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Rechtsextreme „Bürgerwehr“ terrorisiert Roma

13. März 2011

… mit Duldung der Polizei.

Pester Lloyd:

Rechtsextremer Aufmarsch in Ungarn

Bis zu 1000 Mitglieder und Sympathisanten der neofaschistischen Partei Jobbik haben sich am Sonntag (6.3.) in der im Norden Ungarns gelegenen Gemeinde Gyöngyöspata versammelt, um gegen die „ansteigende Zigeunerkriminalität“ in der Gegend zu protestieren. Jobbik nimmt damit die „Tradition“ der Märsche ihrer heute verbotenen „Ungarischen Garde“ wieder auf, die in den letzten Jahren vor allem in Orten mit hohem Romaanteil für eine rassistische Aufheizung sorgten. Bei einer dementsprechend motivierten Mordserie sind in den vergangenen Jahren sieben Roma getötet worden.

Bei dem Aufmarsch in Gyöngyöspata, der von rund 200 Polizisten bewacht wurde, wurde der Selbstmord eines älteren Einwohners zum Anlass genommen, der sich „aus Angst vor ständigen Bedrohungen einer Zigeunerbande“ das Leben genommen haben soll. Die Behörden konnten eine solche Verbindung indes nicht herstellen.

Soweit der Pester Lloyd.

Nur war das keine einmalige Veranstaltung. In Gyöngyöspata patrouilliert schon seit Anfang März der Bürgerwehrverein „Für eine schönere Zukunft“ (Szebb Jövőért Polgárőr-egyesület)  gegen „Romakriminalität“, und will das mindestens zwei Wochen machen. Die Mitglieder werden von Anwohnern umsonst untergebracht und verköstigt („Solidarität“). Auch Jobbiks „Gendarmen“ und Freiwillige anderer rechtsextremer Organisationen beteiligen sich.  Laut Augenzeugen trauen die Kinder sich nicht mehr in die  Schule, und im Dorfladen werden Roma beschimpft und am Einkaufen gehindert.  Überhaupt sind Beschimpfungen und Morddrohungen gang und gäbe („Wir bringen euch um, wir schneiden euch die Kehle durch“ etc.), und nachts kriegen die Leute aus Angst vor Anschlägen kein Auge mehr zu.

Das Ganze mit Duldung der Polizei – die Bürgerwehr ist legal, und noch sei es ja nicht zu Übergriffen gekommen.

Und wenn man sich in so einer Situation als Roma verteidigt, weiß man ja, womit man rechnen kann, siehe mein Post Erstes Urteil wegen rassistischer Gewalt: Hohe Haftstrafen für Roma.

In den regierungsnahen Medien wird kaum darüber berichtet.

Aus meinem Post Verbotene Garde wird zur legalen Bürgerwehr:

Der Bürgerwehrverein „Für eine schönere Zukunft“ (Szebb Jövőért Polgárőr-egyesület) wurde im April 2010 von Mitgliedern der verbotenen Ungarischen Garde als gemeinnützige Organisation gegründet, seine Hauptaktivität ist „in erster Linie die Verbesserung der öffentlichen Sicherheit”.

In Ungarn organisieren sich die Bürgerwehren in einem Landesverband, dem derzeit 2115 Vereine mit insgesamt 90.000 Mitgliedern angehören, es besteht ein Kooperationsabkommen mit der Polizei. Bedingung für die Aufnahme im landesweiten Dachverband ist politische Neutralität. So wurde Lászlós Bürgerwehrverein nicht in den Verband aufgenommen, eine offizielle Kooperation mit der Polizei besteht also nicht. Jedoch schreibt das Gesetz für Bürgerwehren die Verbandsmitgliedschaft nicht verbindlich vor. Laut dem 1989 verabschiedeten Versammlungsgesetz sind für die Überwachung gesellschaftlicher Organisationen die Staatsanwaltschaft und die Gerichte zuständig. Die sind bislang nicht eingeschritten.

Der Jobbik-Ortsgruppenleiter von Gyöngyöspata Oszkár Juhász sagte auf die Frage eines Reporters, daß die Garde doch verboten sei, „Ich weiß nicht, was das hier mit der Garde zu tun hat, hier ist die Bürgerwehrgruppe Schönere Zukunft aktiv.“  Hier zu sehen im NOL Video ab 0:54 – und hinter ihm hängt riesengroß die Fahne der Ungarischen Garde.

(Für größere Ansicht Bilder anklicken.)

Fahne der Ungarischen Garde

„Bürgerwehr“ und „Gendarmerie“ gemeinsam im Einsatz.

Man beachte die Axt.

Man beachte die Pferdepeitsche.

Die Kinder trauen sich nicht mehr in die Schule…

und wissen auch, warum.

Die Betyársereg ist auch dabei.

Eine Kokarde nützt Leuten heutzutage wenig, die nicht Mitglieder der „magyarischen Volksgemeinschaft“ sind.

Großaufmarsch auf der Jobbik-Parteiveranstaltung am 6.3.

(Fotos Origo, Index u.A.)

Update 14.3.: Video

Update 15.3.:  Hungarian Voice hat den Index-Artikel übersetzt: „Wo Ungarn aufgehört hat, zu existieren“ – Ein Beitrag von Index.hu zum Nazi-Aufmarsch in Gyöngyöspata

Update 21.3.: Pester Lloyd: Machtergreifung – Neonazis übernehmen Polizeigewalt in Ungarn

Links:

Hungarian Spectrum: Renewed activities of the Hungarian far right

Ungarisch: Origo, Index, Origo, Galamus, Népszava, Népszava, HVG.

11 Kommentare leave one →
  1. 13. März 2011 19:01

    Der Typ macht den Kinder Angst vor der Schule, weil er vermutlich selbst nie eine von innen gesehen hat und deshalb neidisch ist. Einen Friseurladen hat er allerdings auch noch nie von innen gesehen. Dieses braune Pack ist einfach nur erbärmlich und widerlich.

    Vona Gábor hat festgestellt, dass Orbán alle seine Themen wunderbar besetzt hat, jetzt bleibt ihm nur die Möglichkeit, sich noch weiter nach rechts zu bewegen, um nicht ohne Schlagzeilen und ohne Bedeutung dazustehen. Und diese Hohlköpfe machen da alle fleißig mit, weil sie ja sowieso keine Jobs haben und sich sonst zuhause vor dem Fernseher bei Való világ langweilen würden. Anders als bei den Roma liegt das aber wohl weniger an der etnischen Zugehörigkeit und den damit einhergehenden Benachteiligungen. Auf Neudeutsch nennt man’s Prekariat, oder ganz einfach Englisch: white trash.

    Es ist traurig, dass es soetwas gibt, ein völliges Versagen der staatlichen Förderung und des Bildungssystems. Und es ist noch trauriger, dass diese sozial Benachteiligten nichts anderes können, als auf denen rumzutrampeln, die noch ein klein wenig weiter unten in der Hackordnung stehen. Die sollten lieber in Budapest Lázárs Audi in die Donau schieben! 🙂

  2. 13. März 2011 19:03

    Typo: „ethnisch“ sollte es natürlich heissen.

  3. Toldi permalink
    26. Juli 2011 15:05

    Warum hast du dich nicht zum Wort gemeldet, als die „Romas“ in Siofok maschiert haben? Oder als Ungarn getötet haben? Oder als die ungarische Kinder und Erwachsene terrorisiert wurden? Sozial benachteiligt sind die, die in Ungarn die tag täglich arbeiten gehen, solange die meisten Romas klauen und die Sozialhilfe kassieren. Abgesehen davon, seit dem Orban regiert die soziale und vor allem die wirtschaftliche Lage ist viel schlechter geworden als vorher. Schöne Ergebnisse mit einer „wunderbar“ besezten Regierung! Nicht das Bildungssystem schuld daran, dass die Romakinder nicht zur Schule gehen, oder sollen die alle einzeln Privatlehrer bekommen? Natürlich von den „Arbeitern“ bezahlt.

    • pusztaranger permalink
      4. August 2011 09:49

      Danke für den O-Ton, ist als Illustration willkommen, wird aber inhaltlich nicht diskutiert.

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