„Die Fidesz-Spitze ist ein Mafia-Klan, der das Land wie ein Privatunternehmen führt“ – Interview Radio Dreyeckland
Interview mit Radio Dreyeckland, 20.3.2013
„Die Fidesz-Spitze ist ein Mafia-Klan, der das Land wie ein Privatunternehmen führt“.
Mittwoch, den 20. März 2013 – Focus Europa
Der Betreiber des Blogs pusztaranger.wordpress.com beschäftigt sich seit 2009 intensiv mit der radikalen ungarischen Rechten. In den vergangenen Jahren hat er zudem begonnen, umfangreich deutschsprachige Informationen über die Machenschaften der regierenden Fidesz-Partei und über Viktor Orbáns autoritäre Umgestaltung des ungarischen Staates zu verbreiten. Radio Dreyeckland sprach mit dem Blogger über die aktuelle politische Situation in Ungarn und die zögerlichen Reaktionen der Europäischen Union. (…)
Im ersten Teil werden die aktuellen Verfassungsänderungen, das Verhältnis der regierenden Fidesz mit der offen faschistisch auftretenden Oppositionspartei Jobbik und die rassistischen Ausfälle des rechtsradikalen Publizisten und Orbán-Freundes Zsolt Bayer thematisiert.
Im zweiten Teil kommentiert Pusztaranger die fortgesetzte Zusammenarbeit großer europäischer Volksparteien, wie der CDU/CSU oder der ÖVP, mit der ungarischen Fidesz im Europäischen Parlament und antwortet auf die Frage, ob die EU Sanktionen gegen Ungarn aussprechen sollte. Pusztaranger betont hierbei, dass die EU bspw. gegen die Fidesz-Oligarchen in der Landwirtschaft vorgehen könnte, generell jedoch vor allem die ungarische Zivilgesellschaft Unterstützung verdiene, denn „loswerden müssen die Ungarn Orbán selbst“.
Interviewtext, mit Links ergänzt:
1. Teil
Aktuell wird ja auch in deutschen Medien breit über die Verfassungsänderung vom 11. März in Ungarn debattiert. Hat sich mit dieser denn wirklich signifikant etwas geändert oder handelt es sich hierbei einfach um einen weiteren kleineren Schritt in dem seit Jahren zu beobachtenden autoritären Umbau des Staatswesens unter Viktor Orban?
Die rechtlichen Aspekte der Verfassungsänderung werden derzeit in den Medien diskutiert, und ich bin kein Rechtsexperte, ich sage es einfach mal so: Orbán definiert, was Demokratie ist. Wenn das Verfassungsgericht nicht spurt, wird eben die Verfassung geändert, kein Problem. Was Orbán macht, ist per se Volkswille, er verkörpert die Nation. Er entscheidet, der Apparat führt aus, so funktioniert das.
Die Fidesz-Spitze ist ein Mafia-Klan, der das Land wie ein Privatunternehmen führt (vgl. Bálint Magyar: Autocracy in Action – Hungary under Orbán, 2011). Das ist das Kerngeschäft, die staatlichen Funktionen nur notwendiges Übel und Beschäftigungs- und Versorgungsmaßnahme für die eigenen Leute. Jetzt am Wochenende konnte man die totale Inkompetenz des staatlichen Katastrophenmanagements beim Schneechaos erleben – das Personal ist nach Loyalität ausgewählt und handelt auf Befehl, aber gerade an diesem Wochenende war der Chef nicht da, und Eigeninitiative kann auch nach hinten losgehen, da macht man lieber gar nichts. Auch im Katastrophenschutz wurden kompetente Personen bereits durch Fidesz-Marionetten ersetzt.
(„Teamgeist“ – HVG-Titel aus der Zeit der ersten Orbán-Regierung 1999, von boell.de)
Der Wirtschaftswissenschaftler János Mátyás Kovács sagte die Tage, „In einem zerfallenden Europa und in einer Welt, in der liberale Werte zunehmend in Frage gestellt werden, braucht die Nation einen starken, paternalistischen Führer, der den Bürgern im Austausch dafür, dass sie ihn nicht bei seiner Arbeit stören, Sicherheit, Ordnung, einen ordentlichen Lebensstandard und Nationalstolz bietet.“ Orbáns Unterstützung basiert auf einem neuen „Sozialpakt“: Seine Wähler lassen ihn und seine Jungs machen, dann ist für sie gesorgt. Man hat sich verpflichtet, die Regierung auch wider besseres Wissen zu unterstützen, und weil das über den Verstand nicht geht, muss man eben „glauben“. Fidesz operiert auf Glaubensbasis. Der Glaube, auf dem richtigen Weg zu sein, produziert die gewünschte Realität, und diesen Glauben verteidigt man mit Zähnen und Klauen, denn daran hängt alles, der Job, die Wohnung, das Studium der Kinder, das soziale Umfeld etc.
Im Ausland denkt man immer noch, Orbáns Unterstützung sei von seinen politischen Inhalten abhängig, dabei kapiert nicht mal die Fidesz-Spitze – und schon gar nicht die Abgeordneten, das Stimmvieh – was genau sie da verabschieden. Fidesz-Vize Lajos Kósa war auf der Pressekonferenz am 14.3. nicht im Stande, die Verfassungsänderungen halbwegs verständlich zu erklären, er redete minutenlang reinen Nonsens. (Video atv)
Und der Punkt ist, er muss es gar nicht erklären können. Genauso kann der Chef des Katastrophenschutzes bei einem Interview auf die Frage, warum kein Fahrverbot erlassen wurde, sagen, man könne Lkws nicht verbieten, nach Ungarn reinzufahren, und punkto PKW „Jeder Ungar kann hinfahren wo er will.“ Ein Klassiker György Matolcsy – kürzlich vom Wirtschaftsminister zum Chef der Nationalbank berufen – der bei offiziellen Auftritten regelmäßig den hellen Irrsinn von sich gibt („ungarische Neugeborene haben wie japanische einen roten Punkt auf dem Popo, ein Beweis für die genetische Verwandtschaft der beiden Völker“) – und es macht gar nichts. Solche Aussagen entlarven einen Fidesz-Politiker nicht als die inkompetente Marionette, die er ist, sondern es verpufft einfach. Das eigene Lager lacht vielleicht hinter vorgehaltener Hand, aber es kommt keine Kritik aus den eigenen Reihen, denn er macht seinen Job wie er soll, ausführen, durchregieren, darum geht’s. Und die oppositionellen und ausländischen Medien lügen sowieso, die liest man als Gläubiger erst gar nicht.
In den letzten Tagen gab es zwei Fälle von Fidesz-Spitzenpolitikern, die sich quasi von sich selbst distanziert haben: Sie waren gezwungen, für das höhere Ziel Dinge auszuführen, mit denen sie persönlich nicht einverstanden waren. Der eine war Superminister Zoltán Balog, der den antisemitischen, rassistischen Hetzer Ferenc Szaniszló zum Journalisten des Jahres ernannte [Update: der gab seinen Preis inzwischen zurück], und der andere Staatspräsident János Áder, der die Verfassungsänderung unterschrieb.
Ist die strikte Trennung von Orbans Fidesz-Partei und der offen faschistisch auftretenden Jobbik, wie sie ja faktisch von Orban nach außen dargestellt wird, glaubhaft? Falls nein, hättest Du ein paar aktuelle Beispiele für aktive Zusammenarbeit?
Kooperation funktioniert dort, wo Jobbik das Zünglein an der Waage ist wie in Szeged, und Fidesz Zugeständnisse machen muss, zum Beispiel, indem Fidesz-KDNP und Jobbik die kommunalen Betriebe unter sich aufteilen (Galamus). So kann in Szeged der Jobbik-Gemeinderat Csaba Farkas Keresztúri, der gerade wegen Landfriedensbruch zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, weiter im Amt bleiben – allerdings wurde er versetzt; früher Vorsitzender des Ausschusses für Recht und öffentliche Sicherheit, jetzt Vizevorsitzender des Finanzausschusses.
Dass die Regierung in ihrer Kommunikation reichlich Zugeständnisse an Jobbik macht, ist inzwischen bekannt; ein aktuelles Beispiel:
Man stelle sich vor, ein deutscher Spitzenpolitiker weist anlässlich einer Gedenkveranstaltung zur NSU-Mordserie darauf hin, dass bei aller Tragik und allem Leid der Opfer auch von Tätern mit Migrationshintergrund Gewaltverbrechen an Deutschen begangen würden und diese gleichermaßen zu verurteilen seien. Genau das hat kürzlich Superminister Zoltán Balog, zuständig für Romaintegration, gemacht. In seiner offiziellen Erklärung anlässlich des Jahrestages der Romamorde von Tatárszentgyörgy (zwei Opfer, darunter ein 5-jähriges Kind) heißt es: „Wir dulden keine Hassverbrechen in Ungarn! Und bevor jemand das eine Leben wertvoller erachtet als das andere, erklären wir, die Opfer von Tatárszentgyörgy, Nagycsécs [Romamorde] und Olaszliszka [Mord an Lajos Szögi 2006, s.u.] sind die Opfer desselben Hasses, und verdienen genauso Gerechtigkeit. […] Es muss derselbe Maßstab herrschen […], die Täter müssen mit rechtsstaatlichen Mitteln bestraft werden.“
Lajos Szögi wurde 2006 von einem Mob erschlagen, weil die Täter irrtümlich dachten, er hätte ein Kind totgefahren. Die Täter, Roma, verbüßen lebenslange Freiheitsstrafen, weder in der Anklageschrift noch im Urteil war von einer rassistischen Motivation die Rede (mancs). Damit wäre die Sache rechtsstaatlich geregelt, aber der Fall löste eine Gewaltwelle gegen Roma aus und wird seither von den rechtsextremen Medien als Dauer-Rechtfertigung für Gewalt gegen Roma wachgehalten. Und gerade dieser Fall wird nun vom Minister für Romaintegration mit der rassistisch motivierten und von langer Hand geplanten Mordserie an Roma gleichgesetzt. Der Prozess gegen die Täter verläuft auffällig schleppend; wenn bis 20. August kein Urteil gefallen ist, müssen sie freigelassen werden.
Im Januar forderte der Publizist Zsolt Bayer in einem Leitartikel einer rechten ungarischen Tageszeitung faktisch eine Art Endlösung der ungarischen Romafrage. Zsolt Bayer ist jedoch nicht nur ein rechtsradikaler Publizist, sondern zugleich ein Mitglied der Fidesz-Partei und ein Freund Viktor Orbáns. Hatten seine Aussagen denn irgendwelche Konsequenzen? Gibt es bspw. Bestrebungen ihn aus der Fidesz auszuschließen? Hat sich Viktor Orbán zu dem Thema geäußert?
Das hatte für Bayer die Konsequenz, dass Parlamentspräsident László Kövér die Ansprache zu seinem 50. Geburtstag hielt und sich bei ihm herzlich für die gemeinsamen 25 Fidesz-Jahre bedankte. Generalabsolution, Bayer darf alles sagen. Am 14.3. war Bayer Redner auf der Fidesz-Veranstaltung zum Nationalfeiertag in Szeged und sagte, „wir stehen wieder in einem Weltkrieg, der nicht mit Waffen, sondern mit Geld ausgetragen wird“ (delmagyar.hu), eine radikalisierte Variante der Regierungslinie („Kampf gegen die Multis„) fürs gläubige Wahlvolk. Nein, Bayer geht es nach wie vor bestens, der wird uns noch viele solche Äußerungen bescheren.
Handelt es sich um einen krassen Ausfall oder ist diese Art der Kommentierung, die offen mit der Vernichtung von Minderheiten kokettiert, heute in Ungarn gesellschaftlich akzeptiert?
Zum ersten Teil der Frage, das ist kein Ausfall, sondern Teil der Fidesz-Kommunikationsstrategie. Die Fidesz-Medienlandschaft ist in Sparten organisiert, die unterschiedlich radikale Inhalte bringen. Was die offizielle Politik nicht sagen kann und den offiziellen Medien zu radikal ist, sagt Zsolt Bayer in den privaten Fidesz-Medien Magyar Hirlap und EchoTV, deren Inhaber Gábor Széles gerade das Verdienstkreuz verliehen wurde.
Solche Äußerungen lösen in den oppositionellen Medien und auf Facebook immer sofort hohe Wellen der Empörung aus, vielleicht macht jemand eine Onlinepetition, vielleicht demonstrieren auch ein paar Aufrechte irgendwo, aber solange niemand klagt, verpufft das. Was anderswo durch gesellschaftlichen Diskurs ausgetragen wird, läuft hier entweder über den Justizweg oder verpufft folgenlos.
Zum zweiten Teil der Frage, wer ist die Gesellschaft? Ungarn ist zersplittert, es gibt keine übergreifende gesellschaftliche Öffentlichkeit (das ist zunehmend Facebook – für diejenigen, die Internet haben), sondern unterschiedliche Paralleluniversen, die im Alltag nicht miteinander kommunizieren, ein „kalter Bürgerkrieg“. Innerhalb der Fidesz-Blase funktioniert das so, dass man mit Bayer einverstanden sein kann oder auch nicht, aber wichtiger ist die Einigkeit des eigenen Lagers gegen die „Feinde der Nation“. Als Co-Organisator des „Friedensmarschs“, der von der Regierung finanzierten Fidesz-„Zivilgesellschaft“, mit den Mitteln und der Infrastruktur ausgestattet, um jederzeit 100.000 Leute anzukarren, ist Bayer eine Persönlichkeit, die das eigene Lager eint, Leute zusammenbringt, um gemeinsam für etwas zu sein – Orbán – und gemeinsam gegen etwas zu sein – die EU, die Multis, die „Kommunisten“, die „Liberalen“ etc. Da sind mächtige Emotionen im Spiel. Alle Ungarn sehnen sich danach, dass dieser jahrelange „kalte Bürgerkrieg“ endlich aufhört, nur gibt es dafür unterschiedliche Lösungsstrategien, und für die Fidesz-Blase ist gesellschaftliche Einigkeit nicht über Diskurs möglich, sondern eben nur über – Einigkeit. Wer Kritik äußert, ist ein Spalter und steht dem gesellschaftlichen Frieden im Weg. Man will die lästigen Kritiker endlich weghaben, oder dass sie wenigstens endlich mal ihre dreckige Fresse halten. Man braucht gar nicht mit Bayer einverstanden zu sein, er ist einer von uns und fertig. Den Preis dafür zahlen die Roma – aber die sind an ihrem Elend sowieso selbst schuld und müssen lernen, ohne den Staat auszukommen, denn der ist nur für unsere Bedürfnisse, für die „national“ gesinnte magyarische Mittelklasse da. Der Staat kann eben nicht für alle sorgen und muss sich auf die Leute konzentrieren, die das verdienen („Meritokratie“). Soweit die Denke der Fidesz-Blase; die Jobbik-Blase dürfte inhaltlich mit Bayer einverstanden sein, aber Bayer ist nicht ihr Mann, für solche Inhalte haben die ihre eigenen Leute und Medien.
2. Teil
Wie bewertest Du die fortgesetzte Zusammenarbeit von CDU/CSU und ÖVP (und weiterer konservativer Volksparteien) in der EVP Fraktion mit der Fidesz im Europäischen Parlament?
Inzwischen wird ja auch von CDU/CSU-Seite Kritik laut, was von den ungarischen oppositionellen Medien dankbar wahrgenommen wird. In den staatlichen Nachrichten hört man davon wenig, dafür war ihnen das Lob der Front National eine eigene Meldung wert.
Ich denke, auch die EVP wird noch kapieren, dass Fidesz nicht für die von ihr propagierten Werte steht, sondern für die der Neuen Rechten. Sie verkaufen sich im Ausland als konservativ, aber vertreten ein „Europa der Nationen“ und pflegen auf der informellen, „zivilgesellschaftlichen“ Ebene Kontakte zur europäischen Neuen Rechten, zur FPÖ, zur PiS etc. Dort holen sie sich Unterstützung für die Autonomiebestrebungen der ungarischen Minderheiten in Rumänien und der Slowakei, wenn es Petitionen zu unterschreiben gibt; die Vorarbeit lassen sie von den Rechtsextremen machen. (…)
Die ungarische Regierung wird einfach weiter ihr Ding machen, und irgendwann wird ein Punkt erreicht sein, wo auch die EVP als Partner abspringen muss. Eine Frage ist zum Beispiel, wozu Orbán und Kövér jeweils eine eigene Leibgarde brauchen (Terroreinsatzkommando TEK und Parlamentsgarde). Die neue bewaffnete Parlamentsgarde, die befugt ist, Abgeordnete auf Weisung des Parlamentspräsidenten notfalls unter Gewaltanwendung aus dem Saal zu entfernen, hat im Aufgabenbereich Personenschutz ausschließlich die Person des Parlamentspräsidenten zu schützen (Gesetz XXXVI/2012, § 125, 2a); in dieser Funktion ist sie berechtigt, den Verkehr auf öffentlichen Straßen zu kontrollen, einzuschränken und zu sperren und in diesem Zusammenhang Fahrzeuge anzuhalten und Personenkontrollen durchzuführen (§ 140).
Dazu muss man wissen, dass etwa 20 Prozent der ungarischen Polizisten in einer rechtsextremen Polizeigewerkschaft organisiert sind.
Diese enormen Sicherheitsvorkehrungen ergeben einen Sinn, wenn ab 2014 eine Fidesz-Jobbik-Koalition geplant ist.
Welche Schritte sollte denn die Europäische Union im Falle Ungarn Deiner Meinung nach gehen und wie sollte man mit der Gefahr umgehen, dass bspw. Sanktionen faktisch die falschen treffen und Orban innenpolitisch vielleicht sogar noch nutzen?
Orbán wird jede Sanktion innenpolitisch für sich nutzen. Derzeit zerbrechen sich hochkarätige EU-Rechtler den Kopf, was die EU machen kann, und ich bin kein Experte. Aber wenn man mit Sanktionen die „Richtigen“ treffen will, muss man an die Oligarchen ran, und das könnte man über die Agrar- und Strukturförderung versuchen, ganz banal durch konsequentes Monitoring. Was die ungarische Regierung als „Schutz des ungarischen Bodens gegen ausländische Spekulanten“ verkauft, (siehe orf: Enteignungen durch neues Bodengesetz) ist eine wirtschaftsprotektionistische Maßnahme für die Fidesz-Oligarchen, „den ganzen ungarischen Boden für unsere Jungs“. Dass das mafiöse Strukturen sind, sagt sogar der ehemalige Staatssekretär für Landwirtschaftliche Entwicklung József Ángyán (Fidesz), der die Landvergabe überprüft und entsprechende Berichte verfasst hat. Aus Protest gegen diese Machenschaften ist er 2010 zurückgetreten und wird von der Regierung seither ignoriert. Ihm zufolge wird die ganze ungarische Landwirtschaft derzeit unter etwa sieben Parteien aufgeteilt, um Großunternehmen nach südamerikanischem Vorbild zu schaffen. Und bis es soweit ist, ist Ackerland dank der EU-Agrarförderung guter Business, auch wenn man nichts anbaut (siehe Deutsche Wirtschafts Nachrichten: EU-Rechnungshof kritisiert Missbrauch bei Agrarhilfen für Osteuropa, 29.11.12).
Inzwischen beschleunigt sich dieser Prozess, der Bodenfonds geht dazu über, Ausschreibungen für ungültig zu erklären und das ganze ausgeschriebene Land als Komplettpaket zur „Zwangsnutzung“ (damit es genutzt wird, auch wenn keine Verpachtung zu Stande kommt) einigen wenigen Fidesz-Akteuren zuzuteilen. (Nol, 18.3.)
[Update 24.3.: So geschehen u.A. in Bábonymegyer, siehe Fotos unten; Bauern, denen vom Nationalen Bodenfonds die Existenzgrundlage entzogen wurde, reagierten am 24.3. mit einer Feldbesetzung.]
Die Fidesz-Oligarchen brauchen die EU noch ein paar Jahre, bis mit den EU-Geldern die nötigen Strukturen aufgebaut sind, dann wollen sie sich durch Agrarexporte mit den neuen strategischen Partnern Russland, China, Aserbaidschan, Saudi Arabien und den Iran sanieren („Ostöffnung“), weil dort das Geld und die großen Märkte sind. Für Orbán & Co ist die EU ein Auslaufmodell kurz vor dem Zusammenbruch, und Ungarn holt noch rechtzeitig das Maximum raus und geht dann einer glorreichen wirtschaftlichen Zukunft im Osten entgegen, das scheint der Plan zu sein.
Das Fidesz-Land Grabbing treibt die Landvevölkerung den Rechtsextremen in die Arme, denn bislang sind die es, die sich auf lokaler Basis um die Bauern kümmern, die zugunsten von Fidesz-nahen Ortsfremden vom Nationalen Bodenfonds nicht berücksichtigt wurden. Seit Ángyán von den eigenen Leuten ignoriert wird, hat er sich im Jobbik-Magazin Barikád als „nationalradikal“ geoutet, tourt durchs Land und hält Vorträge in rechtsextremen Kreisen.
Man könnte also die Kontrollen bei der Agrar- und Strukturförderung verstärken und beschleunigen, und Missbrauch konsequenter sanktionieren, das wäre meine Anregung für die EU-Grünen.
Und man sollte den Dialog mit der demokratischen ungarischen Zivilgesellschaft verstärken, Hilfe zur Selbsthilfe leisten – statt weiter das Geschäftsmodell der Fidesz-Oligarchen zu sponsern, in die demokratische Opposition investieren, denn loswerden müssen die Ungarn Orbán selbst.
Schild am Galgen: „Das haben der Nationale Bodenfonds und das Ministerium für regionale Entwicklung mir angetan!“ Somogy Online