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Kritik am Mediengesetz: Fidesz mobilisiert auf Facebook

26. Januar 2011

Die internationale Kritik am Mediengesetz entbehrt jeglicher inhaltlichen Grundlage und ist eine organisierte Verleumdungskampagne der international gut vernetzten ungarischen Sozialisten gegen das ungarische Volk. So in etwa äußerte sich Fidesz-Vize Lajos Kósa die Tage in der Presse.

Paar Beispiele:

„Haben die Sozialisten dieses  Chaos („hajcihő”, wer eine bessere Übersetzung weiß bitte melden.)  organisiert? Kósa: Es besteht keinerlei Hinweis darauf, daß das Mediengesetz das Recht auf freie Meinungsäußerung (wörtlich Redefreiheit) verletzt.“ So das Regierungsorgan Magyar Nemzet.

„Kósa: Mediengesetz verletzt Recht auf freie Meinungsäußerung nicht.“ Staatliches Kossuth-Radio.

„Kósa: Die Sozialisten schüren die Unruhe (felhajtás) HírTV.
„Kósa: Die Sozialisten schaden mit den Angriffen auf die ungarische Regierung ihrem Vaterland.“ (Radio Lánchíd)

„Schüren die Sozis das Chaos? Kósa: Die Mónika Show hat mehr Schaden angerichtet als die Ungarische Garde.“ Belföld.ma (Soviel ich weiß, haben Symphatisanten der Mónika-Show noch niemanden angegriffen und umgebracht.)

Die MSZP hat Kósa ein Ultimatum von 24 Stunden gestellt, diese „haltlosen und verleumderischen“ Äußerungen zurückzuziehen, und erwartet eine Entschuldigung,  sonst werden sie rechtliche Schritte ergreifen. (Stop.hu) Das hat Kósa natürlich nicht getan, die MSZP wird also Anzeige erstatten. (Hir24)

„Wir haben genug von dieser Lügenkampagne“ – Fidesz mobilisiert auf Facebook

Lajos Kósa hat die Sozialisten aufgefordert, damit aufzuhören, in der Hoffnung auf die Wiedererlangung ihrer Macht das Land zu diskretitieren. (…) „Darum haben wir letzte Woche die Facebook-Gruppe „Uns reichts“ (Elég, wörtlich: Genug) gegründet, die demonstrieren will, wie satt die Leute die Lügenflut der MSZP haben”. Die Seite hat bereits über 14.000 Mitglieder, fügte er hinzu. (HírTV)

Am 14.1. waren in Budapest über 10.000 Leute für die Pressefreiheit auf der Straße, morgen gibt es die nächste Demonstration, alles organisiert über Facebook. Und die Facebook-Gruppe für die Pressefreiheit hat mehr Mitglieder als die von Viktor Orbán – da mußte wohl etwas getan werden. Der Fidesz-Europaabgeordnete Tamás Deutsch hat dem Wahlvolk schon letzte Woche auf einer Pressekonferenz ans Herz gelegt, der neuen Facebook-Gruppe „Uns reichts“ beizutreten:

„Facebook-Seite der ungarischen Freiheit“

Deutsch sagte dort,  „die politische Lüge töte die individuelle und gemeinschaftliche Freiheit der Menschen, und auch er wolle sich einer Initiative anschließen, die die Freiheit der ungarischen Bürger stärke und garantiere, weshalb er sich der Facebook-Gruppe „UNS REICHTS, Schluß mit den Lügen!“ angeschlossen habe. Er lade jeden ungarischen Demokraten, jeden freiheitsliebenden Menschen, Männer und Frauen, ein, dieser Gruppe beizutreten. Diese Gruppe solle die Seite der ungarischen Freiheit auf Facebook sein. Er wünsche sich, daß innerhalb eines Monats mindestens eine Million Menschen der Gruppe beitreten und sie zur größten Gemeinschaft im ungarischen Facebook wird. Diese Initiative demonstriere, daß in Ungarn Presse- und Meinungsfreiheit herrsche. „Jetzt reicht es wirklich mit den Lügen, die sozialistische und ehemalige liberale Politiker Tag für Tag von sich geben.“ (Népszabadság)

Der Beschreibungstext der Gruppe:

UNS REICHTS! Wir haben genug davon, daß die Sozialisten die Ausländer gegen das Land aufhetzen. Tritt der Gruppe bei, wenn du denkst, daß Schluß sein muß mit den Lügen! HÄNDE WEG VON UNGARN!!!

UNS REICHTS!

Die Sozialisten können sich einfach nicht damit abfinden, daß die Ungarn sie letzten April verjagt haben. Sie haben aus den beiden heftigen Ohrfeigen (Anm.: Parlaments- und Kommunalwahlen 2010) nicht gelernt, die sie von den Wählern bekommen haben.

Uns reichts, daß Gyurcsány & Co genauso weitermachen wie früher. Sie lügen, „Am Morgen, am Abend und in der Nacht“. (Anm.: Zitat aus Gyurcsánys „Lügenrede“)

Uns reichts, daß sie auf organisierte Art und Weise Lügen verbreiten und Ungarn diskreditieren.

Uns reichts, daß die Sozialisten die Ausländer gegen das Land aufhetzen.

Uns reichts, daß die Sozialisten den Erfolg Ungarns wieder und wieder torpedieren!

Tritt der Gruppe bei, wenn du denkst, daß endlich Schluß sein muß mit den Lügen!

Kommentare:

Die Gruppe hat heute schon über 15,200 Mitglieder, die sich auf der Pinnwand nonstop Luft machen; die Kommentare haben folgenden Tenor (nur einige Beispiele vom Sonntag, und gesichtet von diesem Blog):

Die KommentatorInnen erklären ihre Liebe und Treue zu Viktor Orbán

  • „Gott segne unseren Ministerpräsidenten“
  • „Das ungarische Volk kann stolz darauf sein, daß es endlich so einen Ministerpräsidenten hat.“
  • „Viktor Orbán, wir lieben dich und halten zu dir!!!“

Sozialistenbashing á la die Sozis sind Vaterlandsverräter und gehören in den Knast, bis hin zu Morddrohungen:

  • „Ich hoffe, die neue Verfassung bestraft den Vaterlandsverrat! Es sollen nicht viele Sozis auf freiem Fuß bleiben!“
  • „Schluß mit den „Linksliberalen“! Verdammte Vaterlandsverräter! Kann man die nicht einlochen?“
  • „Ich kann es kaum erwarten, daß Fletó (Gyurcsány) und der widerliche Demszky (ehemaliger OB von Budapest) im Knast sitzen, zusammen mit ihren Freunden!“
  • „Schluß mit den Betrügern, Mördern, Dieben. Warum sind Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte nur dazu fähig, Zeit zu schinden, warum wird ihnen nicht kurzer Prozeß gemacht und  ihnen die schwersten Strafen gegeben – vollständige Enteignung und lebenslängliche gemeinnützige Arbeit…“
  • „Ist die Verunglimpfung Ungarns etwa kein Vaterlandsverrat? Und warum nicht? Aber wenn doch, wie kann es dann sein, daß die Täter immer noch au freiem Fuß sind? Man muß nicht quatschen, sondern handeln! An den GALGEN mit denen!!!!!!!!!!“

Auch Rechtsextremes gibt es dort (wenn es gegen die MSZP geht, sind sich Rechte und Rechtsextreme einig):

  • „Am Schlimmsten sind die, die unter Fremden ihre eigene Rasse, ihr eigenes Blut, ihre Nation angreifen“
  • „DÉLVIDÉK!!!!!!! KITARTÁS!!!!!!“ (Délvidék – Südprovinz – ungarisch für die Vojvodina, heute Serbien; „kitartás“, etwa „haltet aus“, ist der Gruß der Pfeilkreuzler.)

Es werden regelmäßig rechtsextreme Videos verlinkt, so eine Dokumentation über Horthy und Gömbös, und ein Musikvideo von Jobbik-Rapper FankaDeli – „Vaterlandslose Verräter /WANTED/“, mit Fotos von linken und liberalen Politikern, steckbriefmäßig. Der Kommentar einer älteren Dame dazu:

  • „So viel Dreck auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen. Die gehören nach Sibirien in ein Arbeitslager.“

Mediales Überschreien

Fidesz instrumentalisiert die ausländische Kritik am Mediengesetz, um im Land gegen die Sozialisten (den „inneren Feind“) zu mobilisieren, sie tun das auf Facebook, und verbreiten den Link über die regierungsnahen Medien. Also nicht nur die Information, sondern auch den Link zu dieser Facebook-Gruppe. Die Propagandatechnik, die hier zur Anwendung kommt, ist das mediale Überschreien – machen Kritiker Unterschriftensammlungen oder bilden Gemeinschaften mit hohen Mitgliederzahlen, sammelt man eben einfach noch mehr Unterschriften, wodurch die Kritik der Gegner automatisch hinfällig wird – denn WIR sind die Mehrheit. (Das ist auch eine Spezialität von Jobbik, siehe mein Post Jobbik gegen Respekt für alle, 2009).

Gefakte Facebook-Profile

Es hat allerdings ein paar Tage gedauert, bis die Propagandamaschine so richtig angelaufen ist. Dem Blog piroslapok.hu ist aufgefallen, daß dem Erfolg der Gruppe offenbar nachgeholfen wird. Unter den Mitgliedern finden sich verdächtig viele Personen ohne Foto und Facebook-Freunde, die in Kommentaren ihre Liebe und Treue zur Orbán-Regierung bekunden und über die Sozialisten herziehen. Auf piroslapok.hu kann man sich eine Screenshot-Sammlung ansehen.

Ungarn im Ausland kritisieren ist Vaterlandsverrat: Orbán 2003

2003 hat Orbán sich an die Centrist Democrat International um Hilfe gewandt, weil die Vorgängerregierung dabei sei, eine Diktatur zu errichten  – in Ungarn herrsche seit dem Regierungswechsel eine Atmosphäre wie in Kuba und Burma, s. Hetek, 2003, und Nyerges András: Ki téveszt össze mit, mivel? auf Galamus.hu. Hier noch eine MTI-Meldung von 2003 (gefunden auf hungaria.org):

Former PM Replies to Foreign Minister Kovacs over CDI Resolution

Submitted by: Webm. on 21st June, 2003 – 08:15#449

Budapest, June 14 (MTI) – Fidesz Chairman Viktor Orban on Saturday called on the chairman of the Hungarian Socialist Party (HSP) to take a stand against Hungarian law violations with respect to human rights.

Orban, Chairman of the opposition Fidesz-Hungarian Civic Alliance and former prime minister (1998-2002), was replying to a letter addressed to him on Friday by HSP Chairman and Foreign Minister Laszlo Kovacs, who called on him to prove the accusations which he „pushed to have passed“ by the Christian Democrat International (CDI).

The CDI executive committee passed a resolution at its Lisbon session on June 4, in which it condemned Hungary for the violation of fundamental political and civic rights, on the proposal of Fidesz.

„We are convinced that the prevailing Hungarian governments are obliged to do their utmost to fully enforce human rights. I hope that in spite of the differences that exist between us regarding principles, ideals and order of values, we agree in this,“ Orban wrote.

„Therefore, I call on you, as Chairman of the Hungarian Socialist Party, to do everything in order to eliminate the violations of human rights, and for the government to fully respect human rights,“ runs the letter.

Orban states several Hungarian and international organisations, including the European People’s Party, had raised their voices because human rights were not, in certain cases, enforced appropriately in the past year.

„Fidesz had also raised its voice in Parliament on several occasion in connection with these concrete issues and for enforcing human rights,“ he wrote.

Orban wrote Hungarian citizens have the right to assembly, to demonstrate, to make banners and leaflets, to know what is going on in the Paks Nuclear Power Plant, and to have a poor opinion about the prevailing prime minister.

It violates the rights of people if their tax data are copied, if state companies are ordered to choose the dailies in which they want to advertise on a political, rather than a business basis, if attacks are launched against various constitutionally independent institutions,“ the Fidesz chairman wrote.

He adds Fidesz discussed the state of human rights at its last congress because „it is the interest of us all that these phenomena be eliminated“.

„The enforcement of human rights cannot be considered the internal affair of any single country in Europe, and this has been the case for decades. It thus is understandable that international attention is focused on human rights issues,“ Orban wrote in his letter to Foreign Minister Kovacs.

Wenn er sowas macht, ist es natürlich ganz was Anderes.

5 Kommentare leave one →
  1. 26. Januar 2011 22:10

    ach, nimmt das denn niemals ein ende? dieses kasperltheater, dieser kindergarten? lustig, daß man wieder auf die mszp einhaut, die eh schon fast inexistent ist. die fidesz wird mit den ohren schlackern, wenn plötzlich eine partei auftaucht, die einen integeren, charismatischen spitzenkandidaten hat, dem man nichts nachsagen kann und nichts anhängen, weil er im ausland aufgewachsen und relativ jung ist. ich hoffe, die mitte-linke seite wird das bald erkennen und beginnen einen politischen widerstand dieser art zu organisieren.

  2. Jean Louis permalink
    27. Januar 2011 00:31

    „HAJCIHŐ“
    a) [sietség, hajtás (pressieren, treiben)] = die HETZEREI
    b) [vitatkozás (Zwiegespräch, Disput)] = das ZANKEN, sHADERN, sSTREITEN

    [Quelle: (nicht spiegelbildlich zitiert und dargestellt) So „belegt“ aus dem MAGYAR NÉMET NAGYSZÓTÁR, (Ungarisch-Deutsches Grosswörterbuch…. mit Neuer Rechtschreibung)]

    Mehr schreib‘ ich nicht hinzu…
    Ausser vielleicht, dass Kósa Lajos sich weit aus dem Fenster lehnt…
    Vielleicht wittert er eine weitere Chance…
    Nach bald 16 Jahren als FIDESZ-Bürgermeister der zweitgrössten Stadt Ungarns… wünscht er sich möglicherweise – vorzeitig (vor 2014) – etwas Luftveränderung.

    Ansonsten gilt weiterhin der Spruch (s. Zitate z.B. aus 2003!):
    WAS KÜMMERT MICH MEIN GESCHWÄTZ VON GESTERN?! HEUT‘ IST HEUT‘!
    (Bildungslücken vorbehalten: Adenauer, Konrád-Kancellár… Deutsch-LAND… kurz nach dem „DESASTER“…)

  3. anonymous permalink
    27. Januar 2011 10:02

    Könnte man so weit gehen und sagen, dass Fidesz nicht mehr eine demokratische Partei ist? Vielleicht geht dies schon zu weit, aber was man sagen kann, sie spaltet das Land in Vaterlandsveräter und Patrioten, verdreht die Wahrheiten nach ihrem Sinn und belügt demnach die Bürgerinnen und Bürger.

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