Internetsteuer kommt
Ab 2015 soll in Ungarn die Internetnutzung mit 150 Forint pro angefangenem 1GB besteuert werden. Auf die Nutzer kommen bedeutende Mehrkosten zu – den Anbietern ist es bisher nicht gesetzlich untersagt, die Steuer auf die Verbraucher umzulegen. Dadurch werden indirekt auch alternative Informationsquellen zu den gleichgeschalteten Staatsmedien besteuert – der Großteil der regierungskritischen Medien ist nur über das Internet zu erreichen.
(Origo)
Im Namen des Ministers für Nationalwirtschaft Mihály Varga legte die Regierung dem Parlament den Entwurf der Steuergesetze 2015 vor. Darin enthalten ist eine Änderung des Fernmeldegesetzes, laut der die Fernmeldesteuer auf die Internetnutzung ausgedehnt werden soll.
Die Steuer ist von den Internetanbietern zu entrichten und fällt nach Umfang der Nutzung an, jedes begonnene Gigabyte soll 150 Forint kosten. Das Ministerium für nationale Wirtschaft verspricht sich auf diese Weise Mehreinnahmen von 20 Mrd. HUF. (portfolio.hu)
Für einen Mobil-Tarif mit 5 GByte Internet-Flat für etwa 3000 HUF bedeutet die Internetsteuer einen Preisanstieg von 25%. Für eine unbegrenzte Internet-Telefon-Flat für etwa 4-5000 HUF fallen bei einer durchschnittlichen Nutzung von 30-50 GB pro Monat zusätzlich 4500-7500 HUF an, ein Preisanstieg von mindestens 200%. (hvg)
Den Internetanbietern ist es bisher nicht gesetzlich untersagt, die Steuer auf die Verbraucher umzulegen. (444.hu)
2008 hatte Fidesz noch gegen ein ähnliches Vorhaben der MSZP-SZDSZ-Regierung protestiert:
„Die Besteuerung des Internets ist eindeutig überflüssig, undurchdacht und schädlich, denn sie vertieft die in Ungarn sowieso vorhandene digitale Kluft noch weiter, und schneidet neue Nutzer vom Internet ab. (Fidesz, zitiert von Cink.hu)
Durch die Internetsteuer werden indirekt auch alternative Informationsquellen zu den gleichgeschalteten Staatsmedien besteuert – der Großteil der regierungskritischen Medien ist nur über das Internet zu erreichen; nur zwei Beispiele von vielen: Das Klubrádió außerhalb von Budapest, und ab 2015 vermutlich das freie Tilos Rádió, s. Post Medienbehörde kassiert Frequenz? Das freie Budapester Tilos Radio vor dem Aus, 19. Oktober 2014.
Tatsächlich haben Facebook und die zahlreichen regierungskritischen Nachrichtenportale und Blogs in Ungarn längst die Funktion der öffentlich-rechtlichen Medien übernommen.
Wird die Internetsteuer verabschiedet ? Update folgt.
[Update 22.10.2014: Pester Lloyd, ausführlich und mit Updates: 50 Cent pro GB: Ungarn gehen gegen Internetsteuer auf die Barrikaden, 22.10.2014
(…) Für Sonntag, 26. Oktober ist um 18 Uhr eine Demo gegen die „Internetadó“ auf dem József Nádor Platz in Budapest geplant. (…) Auf Facebook formierte sich umgehend partei- und lagerübergreifender Widerstand. Binnen 24 Stunden seit der ersten Ankündigung der Steuer haben sich bis 12.53 Uhr bereits über 100.000 Personen (mithin mehr als 1 % der Bevölkerung) der Seite „Hunderttausend gegen die Internetsteuer“ angeschlossen, stündlich kommen mehrere tausend Personen hinzu.
Update 23.10.2014: Das Thema wird in den deutschsprachigen Medien mittlerweile ausführlich behandelt:
faz.net: 50 Cent pro Gigabyte Ungarn will Internetsteuer einführen
taz: Kommentar Internetsteuer in Ungarn: Der Chef steht auf der Leitung. Die Steuer festigt Viktor Orbáns Macht. Sie trifft seine Kritiker, die soziale Medien zum Austausch nutzen – oder gleich ganz auswandern.
Spiegel.de: 49 Cent pro Gigabyte: Ungarn plant Internetsteuer
Updates Ende]
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Auf Facebook kursiert folgender Witz: „Guten Tag! Ich komme Ihren Router ablesen!“ (Péter Konok, Facebook)
Das Satireportal Hírcsárda: „Als Reaktion auf die Internetsteuer hat YouPorn auf ASCII-Konvertierung umgestellt.“
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