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Die ungarische Garde und die „Helden Europas“

19. Januar 2010

Wie ihr merkt, habe ich gerade gar keine Zeit für den Blog, aber als ich das hier gesehen habe, musste ich doch wieder ran.

Im Dezember 2009 wurde die paramilitärische Organisation der ultrarechten Partei Jobbik, die Ungarische Garde, endgültig rechtskräftig verboten, siehe u.a. bei Eurorex. Wie bisher jedes Mal nach einem Verbot machen die einfach trotzdem weiter, laut Website der Garde ist die nächste Mitgliederanwerbung am 24.1. in Újfehértó. Ist ja schließlich Wahlkampf. Und auch einen neuen Namen haben sie sich wieder zugelegt – zusätzlich zur „Neuen Ungarischen Garde“ gibt es jetzt auch die „Ôrzô Magyar Gárda Mozgalom“, übersetzt mit „Hüter Ungarische Garde Bewegung“. (Das Verb ôrizni heißt hüten, bewachen, man verwendet es auch im Zusammenhang mit Herdenschutzhunden, es soll wohl den Schutzcharakter dieser Bewegung betonen. Wie auch immer.)

Edit 29.1.: Korrektur: Die Ungarische Garde hat sich im Herbst 2008 in zwei Flügel aufgespalten, in den Jobbik-nahen Flügel und den „Ôrzô“-(Hüter, Wächter)-Flügel – ich danke Karl Pfeifer für den Hinweis. Der Jobbik-nahe Flügel ist weniger offen antisemitisch, Jobbik will ja ins Parlament gewählt werden; der Ôrzô“-Flügel ist explizit antisemitisch, er grenzt sich von Jobbik ab, weil die ihnen nicht radikal genug sind. Die beiden Flügel laufen als getrennte Organisationen, und im Unterschied zur Jobbik-nahen Garde ist dieser extreme Flügel nicht gerichtlich verboten. Für Außenstehende ist zwischen den beiden Flügeln praktisch kein Unterschied zu sehen.)

Am 16.1. haben Jobbik ihr Programm für die Parlamentswahlen veröffentlicht, einen Klopper von (nicht 87, nicht 89, nein:) 88 Seiten. Auf dem Titelblatt sieht man ganz links einen Herrn in der in letzter Instanz gerichtlich verbotenen Gardeuniform, deren Tragen derzeit 50.000 HUF Strafe kostet. Es ist Sándor Pörzse, ehemaliger Moderator beim ultrarechten Echo-TV, Jobbiks Parlamentskandidat für den 1. Budapester Stadtbezirk, das Burgviertel. Symbolischer geht’s fast nicht mehr.

„Radikaler Wandel“ – Wahlprogramm von Jobbik für die Parlamentswahlen, für nationale Selbstbestimmung und gesellschaftliche Gerechtigkeit“

(Zum Wahlprogramm selbst später mehr, hier schonmal der Pester Lloyd, und bei Hungarian Spectrum gibt es schon mehrere Posts dazu.)

Ganz klar – die lassen sich nicht nur nicht verbieten, sondern werben auch offiziell damit und tun damit deutlich kund, was sie vom ungarischen Rechtsstaat halten.

Bisher hieß es immer wieder, die Garde gehöre nicht offiziell zu Jobbik – das können sie jetzt definitiv nicht mehr sagen. (So sagt Jobbik-EU-Abgeordnete Krisztina Morvai auch immer wieder, daß sie nicht Parteimitglied ist, aber sie ist Jobbiks Kandidatin für das Amt des Staatspräsidenten.) Bisher hieß es auch von Jobbik-Seite immer wieder empört, daß Jobbik keine Nazis und Faschisten seien, diese Anschuldigungen wären Teil einer internationalen Verleumdungskampagne etc.

Nun findet am 13. Februar in Budapest das alljährliche Nazitreffen „Tag der Ehre“ statt (mehr dazu hier, ein längerer Artikel von 2007 hier), und dort werden die „Hüter Ungarische Garde Bewegung“ (Ôrzô Magyar Gárda Mozgalom) und die „Neue Ungarische Garde Bewegung“ (Új Magyar Gárda Mozgalom) explizit als teilnehmende Organisationen aufgeführt, siehe  Blick nach Rechts, und auch mehrsprachig auf der Veranstalterseite. Auf der Website der „Hüter Ungarische Garde Bewegung“ ist auch ein Werbebanner dafür.

Auf der Veranstalterseite  (will ich nicht verlinken, aber Antifa Hungary hat den Text auf Ungarisch mit Links hier) kann man sich das Plakat der Veranstaltung runterladen. Man sieht darauf einen SS-Soldaten mit Stahlhelm und einen ungarischen Soldaten (Pfeilkreuzlertruppen) vor der rotweißen Árpádenflagge; der Slogan lautet „Die Helden Europas“.

Jobbiks Parteiarmee marschiert am 13.2. mit, um die SS als „Helden Europas“ zu ehren. Aber Faschisten sind sie keine, klar.

Jobbik sitzen im EU-Parlament und werden denmächst womöglich zweitstärkste Partei Ungarns (laut Wahlprognosen liegen sie nach wie vor bei etwa 12%).

(Damit ihr einen Eindruck bekommt, aber unzensiert wollte ich diese Scheiße doch nicht einstellen.)

*

Edit 21.1.:

Protest gegen den „Tag der Ehre“ gibt es von der  „Zivilen Bewegung gegen Rechts“ sowie der letzten Herbst neugegründeten Partei SZEMA.

Edit 25.1.:

„Heldentod für Hitler?“ Artikel des Pester Lloyd vom 23.1. Dort geht’s nicht etwa um Neonazis/Jobbik & Co, sondern um „nationalistische Flatulenzen auf den Gängen des ungarischen Verteidigungsministeriums.“ Wenn schon die Sozialisten so drauf sind, wie soll das erst nach den Wahlen werden…

„Aufruf gegen den „Tag der Ehre“ in Budapest“ bei Eurorex.

Noch eine Protestdemo gegen den „Tag der Ehre“, allerdings nicht dort:

Demonstration für ein vielfältiges und demokratisches Ungarn, am 13.2.2010, 16.15 – 21.00, Budapest, XIII. Bezirk, Hollán Ernô u. Ecke Budai Nagy Antal u.

Gepostet von der Facebook-Gruppe „Jobbik? Nem!“ (Jobbik? Nein!)

Der Pester Lloyd am 26.1.: „Verbrecherehre – Neonazis treffen sich 65 Jahre nach Kriegsende zum „Tag der Ehre“ in Budapest“.

6 Kommentare leave one →
  1. Melanie permalink
    20. Januar 2010 06:24

    Ich wollte das hier kommentieren:

    Was macht Europa, wenn Sie an die Macht kommen? Wenn Sie demokratisch gewählt werden? Hätte man nicht doch etwas früher anfangen können mit so etwas wie civic education? Hätte man nicht die „Erziehung zur Demokratie“ als Schulfach einführen können? Mann, oh Mann! Seit 20 Jahren stecken alle den Kopf in den Sand…..

  2. 20. Januar 2010 22:43

    Sie sind die Besseren, die Rechteren. Sie benennen die Schuldigen. Gehen gegen sie vor. Scharen immer mehr Gleichgesinnte zusammen. Blenden viele. Ich sage nur
    kniet nieder und betet sie als Götzen an, denn nur sie vermögen es eine schönere Zukunft zu bringen. Verinnerlicht ihre Ideologie und vergewaltigt euere Seele damit. Brecht euch selber das Rückrat um ihnen auf ihrem Weg zu folgen. Werdet ware Bestien, die nur die einzig wahre Wahrheit des Anführers hören wollen und verspührt den Todbringenden Hass gegenüber allem Andersartigen. Schämt euch dann nach Jahren über eure Taten, wenn ihr plötzlich merken solltet, wem ihr da Gefolgt seid.

  3. Mike permalink
    24. Januar 2010 14:49

    Hallo,

    ist ein „wie soll das erst nach den Wahlen werden“ wirklich das einzige Argument, das hier zählt? Brav nach dem Motto: Wenn es jetzt auch schlimm sein mag, unter Orbán wird alles noch viel, viel schlimmer. Na ja….

    Ich mag gar nicht wissen, was die ZEIT, die SZ usw. schreiben würden, wenn so etwas aus dem Munde eines Fidesz-Ministeriums gekommen wäre. Da wäre von Faschismus usw. die Rede. Und was sehen wir? Schweigen im Walde. Nur der Pester Lloyd äußert sich.

    Geschichtsverleumder gibt es auf beiden Seiten. Die größten befinden sich übrigens noch immer an der Regierung.

  4. Mike permalink
    24. Januar 2010 14:51

    Zu dieser sog. „Gedenkveranstaltung“ nur so viel: Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.

  5. Adolf Hitler permalink
    19. März 2013 06:35

    Hallo, hier spricht Adolf Hitler.

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