Verbotene Jobbik-Bürgerwehr gründet sich neu, Verfahren gegen Neue Ungarische Garde eingestellt
Aktuelles von den Nachfolgeorganisationen der verbotenen Ungarischen Garde: Letzte Woche gründete sich die kürzlich verbotene Bürgerwehr „Schönere Zukunft“ unbehelligt von der Polizei in der Budapester Innenstadt neu, und ein Verfahren gegen die „Neue Ungarische Garde“ wurde aus formalen Gründen eingestellt. Tatsächlich treten ungarische Regierungspolitiker seit Jahren auf völkischen Großveranstaltungen auf, die von der Neuen Ungarischen Garde gesichert werden.
Verbotene Bürgerwehr „Schönere Zukunft“ gründet sich neu
Die durch durch ihre Aufmärsche in Gyöngyöspata 2011 bekannt gewordene Jobbk-Bürgerwehr „Für eine schönere Zukunft“ wurde am 8. Oktober von einem Gericht in Gyula in zweiter Instanz verboten. Laut Urteilsbegründung hatte der Vorsitzende in Kunhegyes und Devecser rassistische und ausgrenzende Ansprachen gegen Roma gehalten. Am 17. Oktober gründete sich die Bürgerwehr auf dem Budapester Erzsébet tér neu: Statt eines eingetragenen Vereins als „Magyarische Selbstverteidigungsbewegung“ (Magyar Önvédelmi Mozgalom).
Der Vorsitzende Attila László erklärte in seiner Rede, man nehme das Verbot zur Kenntnis, wolle sich jedoch nicht damit abfinden und werde die Arbeit nun in anderer Form fortsetzen. „Sollte die Situation es erfordern, sind wir bereit, mit angemessener physischer Kraft zu verteidigen, was uns, was den Magyaren gehört – unser ungarisches Vaterland“. (Video, s.u.)
Auf der Veranstaltung mit etwa 100 Teilnehmern kam es zu einer kleineren Rangelei, als eine Passantin dem Vorsitzenden der „Neuen Ungarischen Garde“ József Ináncsi, der sich über „Zigeunerkriminalität“ ausgelassen hatte, mit dem Ausruf „Faschisten!“ das Redemanuskript aus der Hand riss. Die Frau wurde von den Ordnern (d.h. Gardisten) abgeführt – es fielen die Sätze „Was ist, Jüdin, passt dir was nicht?“, „Dreckige Jüdin!“ – und der Polizei übergeben (Népszava). Der Vorfall ist im Video von hir24 zu sehen; einige Teilnehmer begrüßen sich demonstrativ mit dem Gruss der Pfeilkreuzler („Durchhalten, hoch lebe Szálasi!“), und auch ein Tattoo mit SS-Runen darf nicht fehlen.
(Jobbik-Portal alfahir, Hetzportal Kuruc.info)
Hintergründe Budapest Beacon:
- Budapest Beacon: Banned Jobbik paramilitary group to regroup yet again!, 16.10.2014
- Szeged court bans Association for a Better Future, 8.10.2014
Hintergründe auf diesem Blog:
- Rassistische Richterin löst Jobbik-Bürgerwehr nicht auf, 25. April 2014
- Ungarische Polizei erlaubt “friedliches” Steinewerfen, Aufruf zum Rassenkrieg und antisemitische Hetze unter Gleichgesinnten, 5. Oktober 2013
- Zwei fatale Urteile: Jobbik-Bürgerwehr wird nicht aufgelöst, hohe Haftstrafen für Roma wegen “Gewalt gegen Magyaren”, 28. Juli 2012
- Rechtsextreme “Bürgerwehr” terrorisiert Roma, 13. März 2011
- Verbotene Garde wird zur legalen Bürgerwehr, 23. Juni 2010
(Großaufmarsch der „Bürgerwehr für eine schönere Zukunft“auf der Jobbik-Parteiveranstaltung am 6.3.2011 in Gyöngyöspata)
(Legaler Wahlkampf-Aufmarsch im April 2014 in Tiszafüred)
Verfahren gegen die Neue Ungarische Garde eingestellt
Die Staatsanwaltschaft Debrecen hatte gegen 13 Mitglieder der Neuen Ungarischen Garde (Új Magyar Gárda, UMG) Anklage wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz erhoben; sie sei mit der verbotenen Ungarischen Garde identisch.
Ein Debrecener Gericht stellte das Verfahren am 17.10.2014 in zweiter Instanz aus formalen Gründen ein; die Anklageschrift habe den gesetzlichen Kriterien nicht entsprochen. Eine Berufung ist nicht möglich, es kann nur ein neues Verfahren eröffnet werden. (Origo) Die rechtsextremen Medien feiern dies als Erfolg und Beweis der „Rechtmäßigkeit“ der Organisation.
Ungarische Regierungspolitiker und die Neue Ungarische Garde
Ungarische Regierungspolitiker treten seit Jahren auf von der Neuen Ungarischen Garde „gesicherten“ völkisch-rechtsextremen Großveranstaltungen auf: „Kurultáj“, das seit 2008 zweijährlich stattfindende „Stammestreffen der turanischen Völker“, ein dreitägiges völkisches Massenspektakel in der Puszta (s. Pester Lloyd 2012) mit Delegationen aus Zentralasien und mittlerweile 150 000 Zuschauern, wird seit Jahren von der „Neuen Ungarischen Garde“ gesichert (PR dankt N.N. für den Tip); Schirmherr der Veranstaltung ist seit 2010 Sándor Lezsák, Fidesz-Vizefraktionsvorsitzender und Vizepräsident des ungarischen Parlaments. Das Stammestreffen dient zunehmend dem „Kulturaustausch“ mit den neuen strategischen Partnern der ungarischen Regierung im Osten: 2014 eröffnete der parlamentarische Staatssekretär im Ministerium für Humanressourcen Bence Rétvári (KDNP) mit dem Kulturminister von Kasachstan Mukhamediuly Arystanbek „Attilas Zelt, die größte Jurte der Welt“, vgl. den englischsprachigen Bericht auf der Seite des kasachischen Ministeriums für Kultur. Der wachsende Nationalismus in Kasachstan äußert sich ebenfalls in einer Verklärung der nomadischen Vergangenheit, s. Deutschlandradio Kultur.
(Sándor Lezsák bei Kurultáj 2014, mit dem Initiator und Hauptveranstalter, dem Humanbiologen András Zsolt Bíró, der die „genetische Verwandtschaft“ der Magyaren mit einem kasachischen Volksstamm „wissenschaftlich bewiesen“ haben will. Hier bezieht man sich auf die rassenbiologische Tradition des Turanismus der 1920er und 30er Jahre (Quelle).
(Staatssekretär Bence Rétvári (m.) und der kasachische Kulturminister (r.) vor „Attilas Jurte“.)
Die Security der dreitägigen Veranstaltung: Die „Neue Ungarische Garde“.
Fotos: Gardenseite und jede Menge hier.
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