Zum Inhalt springen

Offener Brief an Joachim Gauck

Offener Brief an Bundespräsident Joachim Gauck zum Großen Verdienstkreuz an Zoltán Balog

Gastpost von Thomas Richers, einem langjährigen Freund dieses Blogs.


Zoltán Balog und Joachim Gauck (Pester Lloyd)

Gesendet: Freitag, 31. Mai 2013 um 22:24 Uhr
Von: „Thomas R. Richers“ <xx>
An: „Bundespräsidialamt“ <bundespraesidialamt@bpra.bund.de>
Cc: Pusztaranger <xx>
Betreff: Ordensverleihung an Zoltán Balog

Offener Brief / Ordensverleihung an Zoltán Balog

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Gauck,

ich hatte schon bei der vorherigen Wahl gehofft, Sie als Bundespräsidenten zu sehen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass Sie nun mein Land repräsentieren (…).

Sie (oder eine Maschine) unterschreiben täglich alles Mögliche, darunter auch zahlreiche Urkunden für die Verleihung von Verdienstorden. Dabei müssen Sie sich auf Ihren Stab und Ihre Berater verlassen; denn Sie können ja unmöglich all diese Leute persönlich kennen.

In den letzten Tagen wurde in Ihrem Namen dem ungarischen ‚Minister für Humanressourcen‘, Zoltán Balog, der dritthöchste Orden der Bundesrepublik, das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, verliehen.

Das kann man allerdings nur als Skandal bezeichnen.

Die ungarische Sprache ist zwar immer wieder ein Hindernis (wahrscheinlich auch für den deutschen Botschafter in Budapest), die Vorgänge in Ungarn richtig zu verstehen, und Zoltán Balog hat den deutschen Verdienstorden auch nur für die „Bemühungen um die Stärkung der deutsch-ungarischen Beziehungen“ erhalten (eine Laudatio war nirgendwo zu finden). Aber man sollte doch die ganze Person und ihr Wirken im politischen Umfeld sehen. Zoltán Balog ist nicht nur für all das verantwortlich, was im Pester Lloyd (online) ausführlich beschrieben wird (ein ganzer Katalog uneuropäischer Massnahmen), sondern auch für die Kürzung der Zuwendungen an die Universitäten um 50% in drei Jahren, EU-widrige Knebelungsverträge für Studenten, die ihr Studium nicht aus eigener Tasche bezahlen können (jetzt im Verfassungsrang) und einiges mehr. Sein Superministerium ist das zweitwichtigste in Ungarn. Sein Ministerium ist auch für die verlogene Romapolitik zuständig, die auf Diskriminierung, Ausgrenzung, sogar direkte „liebevolle Segregation“ verantwortlich ist.
Er gehört einer Regierung an, die Rechtsextremisten und extreme Antisemiten mit Orden auszeichnet.
Schlimme Texte von Nationalisten der Horthy-Ära wurden in das Curriculum für Oberschulen aufgenommen – unter der Aufsicht und mit der Zustimmung von Herrn Balog – und offenbar mit Billigung meines Bundespräsidenten. Ich bin einigermassen entsetzt als jemand, der Ungarn seit 1993 sehr gut kennt und enge familiäre und berufliche Verbindungen zu diesem tragischen Land hat, speziell in der arg gebeutelten akademischen Szene.

Zoltán Balog ist engster Vertrauter des Ministerpräsidenten Viktor Orbán, einem Megalomanen, und zwangsläufig am rapiden Abbau der Demokratie in Ungarn beteiligt. In Tat und Wahrheit ist er eifriger Mithelfer eines Umbaus des ungarischen Staates in einen Einparteienstaat autokratischen Musters (ähnlich wie in Weissrussland, nur – bisher noch – mit weniger Gewalt; die Geheimpolizeien und – dienste sind allerdings schon im Aufbau).

Ich bedaure ausserordentlich, dass Sie dieser Ordensverleihung zugestimmt haben und hoffe sehr, dass Sie Ihren Beraterstab überprüfen. Möglicherweise haben Ihnen CDU-Mitarbeiter in Ihrem Amt ein Ei gelegt. Eine andere Lesart wäre, dass Sie Herrn Balog noch aus DDR-Zeiten kennen, als er dort zu einem Studienaufenthalt war und deshalb jetzt auf eine weitere Prüfung verzichtet haben. Ein grosser Fehler!

Sie können das nicht so stehen lassen, auch wenn es peinlich ist. Sonst haben Sie mich und viele andere verloren. Das wollten Sie aber eigentlich nicht, oder?

Mit freundlichen Grüssen,

Thomas Richers
Minusio (Schweiz)

Sollte eine Antwort kommen, werden wir natürlich berichten.

Hinterlasse einen Kommentar