Internetsteuer bedroht YouTube-Journalismus
Der preisgekrönte unabhängige Dokumentarfilmer Ádám Csillag hat angesichts der gleichgeschalteten staatlichen Medienlandschaft seit 2010 mit seinen Youtube-Filmen die Funktion demokratischer öffentlich-rechtlicher Medien übernommen. Durch die geplante Internetsteuer sieht er seine Arbeit vor dem Aus: Laut dem ursprünglichen Gesetzesentwurf zahlen nämlich nicht nur die Nutzer für Videos im Netz, sondern auch die Journalisten für das Hochladen der Daten. Mit Spendenkonto.
[Update 29.10.2014: Im hervorragenden Artikel Internetsteuer in Ungarn – „Viktator“ Orbán sät Wind von Cathrin Kahlweit in der Süddeutschen wird ohne Quellenangabe auf diesen Post Bezug genommen – diese Inhalte sind auf Deutsch sonst nirgendwo zu haben.]
Die geplante Internetsteuer, gegen die in der größten Protestdemonstration seit 2012 am 26. Oktober Zehntausende auf die Straße gingen, siehe
- Pester Lloyd: ”Kriminellen zahlen wir keine Steuer”: 10.000 bei Demo gegen Internetsteuer in Ungarn
- zeit.de: Orbán baut seinen autoritären Staat aus
- Reporter ohne Grenzen: Kritik an geplanter Internetsteuer in Ungarn
bedroht in ihrer ursprünglichen Form die kritischen, unabhängigen Medienportale. Nur einige Beispiele von vielen sind das ungarische Wikileaks atlatszo.hu, das oppositionelle Klubrádió, oder das freie Tilos Rádió, das 2015 vermutlich nur noch im Netz senden kann.
Der preisgekrönte unabhängige Dokumentarfilmer Ádám Csillag dokumentiert seit 2010 die Geschehnisse in seinem Land:
„Oppositionelle Meinungen bekommen in der nahezu gleichgeschalteten öffentlich-rechtlichen Medienlandschaft immer weniger Sendefläche. Genau deshalb hält der Dokumentarfilmer Ádám Csillag überall drauf, wo die Kameras regierungsfreundlicher Kanäle nicht filmen und stellt seine Bilder unkommentiert ins Internet“, s. ausführlich NDR Zapp: Widerstand mit der Kamera: Ádám Csillag wehrt sich gegen Zensur, 30.1.2013
Ältere deutschsprachige Berichte über ihn hier und hier.
(Am 26.10. auf der Demo gegen die Internetsteuer, Facebook)
Durch die Internetsteuer sieht Csillag seine Arbeit, die er mittlerweile über Spenden finanziert, vor dem Aus – laut dem ursprünglichen Gesetzesentwurf zahlen sowohl die Nutzer beim Ansehen seiner Filme als auch er selbst beim Hochladen etwa 50 Cent pro Gigabyte.
In einer Erklärung auf Facebook schreibt er (Übersetzung N.N., PR dankt):
„Die Internetsteuer ist eine weitere riesige Ohrfeige für die Pressefreiheit. Der Nutzen der neuen Steuer ist neben der Geldeinnahme, den Zugang zu den von der Regierung unabhängigen Informationsquellen bedeutend einzuschränken (…).
Ein durchschnittliches Video, das ich ins Internet hochlade, hat 1-2 Gigabyte und wird von Internetanbieter (youtube, vimeo) auf ein etwas kleineres Format konvertiert (…). Ihr werdet für die von mir bisher kostenlos zur Verfügung gestellten Videos zahlen müssen, und zwar genau an die Regierung (…), die mit aller Kraft dafür sorgt, dass Künstler wie ich, die Ihr Talent zur regierungskritischen Berichterstattung (wörtl.: zur Kontrolle der Regierung) einsetzen, nicht mehr an Quellen und Medien herankommen, durch die sie ihre Kritik öffentlich machen könnten.
Diesem Zweck diente das Mediengesetz, die Errichtung der Medienbehörde, die Auffüllung der öffentlich-rechtlichen Medien mit rechtsextremen Redakteuren.
Diesem Zweck diente die Vernichtung des auf Selbstbestimmungsbasis arbeitenden Ungarischen Filmfonds (Magyar Mozgókép Alapítvány) und die Zentralisierung der ungarischen Filmförderung, die Verweigerung der Förderung von Nicht-Spielfilmen (d.h. Dokumentarfilmen), bzw. die Bindung des von vertrauenswürdigen Parteigängern kontrollierten Fernsehens an Subventionsanträge. Diesem Zweck dient die Zentralisierung aller staatlichen Nachrichtenkanäle unter der staatlichen Nachrichtenagentur MTI. Diesem Zweck dient die Selbstzensur, die die noch übrig gebliebenen unabhängig scheinenden Radios und Fernsehsender als Gegenleistung für ihr Überleben anwenden, auch wenn sie es leugnen.
Den Rest der kritischen Berichterstattung über die Regierung bzw. die Diktatur verdanken wir der Existenz und der Freiheit des Internets. Orbán kann die Freiheit des Internets nicht offen einschränken, darum will er den Zugang der in schlechteren finanziellen Verhältnissen lebenden Menschen zu Informationen versperren, während die von ihm gefütterte und ihm treu ergebene Mittelklasse der Vasallen fähig ist, diese neue Steuer zu bezahlen.
Ich zum Beispiel bin nicht imstande, meine Filme auch nur an eine einzige Fernsehstation zu verkaufen, es gibt keinen einzigen Fernsehsender, wo ich in solcher Freiheit arbeiten könnte wie jetzt, wo ich einzig und allein meinem Gewissen verpflichtet bin.
Die Internetsteuer nimmt mir nun die letzten Möglichkeiten, heute noch einen kleinen Teil der Öffentlichkeit zu erreichen.
Das ist auch ein Gesichtspunkt, den ich unter anderem der EU-Komission zur Erwägung empfehle, wenn sie eine von der ungarischen Regierung empfohlene Person als Kulturkommissar aufstellen will!
Ádám Csillag, Béla-Balázs-Preisträger, Filmregisseur, Akteur der Wende 1988-89
[Update: Die Süddeutsche fasst es so zusammen:
Nicht nur wer Material herunterlädt, soll zahlen, sondern auch, wer es hochlädt. Dagegen geht nun mit einem Widerhall der Dokumentarfilmer Ádám Csillag vor, der eigene Berichte aus dem politischen Alltag in Ungarn nur noch über Youtube verbreitet, weil sie im ungarischen Staatsfernsehen zensiert oder ignoriert würden, während sich die privaten Medien der Selbstzensur unterwürfen. Er hält die Idee einer Internetsteuer für einen Skandal, denn „Orbán kann die Freiheit des Internets nicht offen einschränken“. Darum wolle er den Zugang zu Informationen qua Portemonnaie erschweren.
Update Ende.]
Auch wenn die Internetsteuer nicht in der ursprünglich geplanten Form verabschiedet werden sollte, ist Ádám Csillag für seine Arbeit auf Unterstützung angewiesen.
(Facebook)
Ádám Csillags Filme im Netz
https://www.facebook.com/filmcsillag
https://www.facebook.com/groups/filmcsillagvideok/
http://vimeo.com/user3119084
http://www.youtube.com/user/filmcsillag
Spenden für Ádám Csillag
Kontoinhaber: Csillag Ádám
IBAN: HU05109000280000000989490012
BIC: BACXHUHB
Unicredit Bank Budapest, Fehér Hajó u. 5, 1052 Budapest
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