Update 6.8.: Festivalleiter Tibor Bíró bestreitet, dass das Roma-Thema auf dem Festival nicht erwünscht sei. (Aber) „Wir wollen ein positives Bild der Roma zeigen, in dem die von Roma erreichten Erfolge und persönlichen Leistungen im Fokus stehen.“ Die von DunaDock ausgewählten Filme seien schlicht „nicht aktuell“. Darum würden stattdessen in einem eigenen Programm (Roma-Kép) fünf Portraitfilme von erfolgreichen Roma aus Miskolc gezeigt. (hvg) 

Das Roma Pressezentrum kommentiert: „Im Fall des neuen Dokumentarfilms ergibt diese Erklärung keinen Sinn, und mit Hilfe des Nationalen Digitalen Archivs lässt sich die Aktualität des anderen Filmes überprüfen. Der Film handelt von dem intelligenten und ambitionierten Gyuri Cséplő, der von der Aussichtslosigkeit seiner Romasiedlung genug hat und in Budapest sein Glück versuchen will, wo er sich mit Ausgrenzung konfrontiert sieht.“

Update 14.8.: Laut dpa haben die Produzenten des neueren Filmes darum gebeten, den Namen des Films nicht im Zusammenhang mit dem aktuellen Skandal zu nennen, siehe


(Bild aus dem Film Cséplő Gyuri von Pál Schiffer, Blog Kettös Mérce. Der ganze Film auf youtube hier.)

Trailer von “Ítélet Magyarországon / Judgement in Hungary / Urteil in Ungarn” (2013) von Eszter Hajdú

3 Kommentare leave one →
  1. Pietro Rostoni permalink
    6. August 2014 13:51

    Geben einen guten Rat zeigen Sie die Filme beim Filmfestival in Locarno Ticino CH (goldenen Leoparden)nächstes Jahr, jedes Jahr 1e Wochw August.Die Chancen für einen Preis stehen gut.Besucher sind hochrangige Bekannte Namen.

    • pusztaranger permalink
      6. August 2014 14:01

      Gute Tips direkt an DunaDock.

      Technischer Hinweis: Der Blog macht Sommerpause bis 14.8., so lange können keine Kommentare freigeschaltet werden.

Trackbacks

  1. dROMa-Blog | Weblog zu Roma-Themen | Ungarisches Filmfestival streicht Roma-Filme

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