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Liebeserklärung an Viktor Orbán, gefördert vom EU-Sozialfonds

16. April 2014

Die  aktuelle Ausgabe des vom Ministerium für öffentliche Verwaltung und Justiz herausgegebenen Monatsmagazins für die Angestellten im öffentlichen Dienst illustriert sehr schön den Propagandacharakter behördlicher Veröffentlichungen unter Orbán – unterstützt vom  Europäischen Sozialfonds.

Der Europäische Sozialfonds (ESF) will bessere öffentliche Dienste und unterstützt „öffentliche Verwaltungen dabei, ihre Dienstleistungen in allen Bereichen effizienter zu erbringen.“ Dies wird in Ungarn implementiert durch das Hungarian State Operational Programme (ungarisch ÁROP) zur Erweiterung der  administrativen Kapazitäten.

Sowohl ESF als auch ÁROP (Sparte 2.2.5. Humanressourcen in der zentralen öffentlichen Verwaltung)  unterstützen  das vom Ministerium für öffentliche Verwaltung und Justiz herausgegebene Gratis-Monatsmagazin „Öffentliche Verwaltung“ („Közszolgálat“, Print und online) für die Angestellten im öffentlichen Dienst.

Dass Veröffentlichungen der ungarischen Regierung heute Parteipropaganda sind, illustriert exemplarisch das Editorial der Aprilausgabe von Chefredakteurin Ildikó H. Petró. Für diese ergreifende Liebeserklärung an Viktor Orbán konnten wir eine professionelle Literaturübersetzerin gewinnen, PR dankt.

közszolgálat

Közszolgálat, 4.Jg., Nr. 4, April 2014, Editorial

(hier)

Zum Gruß – April 2014

Leider kenne ich ihn nicht persönlich. Selbstverständlich würde ich ihn gerne kennen, aber wer würde das nicht. Nach seiner diesjährigen Rede zum 15. März durchströmte wieder einmal eine solche Wärme meine Seele wie am Ende jeder seiner Reden, und nicht unbedingt wegen des Gesagten, denn diese Dinge sind eindeutig, sondern weil er sich, jedes Mal wenn er seine Augenbrauen etwas hochzieht, den Kopf ein wenig verlegen senkt, seine Papiere richtet, bemüht, seine Ergriffenheit zu verhüllen. Denn er ist ergriffen…

Jetzt, nach den Wahlen, da Sie meine Zeilen lesen, kann ich dank „unserer zur Einheit verschmolzenen Kräfte“ bereits stolz aussprechen, dass der Ministerpräsident meiner kleinen, doch zunehmend stärkeren Heimat unverändert der überaus menschliche Viktor Orbán ist.

Ich weiß nicht, wie er seinen Alltag verbringt, denn woher sollte ich das auch wissen, doch was er den Durchschnittsmenschen in den Medien zu sehen erlaubt, ist genau so, wie man es sich vom ersten Mann des Landes erwartet, als würde er Tag für Tag nach den Mahnungen Senecas handeln: „Vergiss nicht: des Menschen würdig musst du leben, um des Tragens dieses hohen Titels würdig zu sein… Rufe dir die Weisheit zur Hilfe. Hüllst du dich in ihre Toga, so schützt sie dich vor dem Übel, in ihrem Heiligtum findest du Sicherheit… Lebe mit edlem Herzen, und lebe mit aufrichtiger Seele! Ohne Parade, ohne Hass leben – und siehe: Dein ist das glückliche Leben.“

Wahrscheinlich hat er aufgrund dieser Denkweise seine Mitarbeiter von ähnlicher Gesinnung angezogen, mit deren Hilfe diese unglaublich vielen guten Maßnahmen und Initiativen realisiert wurden und in Gang kommen konnten, mit denen wir in den vergangenen vier Jahren diesseits und jenseits der Grenzen bereichert wurden und mit denen unsere engere und mit der Zeit vielleicht auch weitere Umwelt vielleicht besser, menschlicher zu werden vermag. Unter diesen können Sie in unserer Aprilausgabe von der Hirnforschung, dem neuen BGB, den Maßnahmen zur Betonung der Wichtigkeit der Nationalpolitik, der GMO-freien Politik unserer Heimat, dem Programm zum Schutz unseres Erbes im Karpatenbecken lesen, um nur einige der Themen zu erwähnen. Im Hinblick auf unsere weiter gefasste Umwelt aber können sie Kenntnis darüber erlangen, wie unsere Forscher den guten Ruf unseres Landes hinaustragen, wie der Wein zu einem Faktor bei der Gestaltung des Landesimages werden kann, und was eine Handvoll Ungarn in New York oder auch in Dubai tun können, um unsere kulturellen Beziehungen auszubauen.

Ich hoffe beim Lesen unserer Artikel schlägt auch dem werten Leser das Herz höher, dass es nämlich gut ist, Ungar zu sein, ganz gewiss, und mit diesem Gefühl können wir alle dem Festtag aller Festtage, dem Osterfest, beruhigt entgegen schauen.

Ildikó H. Petró, Chefredakteurin.

cink.hu kommentiert:

3 Kommentare leave one →
  1. Hunor permalink
    16. April 2014 22:52

    Ich habe Orbán’s Rede zum 15. März (Ungarischer Nationalfeiertag, Andenken an 1848/49) weder gesehen noch gehört. Ich weiß nicht, ob er bei dieser Rede oder anderen Reden mit Ergriffenheit zu kämpfen hatte (dies deutet ja die Chefredakteurin an). Und ich weiß auch nicht, dass – falls es wirklich nach Ergriffenheit ausschaut – dies eine spontane Regung von Orbán ist, oder ein geschickt eingesetztes Mittel der nonverbalen Kommunikation zwecks besserer Einwirkung auf das Publikum. Generell bin ich kein Fan von Orbán (denn ich traue ihm nicht), und erst recht nicht von der FIDESZ (denn ich halte diesen Verein für verlogen, opportunistisch und false-flag-nutzend im Sinne des Nutzens nationalkonservativer Emotionen, aber in Wirklichkeit zum Schaden Ungarns handelnd).

    ABER, falls es sich um eine echte Ergriffenheit handeln sollte und dies natürlich nicht etwa eine Ergriffenheit über die eigene Rede sein sollte (was ja auch denkbar wäre), sondern aus der Betroffenheit von der Rede-Thematik heraus käme, dann steht es niemandem zu, darüber zu lästern, und auch nicht, eine darüber ihrerseits (angeblich) emotional berührte Chefredakteurin herzuziehen und dazu auch noch aus cink.hu die herabsetzende Bildmontur unkommentiert anzufügen.

    Mag sein, dass man als Chefredakteur(in) eines offiziellen Blattes seine persönlichen Empfindungen weniger ausbreiten sollte, aber es ist sicher bei Vielen vorstellbar, dass sie von einer Rede Orbáns ähnlich angesprochen werden, wie diese Redakteurin, und zwar unabhängig davon, wie sie ansonsten sich mit Orbán’s Politik einverstanden fühlen.

    Im Übrigen kann man wohl davon ausgehen, dass in Deutschland kein(e) Zuhörer(in) sich bei gleich welcher Rede aus egal welchem Anlass von welchem Politiker auch immer emotional so angesprochen fühlen würde, dass so etwas wie Rührung aufkäme.
    Einfach deswegen, weil hierzulande kein rhetorisches Talent bei den Politikern vorhanden ist. Man liest vom Teleprompter die vorgekauten Sätze von Ghostwritern ab und benutzt polkorrekten Einheitsbrei, der juristisch unangreifbar sein muss, aber eben nicht die Sprache des Volkes spricht. Es gibt höflichen Beifall (im günstigsten Falle!), aber eben keine Emotionen, es sei denn, man befindet sich beim Politischen Aschermittwoch und es werden in Bierzeltatmosphäre Sprüche rausgehauen. Allerdings wären das dann gänzlich andere Emotionen, auf einem ungleich niedrigeren Niveau und von daher auch nicht vergleichbar.

  2. Don Kichote permalink
    17. April 2014 08:34

    Faszinierend, Chefredakteurin so so, das ist eine Elitetruppe von besonderer Güte. Für die tags, wie wäre es mit Ejakulation? Grüße Don

  3. István permalink
    17. April 2014 14:10

    Bis heute dachte ich, derartige Machwerke würden nur Diktatoren zur Rechtfertigung nötig haben. Aber: morgen wird sich nichts an meiner gestrigen Meinung geändert haben! Es ist nur noch deutlicher geworden, wo Ungarns Reise hingeht.Ein klarer Beweis gegen diejenigen, die glauben machen wollen, Orbán sei nicht anders als Konservative wie Merkel oder Rajoy, Rutte oder Cameron usw. Stellen wir uns nur einmal vor in dem Text stünde Merkel anstatt Orbán und Deutschland statt Ungarn. Es wäre Frau Merkel wohl nicht nur entsetzlich peinlich, solch ein Schreiberling würde zum Gespött der Republik.

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