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Veranstaltung mit Paul Lendvai in Frankfurt am 24.11. : Rechte kündigen Störung an (mit Update)

22. November 2010

Update 24.11.: Die Veranstaltung wurde abgesagt.

Frankfurter Rundschau: Tagung abgesagt -Journalist in Gefahr

„Die Heinrich-Böll-Stiftung musste eine Veranstaltung an der Frankfurter Uni zum politischen und kulturellen Rechtsruck in Ungarn absagen. Unbekannte bedrohen das Leben eines der Vortragenden.“

Heinrich-Böll-Stiftung Hessen:

Vom Schrittmacher zum Krisenherd – Ungarn im Wandel Achtung: Die Veranstaltung ist abgesagt!!! Reihe „Politik Aktuell“ Diskussionsveranstaltung abgesgat! abgesagt! abgesagt! abgesagt!

Die für heute, 24. November 2010 geplante Veranstaltung „Vom Schrittmacher zum Krisenherd. Ungarn im Wandel“ mit dem österreichischen Journalisten Paul Lendvai, muss aufgrund persönlicher Gewaltandrohungen gegen Herrn Lendvai abgesagt werden.

Paul Lendvai , gebürtiger Ungar und als Journalist und Publizist in Wien lebend, ist wegen seines Buches „Mein verspieltes Land“ zur Hauptangriffsfläche von rechtsnationalisitschen und antisemitischen Kräften geworden, die derzeit eine ungeheuer aggressive Kampagne gegen ihn und sein Buch führen.

Nachdem wir von verschiedenen Seiten davor gewarnt wurden, dass es bei der Veranstaltung in Frankfurt am Main morgen möglicherweise nicht nur bei Demonstrationen gegen die Veranstaltung und gegen Herrn Lendvai bleiben wird (wie das in Zürich vor kurzem der Fall war), sondern dass evtl. auch mit Tätlichkeiten gerechnet werden müsse, hat sich die Heinrich-Böll-Stiftung Hessen in enger Absprache mit den an der Veranstaltung Beteiligten entschlossen, die Veranstaltung abzusagen, weil wir die Sicherheit von Paul Lendvai nicht gewährleisten können.

Umso mehr werden wir in Zukunft auf Veranstaltungen die Entwicklungen in Ungarn kritisch beleuchten und den zunehmenden Antisemitismus, Nationalismus und Rechtspopulismus dort (und nicht nur dort) zum Thema machen.

Von hier.

*

Die Veranstaltung:

Vom Schrittmacher zum Krisenherd – Ungarn im Wandel, Mi. 24.11.2010

Ungarn befindet sich in einer Phase dramatischer Veränderungen, von denen nicht klar ist, wohin sie das Land führen werden. Die Heinrich-Böll-Stiftung Hessen e. V. veranstaltet deshalb in Kooperation mit der Goethe-Universität Frankfurt a. M. und der Professur für Vergleich und Transformation von Wirtschaftssystemen von Professor Tamás Bauer, diese Entwicklungen in einer Diskussionsveranstaltung innerhalb der Reihe „Politik Aktuell“ mit zwei führenden Ungarn-Experten, dem Journalisten und Publizisten Paul Lendvai und dem Schriftsteller György Dalos, zu erörtern. Alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen.

Diskussion mit:

Paul Lendvai, Journalist und Publizist, Wien
György Dalos, Schriftsteller, Berlin
Moderation: Florian Schwinn, hr2 kultur, Frankfurt a. M.

Mittwoch, 24 . Nov. 2010, 19.00 Uhr
Campus Westend · Casinogebäude · Raum 1.802
Frankfurt am Main

Weiterlesen hier.

(Edit30.11.2010: Mittlerweile ist der Inhalt von dieser URL verschwunden, aber dort hatte ich das ursprünglich her.)

Rechte Störung angekündigt:

Das linksliberale Sonntagsblatt Vasárnapi Hírek gestern dazu:

„Mein verspieltes Land – Ungarn im Umbruch“ hätte ursprünglich in der Österreichischen Botschaft in Berlin vorgestellt werden sollen, jedoch sagte der Botschafter die Veranstaltung ohne Begründung ab. Vermutlich deshalb, weil es die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder belastet hätte, wenn Lendvai den Abschnitt mit dem Titel  „Orban über alles” vorgelesen hätte, der so beginnt: „Der Erfolg von Fidesz führt zum Ausbau einer totalen Macht“. (Anm.: Sorry, das ist eine Rückübersetzung, ich habe den Originaltext nicht.) So organisiert nun die  Heinrich Böll Stiftung und der hessische Rundfunk die Buchpräsentation, die am 24.11. in der Frankfurter Goethe-Universität stattfindet – wie wir von der Journalistin Kristina Koehnen erfuhren. Bei den Organisatoren gingen vor Kurzem Briefe von zahlreichen in Deutschland lebenden Ungarn ein, die sie der Magyarenfeindlichkeit bezichtigten (akik magyarellenességgel vádolták őket – das ist rechtsextremer Slang). Sie kündigten den Mitarbeitern der Stiftung an, daß sie die Veranstaltung stören würden. (…) Die Veranstaltung wird auf jeden Fall stattfinden, aber unter Sicherheitsvorkehrungen. (már biztos, hogy rendészek fogják felügyelni)

*

Background:

Lendvais Buch:  „Mein verspieltes Land – Ungarn im Umbruch“:
siehe Ecowin-Verlagsseite.

(Bild: Ecowin Verlag)

Die abgesagte Buchpräsentation in der österreichischen Botschaft Berlin:

Angst vor einem Lendvai-Buch

Paul Lendvai darf sein kritisches Ungarn-Buch („Mein verspieltes Land“) an der Botschaft in Berlin nicht vorstellen – diplomatische Beziehung sind in Gefahr.
Bevor das Ungarn-Buch von Paul Lendvai offiziell vorgestellt wird sorgt es für politischen Wirbel: Eine vereinbarte Präsentation des Ecowin-Verlages an der Österreichischen Botschaft in Berlin wurde von Botschafter Ralph Scheide kurzerhand abgesagt. Er habe starke Bedenken, ein kritisches Buch über Ungarn vorzustellen, das könnte die Beziehungen zwischen den beiden Ländern gefährden und kritische Reaktionen der ungarischen Regierung auslösen, steht in einer Verlagskorrespondenz.
Weiterlesen: Kurier 8.10.2010

Die aktuelle Rufmord-Kampagne gegen Paul Lendvai:

ORF Volksgruppen: Zeitung: war Lendvai Informant?

Die ungarische Wochenzeitung „Heti Válasz“ hat den aus Ungarn stammenden österreichischen Publizisten Paul Lendvai bezichtigt, ein „freiwilliger Informant“ des kommunistischen Regimes gewesen zu sein. Das regierungsnahe, rechtskonservative Blatt zitierte dazu in seiner aktuellen Ausgabe fünf Dokumente aus dem Ungarischen Staatsarchiv in Budapest, die auch online im Faksimile veröffentlicht wurden.

„Freiwiliges Informantentum“
„Heti Válasz“ selbst präzisierte in seiner Online-Ausgabe heute, es habe Lendvai keine Agententätigkeit, sondern vielmehr „freiwilliges Informantentum“ vorgeworfen.

Während viele Intellektuelle in Ungarn aufgrund von Druck und Erpressung zu „Inoffiziellen Mitarbeitern“ des Geheimdienstes geworden seien, habe sich Lendvai „freiwillig mit ungarischen Diplomaten in Wien getroffen, um der kommunistischen Staatsmacht Informationen über eine in Ungarn geplante Oppositionsveranstaltung zu übermitteln“, meinte das Blatt mit Berufung auf die gefundenen Papiere.

(…)

Lendvai findet Vorwürfe „absurd“
Lendvai sagte auf Anfrage der APA, er finde es „absurd und unglaublich“, dass er 30 Jahre lang bekämpft wurde, nur damit ihm jetzt vorgeworfen wird, „in Symbiose mit dem Regime“ gelebt zu haben. (…)
Lendvai vermutet Hetze wegen seiner Kritik
In einer an die ungarische Nachrichtenagentur MTI übermittelten Aussendung betonte Lendvai allerdings, dass er nie etwas gemacht habe, „was gegen die journalistische Ethik verstoßen hätte“. Er verwies dabei auf die Berichte des damaligen ungarischen Geheimdienstes, die ihn als „feindliche Person“ beschrieben hätten, die einer „antikommunistischen und sowjetfeindlichen Tätigkeit“ nachgehe.

In der Aussendung äußerte Lendvai auch offen die Vermutung, dass der Grund für die „skrupellose Hetze“ gegen ihn sein jüngst erschienenes Buch „Mein verspieltes Land“ sei. In dessen letztem Kapitel hatte er sich kritisch mit der neuen rechtskonservativen Regierung unter Viktor Orban auseinandergesetzt.

Weiterlesen:

Der Standard: Rufmord-Kampagne gegen Paul Lendvai – Medium der Regierungspartei Fidesz versucht Lendvai als Informanten der Kommunisten zu diffamieren

Der Standard: Orbáns Machtstrategie. Ungarn und seine „Feinde“ – Mit seinem neuen Buch „Mein verspieltes Land“ hat Lendvai so etwas wie Majestätsbeleidigung begangen.

23.11.:

Pester Lloyd: Rufmordkampagne gegen Publizist Paul Lendvai


Ein Background-Update, 23.11.:

Man kann sich fragen, warum ausgerechnet die Rechtsextremen protestieren wollen, wenn im Ausland Orbán kritisiert wird? Könnte ihnen doch eigentlich in den Kram passen. Aber denen geht es nicht darum, Orbán zu verteidigen, im Gegenteil.

Wenn ungarische Nazis im Ausland durch bizarre Auftritte auf sich aufmerksam machen, dient das meist der ungarischen Innenpolitik, wie man es von den Jobbik-Abgeordneten im EU-Parlament kennt.  Offenbar geht die angekündigte Störungsaktion von der Jobbik-nahen „Nationalen Rechtsschutzstiftung“ (Nemzeti Jogvédő Alapítvány) aus, der Rechtsvertretung der (verbotenen) Ungarischen Garde und des wegen Terrorismusverdacht inhaftierten Rechtsextremen György Budaházy. Prominenteste Mitglieder dieser Stiftung sind der Jobbik-Jurist und Parlamentsabgeordnete Tamás Gaudi-Nagy und die Jobbik-EU-Abgeordnete Krisztina Morvai. Vorsitzender des Stiftungskuratoriums ist der Jurist Zsolt Zétényi, der Anwalt von Sándor Képíró. Das ist der Naziverbrecher, der den Nazijäger Efraim Zuroff wegen Beleidigung verklagt hat. (Mehr dazu siehe
CONVICTED HUNGARIAN NAZI WAR CRIMINAL SUES SWC NAZI HUNTER
sowie  Jüdische Allgemeine,Deutsche Welle)

Die Ungarische Nachrichtenagentur MTI veröffentlichte am Montag eine Presseerklärung der „Nationalen Rechtsschutzstiftung“ mit dem Titel „Kann Paul Lendvai seine Diffamierungskampagne gegen die Ungarische Nation und Ungarn ungehindert fortsetzen?“ (Ja, das veröffentlichen die da einfach so.)

Darin heißt es:

(…) Lendvai behauptet in seinem Buch „Mein verspieltes Land: Ungarn im Umbruch“, daß der Fidesz-Erfolg zum Ausbau einer totalen Macht führt, daß Ungarn sich auf dem Weg in die Vergangenheit befindet (…) und im heutigen Ungarn der Antisemitismus, Rassismus und Chauvinismus fröhliche Urständ feiern. Nach der Buchvorstellung in Salzburg am 21. Oktober und am 9. November in Zürich stetzt Paul Lendvai am 24. November in Frankfurt seine Diffamierungskampagne gegen Ungarn mit einem Diskussionsabend fort.

Auf den ersten beiden Veranstaltungen protestierte mit Ausnahme der Ungarn vor Ort niemand, weder die ungarische Diplomatie, noch die ungarischen Medien, noch die westeuropäischen ungarischen Organisationen, die vor dem deutschen Publikum entschieden gegen die Diffamierung der ungarischen Nation, Lendvais Verzerrungen, Lügen und Verleumdungen hätten auftreten können. Die Frage ist nun, wie die ungarischen Behörden, die ungarischen Medien und die ungarischen Organisationen in Deutschland auf die erneute Provokation reagieren werden? Die Frage ist, ob die Anwesenden auf der Veranstaltung in Frankfurt am 24.11. Zeugen der verantwortungslosen Gleichgültigkeit sein werden? Interessieren sich die ungarischen nationalen (lies: Fidesz-nahen) Medien wirklich nicht für Lendvais Lügen und seine Negativdarstellung Ungarns, und wie das in den westlichen Medien erscheint? Auf all das bekommen wir schon bald die Antwort!

Das klingt mir ganz so, als hätten die da ein „Medienereignis“ geplant, allerdings weniger für die Anwesenden und die deutsche Presse, sondern vor allem für die Fidesz-Medien zu Hause. Denn die werden den Vorfall vermutlich ignorieren, und dann werden Jobbik Orbáns totalitäre Medienpolitik anprangern und die ungarische Regierung als „Handlanger der jüdischen Weltverschwörung“ verkaufen, wie man das von ihnen kennt.

Der übliche Zirkus eben, nur diesmal im Ausland.

Update 26.11.: Inzwischen ist zumindest klar, daß hinter den Protesten in Zürich der „Weltbund der Ungarn“ steckt.

Lendvai vermutet, daß es in Frankfurt dieselben Leute waren, gefunden hier:

Bei der Präsentation seines Ungarn-Buches „Mein verspieltes Land“ in Zürich kam es zu heftigen Demonstrationen; wenig später musste eine Veranstaltung in Frankfurt wegen massiver Drohungen gegen Lendvai abgesagt werden. „In Zürich waren es Leute vom Weltbund der Ungarn, das ist eine extrem rechts stehende Organisation von Emigranten. In Frankfurt wollten wahrscheinlich die gleichen Leute etwas unternehmen. Es gab Drohungen vor allem in Internetforen und per Telefon, mit dem Argument, man müsse meiner ,anti-ungarischen Hetze‘ Einhalt gebieten. Schließlich hat die Heinrich-Böll-Stiftung die Veranstaltung abgesagt, weil sie meine Sicherheit nicht gewährleisten konnte.“


27 Kommentare leave one →
  1. 22. November 2010 20:04

    14. Kapitel: Sieger im Endkampf – Orbán über alles

    „Ordinärer Gehorsam gegen irgendwie zur Macht Gekommene findet sich bald.“ Jacob Burckhardt

    Der überwältigende Fidesz-Sieg bei der Parlamentswahl von April 2010 hat in Ungarn die Weichen für ein völlig neues System gestellt. Ministerpräsident Viktor Orbán nennt es das „System der Nationalen Zusammenarbeit“ und lässt den schwülstigen Text des Manifests über die „Revolution an den Urnen“, von seiner Zweidrittelmehrheit gehorsam bewilligt, in allen Ämtern (in einem 50 mal 70 Zentimeter großen Glasrahmen) aushängen. Kritiker sprechen von dem unaufhaltsamen Gang in Richtung einer autoritären Ordnung, einer Politik der starken Hand, die die 1989-1990 eingebauten demokratischen Sicherungen und verfassungsmäßigen Grenzen der Macht im Blitztempo aus dem Weg räumt.

    — Das sind die ersten Zeilen des letzten Kapitels. Von „totaler Macht“ ist hier zwar nicht die Rede, aber schmeichelhaft sind die Zeilen trotzdem nicht.

    In Frankfurt und Umgebung gibt es relativ viele Ungarn. Ich hätte erwartet, dass Ungarn im Ausland einen kritischeren Blick auf die Geschehnisse in der Heimat haben, aber vielleicht ist kurucinfo deren einzige Informationsquelle in der Fremde…

  2. zeitungsleser permalink
    23. November 2010 22:53

    Man hat den Eindruck, dass die Onlinezeitung bei Ihnen Anregung für ihre Artikel holt.

    Sie könnten anfragen, ob sie als Journalist bei der Zeitung arbeiten dürften.

  3. Wolfgang Barina permalink
    24. November 2010 09:41

    Ist es möglich hier schnell und genau zu informieren, wer hier wen genau wie bedroht hat?

    Ich war heute früh einigermaßen geschockt, in der Frankfurter Rundschau zu lesen, dass die Heinrich-Böll-Stiftung die Veranstaltung mit Lendai und Dalos in Frankfurt am 24.11. abgesagt hat. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Die Absage nebst Begründung selbst und zweitens die Tatsache, dass über den Termin wohl erst prominent(er) berichtet wird, weil er abgesagt wurde.

    Wie kann man es schaffen, die notwendige Debatte auch außerhalb Ungarns prominent zu etablieren und damit einen auch für Ungarn spürbaren gesellschaftlich-politischen Gegendruck zu erzeugen, der ihnen realistisch wiederspiegelt, auf welchem Geisterfahrertrip sich ein großer Teil der ungarischen Gesellschaft derzeit ganz offensichtlich befindet? Und zu den Drohungen: wie können die so wirksam über die Grenzen „durchgreifen“, dass hier in Deutschland Diskussionsveranstaltungen abgesagt werden? Da wäre es schon wichtig genau darauf zu schauen, was genau vorgefallen ist und wie es zu der Absage kam.

    Ergänzen möchte ich, dass die Diskussion solcher Fragen – und weiterer in diesem Blog aufgeworfener – auch mir ein großes Anliegen ist. Hintergrund natürlich: Langjährige familiäre Beziehungen nach Ungarn, lebe dort gelegentlich auch auf dem Land und in der Hauptstadt. Bin überfahren von den Entwicklungen der vergangenen Jahre, fühle mich hilflos, weil in Ungarn selbst wegen der sprachlichen Grenzen, fehlender Gesprächs- und Streitkultur und überhaupt wegen der gar nicht erst vorhandenen zivilgesellschaftlichen Tradition kein konstruktiver Dialog möglich zu sein scheint. Gleichzeitig findet das Drama in Deutschland überhaupt nicht statt, weder in den Medien, noch in der Politik. Man hängt mir seinen Gedanken völlig im luftleeren Raum. In diesem Sinne erkläre ich mich voll inhaltich solidarisch mit dem Anliegen dieses Blogs.

    Beste Grüße
    Wolfgang Barina

    • pusztaranger permalink
      24. November 2010 10:34

      „Ist es möglich hier schnell und genau zu informieren, wer hier wen genau wie bedroht hat?“

      Ich weiß auch nicht mehr, als ich im Netz gefunden und gepostet habe. Was da genau war, wissen wohl nur die Veranstalter. Wenn ich im ungarischen Netz was dazu finde, mache ich ein Update, aber konkrete Infos werden die rechtsextremen Seiten auch nicht bringen. (Ich wünschte mir ja, die wären so blöd…)

      „Und zu den Drohungen: wie können die so wirksam über die Grenzen „durchgreifen“, dass hier in Deutschland Diskussionsveranstaltungen abgesagt werden?“
      Jobbik-Sympathisanten sind international gut vernetzt, und in Frankfurt leben offenbar viele Ungarn. Ich weiß nicht, was die vorhatten, vielleicht wäre es dabei geblieben, daß sich ein paar Hanseln mit Transparenten vor den Eingang stellen wie in Zürich neulich, aber die wollten wohl einfach nichts riskieren.
      Morgen ist Lendvai in Berlin, und da kommt man nur mit Anmeldung rein.

      Ansonsten geht’s mir da genau wie Ihnen. Darum mache ich den Blog.

      • pusztaranger permalink
        24. November 2010 11:54

        Heinrich-Böll-Stiftung Hessen:

        „Nachdem wir von verschiedenen Seiten davor gewarnt wurden, dass es bei der Veranstaltung in Frankfurt am Main morgen möglicherweise nicht nur bei Demonstrationen gegen die Veranstaltung und gegen Herrn Lendvai bleiben wird (wie das in Zürich vor kurzem der Fall war), sondern dass evtl. auch mit Tätlichkeiten gerechnet werden müsse, hat sich die Heinrich-Böll-Stiftung Hessen in enger Absprache mit den an der Veranstaltung Beteiligten entschlossen, die Veranstaltung abzusagen, weil wir die Sicherheit von Paul Lendvai nicht gewährleisten können.“
        http://www.hbs-hessen.de/singleview.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=334&cHash=48ace080798b39c29bff115425234147

      • Wolfgang Barina permalink
        25. November 2010 10:37

        Interessanterweise war Lendvai heute morgen im Radiointerview (Hessischer Rundfunk, 2. Programm) erstaunlich gelassen und um jede Form von Objektivität bemüht. Auf die abgesagte Veranstaltung und die Bedrohung wurde überhaupt nicht eingegangen. Bei der von der Interviewerin erfragten Einschätzung „was da gerade in Ungarn los sei“ und „warum sein Buch so einen Wirbel macht“ blieb er extrem sachlich und hat sogar im freundlichen Plauderton versucht gegenüber Orbán/Fidesz neutral zu bleiben („ein höchst talentierter Machtpolitiker“), dem er allenfalls noch zuschreiben wollte, dass er die ganz Rechten (Jobbik) isoliert oder eben „inhaliert“ (O-Ton Lendvai) habe. Und auch nur in dieser indirekten Zusammenhang wurde Jobbik überhaupt erwähnt. Dann hat er ausgeführt, dass nach der Wende – wer auch immer in der Regierung war – die wirtschaftlichen Probleme nicht gelöst werden konnten und spätestens seit 2008 eine allgegenwärtige Korruption und das endgültige Versagen der „politischen Kaste“ (ausdrücklich ALLE eingeschlossen) die vorübergehenden Untergang aller Hoffnungen bedeutet haben. Konsequenz: starker Mann gefragt, starker Mann kommt, Wahlsieg. Interessant, dass er auch da noch Orbán konzidiert, dass er äußerst geschickt die Lage erkannt hat und ihm die große Mehrheit der Bevölkerung derzeit absolut vertraut, als wolle er ihn gewissermaßen vom Vorwurf der Verführung, Demagogie, Manipulation und Arglist befreien. Klar ist das rein logisch und rethorish ok, die Leute haben den Fidesz ja gewählt, aber es klingt schon seltsam, wenn in der aktuellen Situation das gerade Lendvai so sagt. Man könnte beinahe ein gewisse Anerkennung für den tapferen und gewieften Gegner herausgehört haben …. Das ist absolut eine völlig subjektiver aus-dem-Bauch-Gedanke. Aber irgendwie habe ich schon beim Lesen von „Die Ungarn“ immer das Gefühl gehabt, ich würde gerne mal wissen, was er jetzt genau sagen will, vor allem wenn es um Einschätzungen und Bewertungen von politischen und Personen geht.
        Bevor ich mich da vertiefe erstmal schöne Grüße!
        Nehmt mit, dass er heute früh im Radio war.
        Wolfgang

    • T. Sanyi permalink
      24. November 2010 13:18

      Möchte mich dem Beitrag von Wolfgang Barina anschließen, dessen Formulierungen auch sehr gut meine Lage widerspiegeln („man hängt mit seinen Gedanken im luftleeren Raum“ – seit Wochen gefühlt, jetzt auf den Punkt gebracht – Danke!). Habe in Ungarn gelebt und auch familiäre Bande nach Ungarn geknüpft. Mir liegen daher Land und Leute am Herzen und stehe den Entwicklungen fassungs- und hilflos gegenüber. Aufgrund begrenzter Ungarischkenntnisse dazu angewiesen auf Berichte aus mindestens dritter Hand (in diesem Sinne auch ein GROSSES Dankeschön an pusztaranger für den Blog!!!).

      Ich würde sogar gerne noch einen Schritt weiter gehen und nicht nur fragen, wie man die notwendige Debatte „auch“ außerhalb Ungarns führen kann, sondern wie sich diese verschränken lassen. Expats in Ungarn, Ungarn im Ausland, Leute wie wir außerhalb Ungarns mit engen Beziehungen dorthin… Wie kann – gerade in Ermangelung der diagnostizierten “ fehlenden Gesprächs- und Streitkultur und überhaupt wegen der gar nicht erst vorhandenen zivilgesellschaftlichen Tradition“ – eine Diskussion über grundlegende Fragen gestartet werden, ohne mit einem erhobenen Zeigefinger aus dem Ausland zu kommen und als „Besserwessi“ dazustehen?

      Nachdenklich, unruhig, besorgt aber immer noch nicht hoffnungslos,

      T. Sanyi

      • zeitungsleser permalink
        24. November 2010 21:24

        http://pbworks.com/content/personal+overview?utm_campaign=nav-tracking&utm_source=Home%20navigation

        Ich würde da ein kostenloses Wiki vorschlagen, in der gemeinsamer an dieser Sache gearbeitet werden könnte. Entweder offen für jeden zugänglich oder beschränkt für einen gewissen Personenkreis. Die einzelnen Bereiche können auch einzeln eingestellt werden.

        Nur ein Vorschlag.

      • Wolfgang Barina permalink
        25. November 2010 12:46

        Auf den Vorschlag von „Zeitungsleser“ (unten) und die Anmerkugnen von T. Sanyi, sich zusammenzutun möchte ich gerne eingehen: persönlicher Austausch, Diskussion etc. Habe jetzt selbst keinen Vorschlag, wie man das organisiert, würde mich aber beteiligen. Was ein Wiki gegenüber dem Blog hier an Mehrwert bringt, kann ich auf die Schnelle nicht einschätzen. Wenn man den Zweck der Sache mal genauer überdenkt und was gewährleistet werden soll (teilweise geschützter Bereich u.ä.) kann es ja aber vielleicht auch was anderes sein. Nebenbei: etwas größeres aufzuziehen braucht sicher auch eine kritische Masse an Teilnehmern. Wieviele und welche Leute sich beteiligen würden, ist mir aber völlig unklar. Das könnte ja vielleicht pusztaranger mal freundlicherweise einschätzen, wieviele Personen mit welchen Anliegen hier unterwegs sind. Platt gesagt: vielleich reicht ja auch ein 4-wöchentlicher Stammtisch (in Frankfurt???? das scheint mir irgendwie das Epizentrum der Bewegung hier?) oder vorerst eine einfache Mailgroup.

      • pusztaranger permalink
        26. November 2010 12:11

        Finde ich klasse, daß so viel Interesse an Vernetzung da ist.

        „Nebenbei: etwas größeres aufzuziehen braucht sicher auch eine kritische Masse an Teilnehmern.“
        Nicht unbedingt. Man kann auch klein anfangen, und wenn die Inhalte gut sind, läßt sich im Netz Unterstützung mobilisieren.

        „Das könnte ja vielleicht pusztaranger mal freundlicherweise einschätzen, wieviele Personen mit welchen Anliegen hier unterwegs sind.“
        Kann ich leider nicht. Ich sehe an der Blogstatistik, daß das Interesse ständig steigt (über 30 200 Aufrufe seit Juli 2009, derzeit über 300 Aufrufe pro Tag), und auch, wer mich verlinkt, aber ich kann nicht einsehen, woher die Zugriffe kommen und wie sich das geografisch verteilt. Regelmäßige Kommentatoren habe ich insgesamt etwa 10 Leute. Soweit ich weiß, sind die aus München, Franken, Wien, Budapest, bzw. Österreich und Ungarn – und jetzt auch Frankfurt. Meine Facebook-Freunde scheinen auch eher verstreut zu wohnen.

        Ich könnte mir vorstellen, daß es Leute gibt, die hier bisher stumm mitlesen und sich gern aktiver einbringen würden, wenn es ein entsprechendes Angebot gibt. Mein Vorschlag wäre, hier erstmal eine extra „Vernetzungsseite“ einzurichten (damit die ganze Diskussion nicht an diesem einen Artikel hängen bleibt), und dort können wir dann überlegen, wie wir das konkret machen. Vermutlich wäre eine Forumsseite oder Facebook-Gruppe ein gutes Format dafür. Das selber einzurichten und zu betreuen fehlt mir die Zeit, ich habe mit dem Blog schon genug zu tun. Aber wenn sich jetzt wer angesprochen fühlt, so etwas einzurichten, würde ich das hier promoten und mich auch selbst beteiligen.

      • pusztaranger permalink
        26. November 2010 12:46

        Und voila:
        https://pusztaranger.wordpress.com/forum-vernetzung/

    • pusztaranger permalink
      26. November 2010 21:47

      Von heute:

      (…)
      Bei der Präsentation seines Ungarn-Buches „Mein verspieltes Land“ in Zürich kam es zu heftigen Demonstrationen; wenig später musste eine Veranstaltung in Frankfurt wegen massiver Drohungen gegen Lendvai abgesagt werden. „In Zürich waren es Leute vom Weltbund der Ungarn, das ist eine extrem rechts stehende Organisation von Emigranten. In Frankfurt wollten wahrscheinlich die gleichen Leute etwas unternehmen. Es gab Drohungen vor allem in Internetforen und per Telefon, mit dem Argument, man müsse meiner ,anti-ungarischen Hetze‘ Einhalt gebieten. Schließlich hat die Heinrich-Böll-Stiftung die Veranstaltung abgesagt, weil sie meine Sicherheit nicht gewährleisten konnte.“
      (…)

      http://kaerntenlaeuft.at/nachrichten/politik/2573595/lasse-sicher-nicht-mundtot-machen.story

  4. zeitungsleser permalink
    24. November 2010 12:49

    Diese Erklärung hab ich doch schon mal gehört! Genau, damals als der ungarische Präsident Solyom in Komarom über die Brücke nach Komarno wollte. Die Einreise in die Slowakei wurde dem Präsidenten verwehrt, weil seine Sicherheit nicht gewährleistet werden konnte.

    • pusztaranger permalink
      24. November 2010 16:16

      Ich sehe schon, Sie haben Insiderinformationen.

  5. Christian permalink
    24. November 2010 18:45

    Wie ich heute aus verlässlicher Quelle erfahren habe, konnte die Sicherheit nicht gewährleistet werden, weil die Frankfurter Polizei nicht überzeugt war, dass eine Gefährdung vorliegt. Deswegen haben sie den „Polizeischutz“ verwehrt.

    • pusztaranger permalink
      25. November 2010 10:24

      Ich hab noch das hier gefunden:

      Drohungen von rechts: Diskussion abgesagt
      Frankfurt Nach Gewaltdrohungen hat die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung einen für gestern geplanten Diskussionsabend an der Frankfurter Goethe-Universität zum politischen Rechtsruck in Ungarn abgesagt. Die Anfeindungen richteten sich gegen den in Budapest geborenen österreichischen Publizisten Paul Lendvai, sagte Stiftungsreferent Ralf Zwengel.
      Der 81-Jährige habe wegen zahlreicher aggressiver Mails aus dem rechtsextremen Spektrum Deutschlands und anderer Länder um Polizeischutz gebeten. Dies sei jedoch aufgrund der derzeitigen Sicherheitslage abgelehnt worden. epd
      http://www.main-netz.de/nachrichten/region/frankenrhein-main/franken-kurz/art4006,1435061

    • pusztaranger permalink
      26. November 2010 11:44

      Lendvai dazu im Interview:

      „Man hat Angst vor meinem Buch“
      (…)
      ÖSTERREICH: Weshalb wurde Ihre Lesung in Frankfurt abgesagt?
      Paul Lendvai: Die Böll-Stiftung hat die Veranstaltung gecancelt, weil sie keinen Polizeischutz bekam. Deshalb konnten sie angesichts der bedrohlichen Anrufe und Mails meine Sicherheit nicht garantieren.

      ÖSTERREICH: Gab es tatsächlich Morddrohungen?
      Lendvai: Es waren jedenfalls keine freundlichen Äußerungen!

      ÖSTERREICH: Was ist der tiefere Grund der Angriffe?
      Lendvai: Man hat Angst vor meinem Buch … Ich hab’ ja nichts angestellt. Aber es gab auch in dieser antisemitisch aufgeheizten Stimmung Angriffe gegen den Nobelpreisträger Imre Kertész, gegen Péter Nádas und Péter Esterházy. Nur wäre ich – wie diese rechtsextreme Zeitung geschrieben hat – besonders „arrogant“, weil ich im Ausland lebe. Sie wollen den Spiegel zerbrechen, den man ihnen zeigt. Mich erinnert das an ein bizarres Ionesco-Stück.

      ÖSTERREICH: Wie geht es in Ungarn weiter?
      Lendvai: Alarmierend  … Sie haben den international bekannten Dirigenten Adam Fischer hinausgeschmissen. Sie haben den Generaldirektor der Budapester Oper gefeuert. Sie wollen jetzt den Direktor des Nationaltheaters erledigen, weil er eine rumänische Veranstaltung erlaubt hat. Neun oder zehn Leute schmeißen sie vom Philosophischen Institut der Akademie hinaus. Also, es findet eine allgemeine „Säuberung“ statt.

      ÖSTERREICH: Was wird Ihnen konkret vorgeworfen?
      Lendvai: In Zeitungen sagen sie, ich wäre ein Wiener Spion. Ich hätte ein Doppelleben geführt und wäre mit dem Regime eine Symbiose eingegangen. Das ist lächerlich! Und ich werde mich nicht mundtot machen lassen.

      http://www.oe24.at/kultur/Man-hat-Angst-vor-meinem-Buch/11189932

  6. terrier permalink
    26. November 2010 13:00

    Herr Lendvai schreit laut : „«Alles hat damit angefangen, dass der zurückgeschlagen hat.»

    Wer Kertesz gelesen hat : http://www.welt.de/die-welt/kultur/literatur/article5116030/Ich-schreibe-keine-Holocaust-Literatur-ich-schreibe-Romane.html
    Oder PL-s Aussage : „weil er eine rumänische Veranstaltung erlaubt hat “ liest und nicht fragt
    was für welche rumänische Veranstalltung ? und nicht sieht wer zuerst und weshalb schlägt, der ist selber schuld.

  7. terrier permalink
    27. November 2010 13:25

    ich muss vorsichtig sein, nict dass jemand meine Meinung als Drohung findet…
    also zum 1. Dezember nochmals: „“. Am 1. Dezember 1918, proklamierte die große nationale Versammlung in Alba Iulia die „Vereinigung aller Rumänen aus Siebenbürgen, dem Banat, Crisana und Maramures mit Rumänien für alle kommenden Zeitalter“. Die rumänischen Kräfte aus Siebenbürgen drangen in Ungarn ein im Jahre 1919 ein“
    Für DEN 1. Dezember hat Herr Alföldy DAS Theater , das Nationaltheater für die rumänische Jubelveranstaltung zur Verfügung gestellt.
    Nach Empörung, hat Herr Alfödy seine Zustimmung zurückgenommen: „“Sajnos rosszul mértem fel azt, hogy ezen döntésem félreérthető, és ezzel sok magyar ember érzését megsértem“ übersetzung von mir “ Leider ,dass meine Entscheidung falsch verstanden sein kann und dadurch die Gefühle vielen Ungarns !! verletze, habe ich falsch abgewogen.
    Ende der Übersetzung

    Die Tatsache , daß Herr Alföldy nicht wie ein Ungar fühlen kann, ist gegeben. Es ist nicht schön von einem Direktor des Ungarischen Nationaltheaters, aber so ist mal eben. Herr PL erwähnt nicht das Datum und bagatellisiert die Ursachen .Er tut so, als die Rumänen an einem beliebegen Tag eben mal eine Briefmarkenaustellung machen wollten. Er will den Eindruck erwecken, daß Herr Alföldy, genauso wie er PL, wegen seines jüdischen Herkunfts attakiert worden sei. Das ist nicht wahr. Lügner,Kollaboratoren und Verräter werden heute nicht mehr gemocht und das tut ihm weh.

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