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UEFA-U-19-Europameisterschaft 2014 in Orbáns Stadion in Felcsút

27. Juni 2013

Viktor Orbán baut sich aus Steuergeldern ein Fußballstadion mit 3500 Plätzen direkt neben sein Haus in seinem Heimatdorf Felcsút mit 1800 Einwohnern. Man fühlt sich an Ceaușescus Stadion in Scornicești erinnert; anders als dieses sind  Felcsút und Umgebung aber auch für nationalen und internationalen Fußballtourismus angelegt: Im Juli 2014 soll dort die Endrunde der 30. U-19-Europameisterschaft ausgetragen werden. Die  touristische Infrastruktur wird derzeit von Orbáns Familie und Vasallen gebaut.

Topographien der Macht in Ungarn: Vor der Haustür seines Landhauses in Felcsút (vorn im Bild) lässt Viktor Orbán für 13 Millonen Euro ein Fußball-Stadion für 3.500 Zuseher bauen. Orbáns Herkunftsort hat 1.800 Einwohner. Der FC Felcsút schaffte in dieser Saison den Aufstieg in die ungarische Erste Liga. Der Verein und die mit ihm verbundene „Ferenc-Puskás-Fußballakademie“ erhalten viel Geld von staatsnahen Unternehmen und Orbán-nahen Oligarchen [Sponsoren der Puskás-Akademie sind u.A. Közgép, OTP, MOL und CBA, vollständige Liste hier]. dpa-Korrespondent Gregor Mayer, Facebook

Das Stadion kostet 3,5 Mrd. Forint, wovon die Stiftung der Fußballakademie „nur“ 800 Mio. selbst tragen muss (Pester Lloyd). Die Bauarbeiten begannen zeitgleich mit einer Änderung des Steuergesetzes, wonach die Förderung „spektakulärer Teamsportarten“ aus der Unternehmenssteuer zu 70% absetzbar ist. Seit 2011 steht der FC Felcsút bei der staatlichen Sportförderung an erster Stelle, vgl. Pester Lloyd:

felcsut_tao

Unterstützung 2011/2012, atlatszo.hu

(vgl. auch atlatszo.hu, atlatszo.hu, Blikk, origo.)

Das Gelände von Akademie und Stadion liegt unmittelbar neben Orbáns Haus:

(1) Puskás-Akademie, (3) Stadion, Grundstück im Besitz der Stiftung des Ministerpräsidenten, (4) Sportplätze, Grundstück im Besitz der Stiftung des Ministerpräsidenten, (5) Grundstück von Orbáns Gattin Anikó Lévai, (6) Haus des Ministerpräsidenten. (atlatszo.hu)

Tourismus und Infrastruktur

Um Akademie und Stadion touristisch attraktiv an den Nahverkehr anzubinden, kaufte Orbáns Stiftung 2009 von den Ungarischen Staatsbahnen die relevante Teilstrecke der 1979 aufgegebenen Schmalspurbahn Bicske-Székesfehérvár samt Gebäuden, und baut sie derzeit wieder auf; geplant sind „Nostalgiezüge“. Die Strecke (laut Google ca. 14 km, Luftlinie kürzer) soll von Bicske (A) über Felcsút (B) zum Arboretum im benachbarten Alcsútdoboz (C) führen, einem Naturschutzgebiet, das 2010 von Orbáns Stiftung übernommen und seit 2010 mit  200 Mio. HUF staatlichen und EU-Geldern renoviert  wurde (vgl. atlatszo.hu); dort betreibt Orbáns Stiftung das offizielle Ferenc-Puskás-Sporthotel. Eine weitere historische Immobilie in Felcsút, der frühere Gutshof des Erzherzogs József Nádor, der ebenfalls zum Hotel ausgebaut wird, befindet sich seit 2011 im Besitz der Firma von Orbáns Vater, siehe Pester Lloyd: Vetternwirtschaft rund um den Premier von Ungarn zieht weitere Kreise.

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Der Bahnhof von Felcsút, vor- und nach der Renovierung (von Hungarian Spectrum: Generous gifts with government assistance to Viktor Orbán’s football academy,  October 9, 2012 )


Somit gehören sämtliche größeren touristischen Einrichtungen in unmittelbarer Nähe der Akademie, des Stadions und der Schmalspurbahn Orbáns Stiftung, Mitgliedern seiner Familie bzw. dem Vorsitzenden der Puskás-Akademie und Bürgermeister von Felcsút, Lörinc Mészáros (er besitzt in Felcsút auch eine Pizzeria, vgl. NOL, Pester Lloyd: Die Junker von Felcsút. Eine Pacht- und Machtfrage: Ungarn auf dem Weg in den Feudalstaat?) Auch ein geplantes Freizeitzentrum im nahegelegenen Dorf Csabdi gehört zum direkten Einflussbereich der Familie Orbán; die Inhaberin wurde, wie auch Mészáros, vom Nationalen Bodenfonds bei der Landvergabe überproportional bevorzugt (atlatszo.hu).

Internationaler Fussballtourismus

Das Stadion soll im April 2014 (an Ostern, zeitnah zu den Wahlen) eröffnet werden; im Juli 2014 soll dort die Endrunde der 30. U-19-Europameisterschaft ausgetragen werden, so der Sprecher der Puskás-Akademie György Szöllösy (hier im Video, 2:47). Gastgeber Ungarn ist als einzige Mannschaft automatisch für die Endrunde gesetzt. (wiki)

Das Video von 444.hu ist bislang der einzige Verweis auf Felcsút als Austragungsort, in den ungarischen Medien ist darüber noch nichts zu finden. Als der Ungarische Fußballverband 2012 Ungarn als Gastgeber bekannt gab, war von Felcsút noch nicht die Rede; als Austragungsorte wurden das Budapester Szusza Ferenc Stadion (13.501 Plätze), das Sóstói Stadion in Székesfehérvár (14.900 Plätze), ETO Park Győr (16.000 Plätze) und das Perutz Stadion in Pápa (ca. 5500 Plätze) genannt (hier und hier). Im Unterschied zu ihnen dürfte das Stadion in Felcsút mit seinen 3500 Plätzen immer ausgebucht sein und spektakuläre Fernsehbilder liefern.

Das Stadion Felcsút früher:


(europlan-online.de)

So soll die Nationale Fussballkathedrale 2014 aussehen (offizielles Video der Puskás-Akademie):

Luftaufnahme der Baustelle:

Historisches Vorbild?

Die Liebe osteuropäischer Diktatoren zum Fußball, 03.02.2011, DIE ZEIT, Christian Schmidt-Häuer

(…) Hinten im waldigen Vorland der Karpaten, in einem Dorf namens Scornicești. Dort war 1918 der rumänische Bauernsohn Nicolae Ceaușescu zur Welt gekommen. Als er in den sechziger Jahren Partei- und Staatschef wurde und sich bald als eine Art Karpaten-Pharao feiern ließ, mussten seine ärmlichen Landsleute und Lastenträger aus dem Nest Scornicești ein Zentrum des Personenkults machen. Der Dorfweg wurde zum »Boulevard des Friedens« mit mehrstöckigen Wohnblocks ausgebaut. Um den Fußballacker wuchs alsbald eine Betonschüssel für 30.000 Zuschauer. 1972/73 wurde der FC Olt aus der Taufe gehoben. Die Partei stand Pate und beorderte Spitzen- und Nationalspieler zur Aufzucht des kleinen Vereins. Schnell kletterte der FC Olt von der letzten bis zur höchsten Spielklasse. Und als es auf diesem Weg, 1979, einmal um das Torverhältnis ging, standen die gegnerischen Spieler von Elekrodul Slatinal Spalier: Ceaușescus Mannen feierten mit 18:0 ein Schützenfest und den nächsten Aufstieg. So wurde Rumänien zum Sinnbild der goldenen Zeit vor den Sportwetten…

Doch dann kam Weihnachten 1989. Zum Ende des Wendejahres stürzte Ceaușescu und mit ihm der FC Olt. Der Diktator wurde erschossen, der Verein aufgelöst. Des Parteichefs liebste Kicker verschlug es in die kapitalistische Welt. (…)

Als ich zehn Jahre nach dem Ende Ceaușescus und des FC Olt wieder Cornicești besuchte, weideten auf der fast nackten Stadionerde ein paar Schafe. In den Katakomben unter den Tribünen für die 30.000 Besucher nähten 80 Frauen Kleidungsstücke für den Export. Fußballtrikots waren nicht darunter. (…)

Ceaușescus Geburtshaus in Scornicesti (Quelle)


(romaniansoccer.ro)

2 Kommentare leave one →
  1. Hunor permalink
    28. Juni 2013 22:01

    Ich bin bestimmt kein Fan von Orban. Auch nicht von Fidesz oder Jobbik. Wenngleich es sicher zu allen Zeiten üblich war, dass Herrscher irgendwelche Bauten zu ihrem Ruhm errichten ließen und Orbán sicher auch nicht uneigennützig handelt, sehe ich den Vergleich mit Ceausescu als deplaziert an. Während Orbán ein intellektuell sehr scharfes Gehirn hat (was selbst sein „Intimfeind“ Schultz, EU-Parlamentspräsident zugegeben hat), waren Ceausescu wie seine Ehefrau nur ungebildete Vollidioten. Ein Personenkult um solche Vollpfosten wie Ceausescu wäre in Ungarn auch undenkbar.

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