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Fidesz: Kulturpreis für Antisemiten Zsolt Bayer

19. Januar 2011

NZZ: Verbündete und Verräter – Fidesz-Vertreter bezeichnen Kritiker als Nestbeschmutzer.

Vertreter der Regierungspartei bezeichnen ungarische Gegner des Mediengesetzes und der Politik des Fidesz allgemein als Nestbeschmutzer. Die Rede ist von «liberalen intellektuellen Kreisen». Diese verachteten Ungarn und hätten nichts anderes im Sinne, als ihrem Heimatland zu schaden. Dabei wird der Begriff «liberal» vor allem in nationalistischen Medien als Schimpfwort verstanden. Es ist eine Chiffre für ungarnfeindlich und vor allem auch für «jüdisch», denn zu den Kritikern im Ausland gehören ungarische Juden. Gegner des Mediengesetzes werden somit zu Verrätern an der ungarischen Nation. Einer der übelsten Schreiberlinge in Ungarn ist der wegen seiner antisemitischen Ausfälle berüchtigte Publizist Zsolt Bayer. Er bezeichnete in einem Artikel, welcher kürzlich in der dem Fidesz nahestehenden Zeitung «Magyar Hirlap» erschien, einen britischen Journalisten mit einem jüdischen Namen als «stinkendes Exkrement», das schreibe, «fauler Gestank» ströme aus Ungarn. Erwähnt werden auch der EU-Parlamentsabgeordnete Daniel Cohn-Bendit und der ungarische Pianist Andras Schiff. Bayer drückt sogar sein Bedauern darüber aus, dass nicht alle im Wald von Orgovany verscharrt wurden. In dem ungarischen Dorf fand nach dem Ersten Weltkrieg ein Massaker statt. Hunderte von Personen, die als Anhänger der kurzlebigen kommunistischen Räterepublik galten, wurden während des sogenannten weissen Terrors getötet, unter ihnen viele Juden.

Bayer wurde beim Medienrat angezeigt. Vertreter der Regierungspartei betonen unermüdlich, durch das Mediengesetz werde die Meinungs- und Pressefreiheit in keiner Weise eingeschränkt. Es ziele vielmehr darauf ab, das Schüren von Hass zu unterbinden. Wenn das wirklich der Fall ist, muss der Medienrat gegen Bayer vorgehen. Andernfalls verliert der Fidesz jegliche Glaubwürdigkeit.

Tagesanzeiger:

Orban oder Fidesz haben sich von Bayer nie distanziert. Im Gegenteil: Orban zeigte sich häufig und demonstrativ an Bayers Seite. Nach Bayers jüngsten Attacken blieben Fidesz und die Regierung stumm. Als Aussenminister János Martonyi im österreichischen Fernsehen auf Bayers Artikel angesprochen wurde, antwortete er lediglich, er habe «genug von Hasspropaganda und Antisemitismus. Dagegen müssen wir etwas tun.»

Und nun wird also etwas getan:  Bayer wird von einem Fidesz-Gremium für seine Verdienste ausgezeichnet. Übermorgen, am 21.1.2011, wird ihm der Madách-Preis des Komitats Nógrád verliehen.

Die Auszeichnung wird von Zsolt Becsó (Fidesz), dem Vorsitzenden der Nógráder Komitatsversammlung (Landtagspräsident) überreicht. Die Begrüßungsansprache hält János Halász (Fidesz), parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Nationale Ressourcen.
Also abgesegnet von ganz Oben.

Der Madách-Preis wird seit 1964 alljährlich an Imre Madáchs Geburtstag, dem 21. Januar für besondere Verdienste in den Bereichen Wissenschaft, Literatur, Künste sowie Kultur- und Bildungsarbeit (közmûvelõdés) verliehen. Die Preisträger werden von der Komitatsversammlung (Landtag) auf Vorschlag des Vorsitzenden nominiert.

Die Nógráder Komitatsversammlung ist derzeit folgendermaßen zusammengesetzt:

  • Fidesz-KDNP: 10 Abgeordnete
  • MSZP: 3 Abgeordnete
  • Jobbik: 2 Abgeordnete

(Quelle: Komitat Nógrád)

Jobbik protestiert gegen Nominierung Bayers als „Fidesz-Parteisoldaten“

Laut Jobbik-Organ Barikad sind Jobbik über Bayers Nominierung entrüstet. Obwohl sie „seine Verdienste als Publizist und Redakteur nicht bestreiten“, sind sie der Ansicht, daß Fidesz sich mit der „Auszeichnung von Parteisoldaten“ in keiner Hinsicht von der Praxis der MSZP unterscheidet. Darum wollen die Jobbik-Abgeordneten die Veranstaltung boykottieren.

Das heißt, obwohl es klare ideologische Gemeinsamkeiten zu Jobbik gibt, ist Bayer doch definitiv ein Fidesz-Mann.

*

Kleine Presseschau zu Zsolt Bayer:

Hagalil: Antisemitische Schmähungen in Ungarn, von Karl Pfeifer
Welt: Opposition nutzt Mediengesetz gegen Orbán-Freund
europeonline magazine: Ungarn: Orban-Freund wegen Hetzartikels angezeigt
Die Presse: Ungarn: Orbán-Freund wegen Hetzartikels angezeigt
FAZ: Verpuffende Einzelaktionen und Gespräch mit dem Pianisten András Schiff – In Ungarn fehlt es an mutigen Stimmen
Tagesspiegel: Neues Mediengesetz- Orban-Freund in Ungarn angezeigt
Amerikai Népszava (US): Madách-díj egy antiszemitának

(Bild: Amerikai Népszava)

 

Update 21.1.: Hungarian Voice: Fidesz-Politiker: „Zsolt Bayer verdient den Madách-Preis“. Auch die Kommentare beachten.

Harry’s Place: Hungary: reward for antisemitic incitement. Guest post by Karl Pfeifer.
Und der Perlentaucher hat Pusztaranger heute verlinkt.

Update 22.1.: Hungarian Voice: Zsolt Bayer: „Prozesskostenhilfe der anderen Art“:

In der ungarischen Grenzstadt Esztergom gibt es (…)  Prozesskostenhilfe der anderen Art. Einer der Begünstigten: Zsolt Bayer, umstrittener Publizist der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Hírlap. Er selbst scheint hier allerdings nicht der Bedürftige zu sein: „Arm“ im wirtschaftlichen Sinne ist vielmehr die Stadt, auf der eine Schuldenlast von 25 Milliarden Forint lastet. Gleichwohl scheint sie Herrn Bayer, der kein öffentliches Amt der Stadt innehat, bislang die anwaltliche Vertretung in mehreren von diesem geführten Rechtsstreitigkeiten bezahlt zu haben. (…)

(Es geht ausnahmslos um Verleumdungsprozesse)

Man kann über die Hintergründe dieser seltenen Großzügigkeit der Stadt also nur spekulieren: Etwa darüber, ob es Zufall ist, dass der weitere Nutznießer dieser Art von  „Prozesskostenhilfe“ (…) der umstrittene ehemalige Bürgermeister von Esztergom, Tamás Meggyes (Fidesz), ein Freund Bayers, ist. Die Verträge mit den Anwaltskanzleien stammen aus einer Zeit, in der Meggyes Bürgermeister war. Bayer bot Meggyes mehrfach die Möglichkeit, in seinen Fernsehsendungen aufzutreten und zu unterschiedlichen Vorwürfen gegen seine Person Stellung zu nehmen. Die derzeitige Bürgermeisterin Éva Tétényi versuchte, die finanziellen Verpflichtungen aufzukündigen, weil die Zahlung von Anwaltskosten nicht zu den Aufgaben der Stadt gehöre. Sie wurde dabei allerdings von der Fidesz-Mehrheit im Stadtrat gehindert. Laut Online-Ausgabe der Wochenzeitung 168óra bewilligte die Mehrheit weitere 30 Mio. Forint für das Jahr 2011.

Update 24.1.:

Hagalil: Hungary: reward for antisemitic incitement (by Karl Pfeifer, Harry’s Place, 23.1.)

Die Presse: Der geehrte Fäkal-Antisemit. Gastkommentar von Karl Pfeifer. Der Fidesz-Mitbegründer Zsolt Bayer fällt immer wieder durch beispiellose Hasstiraden gegen Juden auf. Erhielt er dafür einen Orden?

9 Kommentare leave one →
  1. 20. Januar 2011 07:25

    Danke für die Aufarbeitung. Nach längerem Schweigen (bin ja andernorts kommentierend unterwegs) ein Lob für die ganze, sicher nicht immer leichte und v.a. zeitintensive Arbeit.

  2. Karl Pfeifer permalink
    20. Januar 2011 07:34

    Danke Pusztaranger, danke Peter Klingler,
    was wurde ich gescholten, weil ich die Fidesz als völkische bezeichne. Jetzt liefern die selbst den Beweis dafür.

  3. Karl Pfeifer permalink
    20. Januar 2011 07:36

    Ups ein Wort ist weggeblieben ich wollte völkische Partei schreiben und das Wort Partei habe ich in der Eile vergessen. Pardon, bocsánat, sorry

  4. dr.klaus mauter germering bei muenchen permalink
    18. März 2012 08:35

    es ist eigentlich unfassbar,scheint aber den tatsachen zu entsprechen,dass wir in europa leute wie herrn zsolt bayer ausserhalb psychiatrischer anstalten frei herunmlaufen und seine guelle ausleeren lassen. muss soeiner erst nicht nur verbal um sich schiessen wie sein gesinnungsgenosse breivik,bis man sich fachaerztlich um ihn kuemmert ?

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