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Mediengesetz: Linker Zeitung droht Verfahren – rückwirkend

1. Juli 2011

Ab heute, dem 1.Juli 2011, ist das ungarische Mediengesetz in Kraft, und da wird offenbar nicht lange gefackelt:

Mediengesetz: Linker Zeitung in Ungarn droht Verfahren
Die linke ungarische Tageszeitung „Nepszava“ muss möglicherweise mit einem Verfahren wegen angeblicher Verstöße gegen das umstrittene neue Mediengesetz rechnen. Der Beauftragte für Medien- und Nachrichtenverbreitung, Jenö Bodonovich, beanstandet einen angeblichen Leserkommentar in der Onlineausgabe. (ORF)

Die Népszava hat Bodonovichs Schreibenins Netz gestellt, der Artikel dazu hier. Daraus geht hervor, daß das Büro des Staatssekretärs für Kommunikation Zoltán Kovács die Medienbehörde „nach Meldung durch eine Privatperson“ auf den Plan gerufen hat. Auf Anfrage der Népszava konnten weder Kovács‘ noch Bodonovichs Büro den beanstandeten Kommentar konkret benennen. Seither schießen sich die Blogs mit Begeisterung auf einen Kommentar (hier) ein, in dem Staatspräsident Schmitt als Hanswurst bezeichnet wird, und auf der Facebook-Seite von „Eine Million für die Pressefreiheit“ wird schon zu einer Protest-Mailaktion an Kovács und Bodonovich aufgerufen („Auch ich halte Pál Schmitt für einen Hanswurst!“).

Mich interessiert hier vor allem eines. Das Schreiben der Medienbehörde ist datiert vom 28. Juni; Kovács‘ Meldung des Kommentars durch einen verantwortungsbewußten Bürger erfolgte am 14. Juni;  der Kommentar war angeblich angeblich am 8. Juni online.
Das bedeutet, das neue Mediengesetz soll hier rückwirkend zur Anwendung kommen.
Noch im Februar hieß es von der Medienbehörde, daß auf die Anzeige gegen den antisemitischen Publizisten und Orbán-Freund Zsolt Bayer kein Verfahren eingeleitet werden könne, weil ein behördliches Verfahren erst wegen Gesetzesverstößen eingeleitet werden könne, die nach dem 1. Juli erfolgen (s.u.).

Wir erinnern uns:
Die Welt: Nestbeschmutzer im Wald verscharren
NZZ: Verbündete und Verräter – Fidesz-Vertreter bezeichnen Kritiker als Nestbeschmutzer

Wegen diesem Artikel im Magyar Hírlap wurde Bayer vom Geschäftsführer der kleinen, nicht im Parlament vertretenen Partei Grüne Linke, Szilard Kalmar, bei der Medienbehörde angezeigt, siehe Die Welt: Opposition nutzt Mediengesetz gegen Orbán-Freund.

Im Februar hieß es von der Medienbehörde:

„Im Hinblick auf Verstöße gegen die sogenannte Medienverfassung oder das Mediengesetz kann ein behördliches Verfahren erst wegen Gesetzesverstößen eingeleitet werden, die nach dem 1. Juli erfolgen.“ Darum könne die NMHH kein Verfahren gegen Bayer einleiten. (Népszabadság, 3.2.2011)

Mehr zu Zsolt Bayer auf diesem Blog hier; hier einige Beispiele dafür, was für Kommentare beim regierungsnahen Magyar Hírlap gang und gäbe sind. Auch dort gäbe es für Frau Szalai & Co jede Menge zu tun.

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Update 4.7.2011: Blog Stargarten: Ungarische Blogs: Die Angst geht um (4.7.2011)

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