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Orbán in Südkorea: Jede Nation hat das Recht, in einem eigenen Staat zu leben

30. November 2014

Eine Randnotiz zu Viktor Orbáns Südkorea-Besuch am 27.11.2014.

Letzte Woche weilte Viktor Orbán mit einer hochkarätigen Regierungsdelegation in Seoul, um die Wirtschaftsbeziehungen zu Südkorea zu festigen. Der Minister für nationale Entwicklung Miklós Seszták, Minister für Humanressourcen Zoltán Balog und der Vorsitzende der Behörde für Innovation Ede Spaller schlossen Vereinbarungen mit ihren südkoreanischen Kollegen ab.

(Barna Burger MTI, via hungarytoday.com)

Wie die Népszabadság berichtet, erklärte Orbán auf der gemeinsamen Presseerklärung mit der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye, dass Ungarn und Südkorea die nordkoreanische Frage (sic) gleich beurteilten, und die ungarische Regierung „Koreas Anstrengungen zur Wiedervereinigung in vollem Ausmass unterstütze. Wir glauben daran, dass jede Nation das Recht hat, in ihrer Gesamtheit, im Rahmen eines (einzigen) Staates zu leben.“

Diese Äußerung liess ungarische Kritiker aufhorchen, denn selbstverständlich lässt sie sich auch auf die  heimische Situation beziehen:

Das Bekenntnis zu einer „Nation“ als gewaltsam auf mehrere Staaten verteilte ethnisch-kulturelle (bzw. blutmässige) Abstammungsgemeinschaft, die an der Trennung leidet und auf ihr  Recht auf staatliche Einheit bzw. territoriale Wiedervereinigung pocht – das ist aus der Kommunikation der ungarischen Regierung sowie der rechtsextremen Jobbik im Zusammenhang mit dem sog. Trianon-Trauma seit Jahren mehr oder weniger explizit  herauszuhören. Offene Forderungen nach Grenzrevision stellen (bis auf einen Fidesz-Ausrutscher 2012) bislang nur die Rechtsextremen; für eine virtuelle, EU-konforme Form dieser „nationalen“ ungarischen Staatlichkeit über Landesgrenzen hinweg stehen u.A. der 2010 eingeführte Trianon-Gedenktag, die Verleihung der doppelten Staatsbürgerschaft an die Auslandsungarn sowie die Unterstützung der Autonomiebestrebungen der Auslandsungarn durch die ungarische Regierung: Seit 2013 hängt am ungarischen Parlament sowie öffentlichen Gebäuden in Ungarn die Széklerfahne, das Symbol der Autonomiebestrebungen der ungarischen Székler-Enklave in Rumänien.

Orbáns Äußerung lässt sich als Anzeichen dafür deuten, dass die  ungarische Regierung ihren offiziellen Standpunkt zur Frage von „Nation“, „Volk“, „Staat“ und „historischem Territorium“ langfristig (z.B. bis zum 100. Trianon-Jubiläum 2020) neu formulieren könnte.

*

Ungarische Bevölkerung (rot) im Königreich Ungarn 1910 (wiki):

Gebietsverluste durch den Friedensvertrag von Trianon 1920:
trianon1

(Internet)
Ungarn in den Nachbarländern heute:

zeit-ungarn-thickbox
(zeit.de, 2010)

3 Kommentare leave one →
  1. Wolfgang Aschauer permalink
    1. Dezember 2014 10:35

    Nur eine kleine Ergänzung: Die Karte aus der ZEIT zeigt nicht die „Ungarn“ in den Nachbarländern, sondern die regierungsamtliche Verteilung der Angehörigen der „ungarischen Nation“. Und das ist keine Spitzfindigkeit, sondern praktische Realität. Man sieht das daran, dass die Karte in Österreich (Burgenland) keine Ungarn zeigt, obwohl es dort welche gibt. Man könnte nun vermuten, dass die Karte nur solche Ungarn aufweist, die staatlicherseits als annexionswillig oder -fähig angesehen werden, d.h. dass man sich nicht traut, eine Revision der Grenze zu Österreich zu propagieren. Das ist sicherlich nicht ganz auszuschließen; aber der Grund, warum auf allen staatlichen Karten mit ungarischen Minderheiten im Ausland die österreichischen Ungarn fehlen, ist ein anderer: die dortigen ungarischen Organisationen haben es sich schon vor Jahren verbeten, von der ungarischen Regierung vertreten und für ihre Zwecke eingespannt zu werden.

  2. Kristof permalink
    2. Dezember 2014 01:31

    Was spricht denn dagegen, das Verbrechen von Trianon öffentlich anzuprangern? Kein Land hat soviel Land verloren nach dem 1. WK wie die K. &. K. Monarchie. Beide Teile verloren jeweils 70% des eigenen Gebietes. Dabei traf es die Ungarn aber doppelt so hart wie die Deutschen, waren letztere doch schon Jahrhunderte daran gewöhnt, im Reich verteilt zu wohnen – auch bspw. in Königreich Ungarn. Die Ungarn jedoch, z.B. die im heutige slowakischen Gebiet oder im heute Rumänien zugehörigen Teil, waren immer Bewohner innerhalb des eigenen Königreiches. Der Schock ist für die Ungarn ungefähr so groß wie für die Russen nach Ende der Sowjetunion und auch knapp 100 Jahr danach noch längst nicht vergessen, geschweige denn verarbeitet. Außerdem, was Sieger mal am Diplomatentisch ausgeheckt haben, ist eben auch nur in den Augen der Sieger Recht. Das sollten gerade wir Deutsche doch wissen.

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