Budapest Pride 2011 – Kommentar und Presseschau
Schwerpunkte der deutschsprachigen Berichte dieses Jahr sind die festgenommenen Wiener (siehe mein Post Budapest Pride 2011: Jobbik zeigt Wiener Aktivisten an), die Aktivitäten der Rechtsextremen und die Rolle der Polizei; außerdem wird der problematische symbolische Bezug zur Nation thematisiert.
Ich deute das eher als Reclaiming-Strategie republikanischer Werte denn als Identifizierung mit Orbáns Version der „Nation“ – welchen Erfolg Minderheiten mit Letzterem haben, weiss man ja.
(Im März in Gyöngyöspata, siehe mein Post)
So umstritten die Strategie auch ist, als Message an die Rechten hat sie auf jeden Fall funktioniert. Derzeit prüfen rechte Juristen, ob wegen dieser symbolischen „Schändung der Nationalfarben“, die „die Sensibilitäten vieler Menschen verletzt und Angst und Schrecken verbreitet“, rechtliche Schritte gegen die Veranstalter ergriffen werden können. Kein Witz.
Mein persönlicher Kommentar dieses Jahr: Zum ersten Mal seit 2008 war wieder richtig gute Stimmung. Dass es doch relativ friedlich blieb, ist der internationalen Aufmerksamkeit während der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft zu verdanken, umso interessanter wird die Lage 2012.
Im Großen und Ganzen hat die Polizei die Demo geschützt, wie es ihr Job ist; im Einzelnen ist allerdings zu beanstanden, dass
- der Pride wegen den Rechtsextremen von der genehmigten Demoroute abweichen mußte (was nicht mit den Veranstaltern abgesprochen war, jedoch gut funktioniert hat, und so hatten wir auch mehr Publikum)
- die Polizei nicht gegen die Plakate auf der Gegendemo (s.u.) vorging, wie sie es aufgrund der Gesetzeslage hätte tun müssen
- Zivilbullen bei der Abschlusskundgebung „sexy“ Fotos von zwei deutschen Teilnehmerinnen machten, offenbar zum privaten Gebrauch. Hadley Renkin, Dozent an der Central European University, bemerkte und beanstandete dies, worauf ihm von den beiden Zivilpolizisten mit Verhaftung gedroht wurde. (Info von Hadley Renkin.)
- die Polizei bei der Abschlusskundgebung vor dem Parlament nicht etwa die skandierenden Neonazis verwarnte („Dreckige Schwulensäue!“, „Kommt raus!“), sondern den Veranstaltern befahl, die deutschsprachigen Pride-Teilnehmer („Alerta Antifaschista!“) „abzustellen“.
- die Polizei sich von Jobbik-Abgeordneten György Gyula Zagyva und seiner Anwältin überreden ließ, die von Neonazis angegriffenen Wiener als Tatverdächtige zu verhaften statt umgekehrt. Jobbik spielte die Polizei gegen die Pride-Teilnehmer aus, und die Polizei ist darauf reingefallen.
Text: „So gehört mit Schwulen umgegangen!“, „Hast du genug von der Demokratie? Lerne Szálasis Ideen kennen“ (= Pfeilkreuzler, ungarische Nazis, siehe wiki). Bildquelle hvg.
Presseschau:
Festgenommene Wiener:
Österreicher bei Gay-Pride-Parade in Budapest festgenommen – ZIB 19.6.2011 – 17 Uhr
Der Standard: „Budapest Pride“ – Zwei ÖsterreicherInnen nach Parade in Budapest festgenommen
Bündnis radicalqueer: Angriff auf Budapest Pride Teilnehmer_innen war lange geplant!
Stoppt die Rechten: Budapest: Neonazis attackieren DemonstrantInnen
cba: Budapest-Pride trotzt rechtsextremer Begleitmusik (Audio)
Budapester Gay-Pride-Parade: Lunacek übt heftige Kritik an ungarischer Verfassung
Die Standard: Gewalt gegen Homosexuelle- Rechtsradikale Parolen bei Budapester-Parade
Linksunten.Indymedia: Polizei-Terror in Budapest – Faschisten greifen Demonstrant_innen an
linksunten.indymedia: Neonazis bei der Budapest Pride
No-Racism.net: Neonazistischer Angriff auf Teilnehmer_innen der Budapest Pride
Rosa Antifa Wien: Fotos
ORF: Gay-Parade in Budapest: Österreicher nach Festnahme frei
Allgemein:
Amnesty Österreich: Zitronen gegen Tränengas
Teilnehmerbericht Nics Bloghaus: Budapest Pride Parade mit starkem Polizeiaufgebot
Teilnehmerbericht eisberg.blogsport.de: Budapest Pride 2011: Hinter Gittern durch die Stadt
Teilnehmerbericht arbeiterinnenstandpunkt.net: Bericht von der Budapest Pride 2011
Queer.de: Budapest: CSD unter Polizeischutz
Pester Lloyd: Immergleiches Ritual – Die 2011er Gay Pride Parade in Budapest
Jungle World: Stolz und Vorurteil
*
Fernsehnachrichten m1 (Ungarisch):
Bericht von TV2 (Ungarisch):