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Nachrichtenfälscher zum Content Director der Staatsmedien befördert

16. Oktober 2014

Laut Informationen des Portals Index wird der ehemalige Jobbik-Sprecher und Nachrichtenfälscher Dániel Papp zum neuen Content Director der staatlichen Medienholding MTVA befördert und hat damit die gesamte Nachrichtenredaktion der staatlichen Medien unter sich, s. auch Budapest Beacon: Index: Dániel Papp to be put in charge of all news content at MTVA.

Den Grundstein seiner rasanten Karriere in den staatlichen Medien hatte Papp 2011 mit der Fälschung eines Videos über den grünen Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit gelegt, der sich mehrfach kritisch über Orbán geäußert hatte (s.u., vgl. Süddeutsche, Freitag).


(Nepszava.com, 2011)

Als Reaktion auf den Index-Artikel von Papps Ernennung bestritt die MTVA in einer Erklärung seine Verwicklung in eine Nachrichtenfälschung 2011; sein Videobeitrag damals sei „nicht manipulativ, sondern akurat gewesen“ und habe „der Wirklichkeit entsprochen“. Es seien in der Angelegenheit „weder ethische noch rechtliche Verfahren aufgenommen“ worden. (hir24.hu)

MTVA

Beschwerden oppositioneller ungarischer Journalisten waren damals von der Medienbehörde ignoriert worden, Beschwerden aus dem Ausland wurden  aus formalen Gründen zurückgewiesen; außerdem wurde damals erklärt, durch Papps Ernennung sei „das öffentliche Interesse nicht geschädigt“ worden. (s.u.)

Derzeit kursiert folgender Witz auf Facebook: „Dani, gibt’s Neuigkeiten?“ – „Nein, aber wir machen sofort welche!“

Papp in neuer Funktion auf der MTVA-Seite:

pappdani
Screenshot: MTVA

Die Vorgeschichte

(Aktualisierte Version des Posts Ungarische Medienbehörde ignoriert geltendes Mediengesetz?  11. November 2011, Quellen dort.)

Bei Viktor Orbáns Antrittsrede im EU-Parlament im Januar 2011 hatte Daniel Cohn-Bendit gesagt, Orban sei „auf dem Weg, ein europäischer Chavez zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht“.

Seither schossen sich die rechtsextremen ungarischen Medien auf ihn ein. So veröffentlichte Magyar Fórum, das Blatt des vom Budapester Oberbürgermeister zum Theaterintendanten ernannten Rechtsextremen István Csurka (inzwischen verstorben) Cohn-Bendit mit Davidstern auf dem Titel („liebt nicht nur Kinder, sondern auch Israel“).

Am 10.3.2011 wurde im EU-Parlament über das ungarische Mediengesetz abgestimmt. Daniel Cohn-Bendit kritisierte es scharf. Darauf wurde er auch vom öffentlich-rechtlichen ungarischen Radio und Fernsehen sowie der regierungsnahen Presse systematisch als „Pädophiler“ vorgeführt.

Manipulierter Beitrag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen

Es wurde ein Journalist gesucht, um das Thema auch im ungarischen Fernsehen MTV zu lancieren; der damalige leitende Auslandsredakteur Gábor Kiss weigerte sich. Darauf wurde der junge Redakteur Daniel Papp von MTV zur Pressekonferenz mit Cohn-Bendit geschickt. Papp fragte nach der Pädophilie-Geschichte und schnitt das Interview später so, als ob Cohn-Bendit ohne zu antworten den Raum verlassen hätte. In der Realität aber stellte sich Cohn-Bendit den Fragen.

Kurz darauf wurde Papp zum Chef der neuen zentralen Nachrichtenredaktion befördert, die die Nachrichten für alle öffentlich-rechtlichen Sender produziert.

Bis vor einigen Jahren war Papp medienpolitischer Sprecher der rechtsextremen Partei Jobbik und machte sich einen Namen im rechtsextremen Echo TV, bevor er einige Fidesz-Politiker auf ihre Medienauftritte vorbereitete.

Offenbar empfing Papp im Rahmen seiner Tätigkeit Direktiven von der Regierung, vorgefertigte Moderationstexte aus den Leitungsgremien des Staatsapparates.

Er war auch für die Massenentlassungen in den öffentlich-rechtlichen Medien zuständig, unter anderem entließ er Gábor Kiss.

Im September 2011 wurde Papp erneut befördert. Seither war er zusätzlich zu seinem bisherigen Posten auch Chefredakteur für gesellschaftspolitische Sendungen.

Medienbehörde ignorierte Beschwerden

Papps manipulierter Beitrag verstieß gegen das geltende Mediengesetz der Orbán-Regierung, es wäre Aufgabe der Medienbehörde NMHH gewesen, die Angelegenheit zu untersuchen und Sanktionen zu verhängen. Doch die sah keinen Handlungsbedarf; Beschwerden ungarischer Journalisten wurden ignoriert, mehrfache Beschwerden aus dem Ausland aus formalen Gründen zurückgewiesen; zudem sei durch Papps Ernennung „das öffentliche Interesse nicht geschädigt“ worden.

[Update 25.10.2014: Erstaunliche Ähnlichkeiten mit diesem Post, sowie Post Rechtsextreme Journalistin zur Chefredakteurin der Staatsmedien ernannt, 21. Oktober 2014 finden sich im aktuellen Artikel von Welt-Korrespondent Boris Kálnoky. Gut recherchiert, Boris. Welt.de: Staatsfernsehen belohnt Rassismus und Lügen, 24.10.2014.]

Hintergründe auf diesem Blog (2011)

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