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Minister Réthelyi: Imre Kertész und der homosexuelle Thomas Mann dürfen Teil der ungarischen Abiturprüfung bleiben

9. Mai 2011

Der Jobbik-Abgeordnete Zsolt Németh hat bei Miklós Réthelyi, Minister für Nationale Ressourcen, angefragt, ob die Regierung konkrete Schritte unternehmen werde, um „magyarenfeindliche, Haß verbreitende Autoren“ aus dem Literaturlehrplan für das Abitur zu entfernen (Parlament.hu).

Konkret genannt werden György Spíro* und besonders „jener Imre Kertész, der in seinem berüchtigten Interview Budapest auf skandalöse Weise darstellte und darum bat, nicht mehr zum Ungarn gestempelt zu werden.“

Damit bezieht Németh sich auf das Kertész-Interview in der Welt: „In Ungarn haben Antisemiten das Sagen“ von 2009.

Für die ungarischen Rechten und Rechtsextremen sind Kertész und Spíró  in erster Linie „jüdische“ Autoren und „Vaterlandsverräter“. Beispiele aus diesem Blog (2009): Bücherverbrennung II: Schriftsteller als Vaterlandsverräter, sowie Rechter Kulturkampf in Ungarn: Zensur und Bücherverbrennung?.

Und nun will Jobbik den Lehrplan von diesen Elementen „säubern“:

Németh empfiehlt, Imre Kertész‘ Bitte nachzukommen, „vorerst (sic!) nicht durch die Aberkennung der Staatsbürgerschaft“, sondern durch die Streichung dieser „offen magyarenfeindlichen, das Ungarntum verunglimpfenden“ Autoren aus den Prüfungsthemen für das Abitur, da sie nicht würdig seien, Teil der Abiturprüfung zu sein.

Minister Réthelyi antwortete so (Parlament.hu):

„Mit den Äußerungen der von Ihnen erwähnten zeitgenössischen Autoren ist auch die Regierung nicht einverstanden. Jedoch wollen wir nicht die Erben der (…) Diktatur mit ihren politisch motivierten Kunstsäuberungen sein. Tatsächlich werden wir noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte warten müssen, bis der eventuell vorhandene ästhetische und moralische Wert – oder die Wertlosigkeit in beider Hinsicht – sich endgültig von unserer momentanen historischen Sensibilität abgelöst haben.“

Sprich, noch muß man leider aus Gründen der historischen Sensibilität Rücksicht nehmen, aber in ein paar Jahrzehnten dürfte sich das dann auch erledigt haben.
Die Rechtsextremen „übersetzen“ den letzte Satz so, daß der Literaturkanon momentan von der historischen Sensibilität der „Juden“ diktiert wird (Hunhir).

Doch zum Glück besitzt die ungarische Regierung ja die nötige Kompetenz und kulturelle Sensibilität, um mit solchen Anfragen umzugehen: Die genannten Autoren bleiben Teil des Lehrplans, so der Minister, genau wie auch Bartók trotz seiner Rolle 1919, Attila József trotz seiner Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei, „und Thomas Mann trotz seiner Homosexualität.“

*

* Mehr zu Spírós von den Rechtsextremen beanstandeten Gedicht siehe Hungarian Spectrum (2009). Spíró über Kertész: Kertész in seiner Zeit. Nicht jüdisch. Nicht ungarisch. Nicht antideutsch genug. (2005)

Update 10.5.: Ungarische Medienberichte dazu: Index, Hirstart, Stop.

János Szentmártoni, der Vorsitzende des Ungarischen Schriftstellerverbandes (seit 2010), sieht das wie der Minister (FN), dazu in Bälde mehr.

Update 15.5.: Hier die Fortsetzung: Ungarischer Schriftstellerverband: Völkische Literaturkritik vom Feinsten

One Comment leave one →
  1. 9. Mai 2011 19:56

    ach, die solle alle scheißen gehen.

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