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Jobbik-Wahlkampf mit Roma-KZs

3. September 2010

Im Oktober sind in Ungarn Kommunalwahlen. Die Tage ging es durch die Medien:

Roma-Service: Ungarn: Jobbik-Politiker fordert KZ für Roma
Pester Lloyd: Bürgermeister-Kandidat fordert KZ für Roma in Ungarn

Zunächst ging es nur um die Äußerungen des Miskolcer Jobbik-Bürgermeister-Kandidaten Márton Szegedi, aber inzwischen hat sich auch die Parteispitze dazu geäußert.

Im Folgenden:
1. Jobbik EU-Abgeordneter Csanád Szegedi und Parteichef Gábor Vona am Mittwoch dazu (Kotztüte bereithalten)
2. In der Printversion der Parteizeitung Barikád von letzter Woche bringt Vona dann Endlösungsrhetorik: Ungarn müsse „von den Parasiten gesäubert“ werden, um eine Zukunft zu haben. Gemeint sind hier unter anderem Roma, die Sozialhilfe beziehen. Darauf wollen sie ihren Wahlkampf ausrichten.
3. Sarkozys Massenabschiebungen von Roma passen Jobbik hier natürlich bestens in den Kram, siehe die Seite des Jobbik EU-Abgeordneten Csanád Szegedi (Englisch).
Aus aktuellem Anlass gibt es in Budapest morgen vor der französischen Botschaft eine Demo gegen die Massenabschiebungen, falls Ihr in der Gegend seid, schaut vorbei! (14.00, Lendvay u. 27, das ist gleich hinter dem Heldenplatz; Details s.u.)

1. Jobbiks Pläne für Roma-KZs

Quelle: Szegedis Website, die Népszava hat es auch, und auf Englisch bei Politics.hu: Jobbik proposes to set up „criminal zones“ outside cities

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch sagten Jobbik EU-Abgeordneter Csanád Szegedi und Parteichef Gábor Vona unter anderem (Übersetzung Pusztaranger):

Als „kurzfristige Lösung“ für die „Zigeunerfrage“ will Jobbik „Personen, die die öffentliche Ordnung gefährden“,  in gesonderten Romaghettos wegsperren („közrendvédelmi telepek“, politics.hu übersetzt es mit „public order zone“). Die erste solche Mustersiedlung würden sie in Miskolc errichten. Auf dem mit doppelter Absperrung umgebenen Gebiet könnten die Bewohner unter der Aufsicht der Polizei bzw. der Gendarmerie (mehr dazu hier) leben und es nur nach „Registrierung“ verlassen, mit Ausgangssperre ab 22.00 Uhr.

Parteichef Gábor Vona hob auf der Pressekonferenz besonders hervor, daß in den letzten zwanzig Jahren die Integration der Zigeuner „gescheitert“ sei, weshalb Jobbik es unter anderem „langfristig für nötig hält, die Zigeunerkinder in Internatsschulen zu unterrichten“. Laut Vona wäre „in der Mehrheit der Fälle die Segregation die wirkungsvollste Erziehungsmethode“.

(Anmerkung Pusztaranger: Das läuft auf Zwangsentziehung des Sorgerechts hinaus.)

Laut Csanád Szegedi ist es Ziel der Romaghettos, die „kriminellen Elemente zu entfernen“ und die Bewohner zur „Integration zu zwingen“.

In der Avasi-Siedlung in Miskolc leben vielköpfige Romafamilien auf engstem Raum; laut Szegedi könnte die Kommunalverwaltung in diesem Fall den Abtransport (der Romabevölkerung) in die Siedlung mit Zwangsräumungen einleiten.

Laut Jobbiks Vorstellungen soll über die Rückkehr aus den Romaghettos ein Gremium der Kommunalverwaltung entscheiden, nämlich wenn die Bewohner ihre Kinder regelmäßig zur Schule schicken bzw. gemeinnützige Arbeit ausführen (Anm.: um weiter Sozialhilfe zu beziehen).

Szegedi sagte weiter, abgesehen von all dem sei es nötig, „wirtschaftlich selbsttragende Gefängnisse zu schaffen, weil die Haftkosten den Staat mit monatlich 240-250 000 HUF/Insasse unverhältnismäßig belasten“. Wer in diesen Gefängnissen nicht die zu seiner Versorgung nötige Summe erarbeite, solle laut Szegedi  „puritanischer“ untergebracht werden.
(Anm.: Vona sagte mal in einer Ansprache, daß die Häftlinge wirklich nur das zu Essen bekommen sollen, was sie auch eigenhändig angebaut haben. „Und wenn das nur eine Tomate war, dann kriegen sie eben nur eine Tomate.“)

Laut Vona sind „ganz andere Lösungen vonnöten, wenn wir im Land keine Bürgerkriegssituation wollen“. Zum Abschluss der Pressekonferenz sagte er, „in den letzten zwanzig Jahren hat Jobbik (von allen Parteien) am meisten für die Zigeuner getan“, weil sie sich nämlich als einzige Partei „den Problemen offen und ehrlich stellen will.“

(Spätestens hier brauchte ich dann die Kotztüte.)

Vona und Szegedi auf der Pressekonferenz, 1.9.2010 (Ungarisch)

2. Vona-Interview: Endlösungsrhetorik

In der Printausgabe von Jobbiks Parteizeitung Barikad (Nr. 34, 26.8.2010, Volltext auf Vonas eigener Seite) liest man unter anderem (Hervorhebungen von mir):

Was wäre der erste Schritt (um das Land in Ordnung zu bringen)?
Es gibt viele Probleme, aber das größte und schwerwiegendste Problem des Landes ist, daß ein bedeutender Teil der Gesellschaft ehrlich arbeitet oder das tun würde, und trotzdem leidet, während ein Teil ein Parasitendasein führt (élôsködik). Ich weiß, das sind harte Worte, aber es ist die Wahrheit. Das Land müßte von den Parasiten befreit werden, dann würden wir sofort eine deutliche Verbesserung spüren.
Aber wer sind die Parasiten?
Die korrupte und vaterlandsverräterische Politik, das multinationale Kapital und ein bedeutender Teil der Zigeuner. Wenn wir Ungarn von den unehrlichen Politikern, dem spekulierenden ausländischen Kapital, das die ungarischen Unternehmen ruiniert, und der kriminellen Minderheit, die nicht arbeiten will, säubern würden, könnten wir mit den anderen Problemen viel leichter fertig werden. Aber solange das nicht passiert – und Fidesz wagt nicht einmal mit seiner Zweidrittelmehrheit, sich all dem zu stellen – bleibt das ein Faß ohne Boden. Bei den Kommunalwahlen wird das eine von Jobbiks Hauptmessages sein: Wir haben genug vom Parasitentum und den Parasiten. Das Symbol der Kampagne wird eine blutsaugende Stechmücke sein, mit einem roten Balken durchgestrichen, um zu signalisieren, daß Jobbik das nicht toleriert.

3. Heute Frankreich und die Roma….und morgen? Solidaritätskundgebung gegen die Abschiebung von Balkan-Roma aus Frankreich und gegen den Antiziganismus in Ungarn.

Mit Beteiligung von (u.a.) Amnesty International Hungary und Meltosag.net.

Hier die Ankündigung:

Auch wir in Budapest schließen uns den Kundgebungen in Frankreich und in Europa an.
Zeit: 04.September 2010, 14.00-15.00 Uhr
Ort: Vor dem Gebäude der Französischen Botschaft, VI. Bezirk, Lendvay u. 27
Wir fordern die ungarische Regierung auf, bei der französischen Regierung zu protestieren und selbst alles Erdenkliche zu unternehmen, um dem Rassismus, besonders dem Antiziganismus hierzulande Einhalt zu gebieten.
Kundgebungen eropaweit zur gleichen Zeit (Auswahl):
Barcelona, Consulat Francès, Organisator : La Federació d’Associacions Gitanes de Catalunya,
Belgrad, Serbisches Parlament, Organisator: Democratic Association of Roma,
Wien, Haus der Europaeischen Union, Organisator: Romapastoral Diözese Eisenstadt,
Paris, Place de la Republique, Organisator: Unionromani.org weitere 49 Organisationen,
Roma, Piazza Farnesi, Organisator: Reset Italia

Siehe Facebook hier, hier und hier.

Noch einige Links:

The European Network Against Racism (ENAR): EU-wide demonstration against France’s xenophobic policies

Prekaer.info: Gegen die Politik der Ausländerfeindlichkeit und -Verleumdung: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Demos in ganz Frankreich am 4. September

Und zum Schluss:
Taz: „Das Problem liegt in Osteuropa“  – Interview mit Romani Rose vom Zentralrat der Sinti und Roma, 21.8.2010.

Edit 4.9.2010:

Hier ein Video von der Demo heute, mit Redebeiträgen von (u.A.) Gáspár Miklós Tamás und Ágnes Daróczi. Wer ungarisch kann, anschauen!

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