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Militanter Neonazi in Ungarn zum Bürgermeister gewählt

16. Dezember 2013

Der militante Neonazi László Toroczkai, Vorsitzender der rechtsextremen „Jugendbewegung der 64 Burgkomitate“ HVIM, hat mit 71,5% der Stimmen und einer Wahlbeteiligung von rund 37% die Bürgermeisterwahl der Gemeinde Ásotthalom in Südungarn gewonnen. Der einzige andere Kandidat war der bisherige Fidesz-Bürgermeister. Ásotthalom ist mittlerweile die zwölfte Gemeinde mit Jobbik- bzw. Jobbik-nahem Bürgermeister. Besonderheit: Toroczkai wurde auch von den „Linken“ gewählt. Diese sind offenbar bei ihm angestellt, Toroczkai ist in der Gemeinde ein wichtiger Arbeitgeber. Dass er für öffentliche Ämter kandidieren kann, hat er der Fidesz-Generalamnestie für militante Rechtsextreme bei den Krawallen 2006 zu verdanken.


(Gepnarancs)


(HVIM, Internet)

Toroczkai-László-és-Roberto-Fiore

(Toroczkai mit Roberto Fiore von der Forza Nuova; HVIM ist langjähriger Partner und regelmäßig auf Veranstaltungen in Italien. Toroczkai unten rechts.)

FN

Pester Lloyd: Erneut Neonazi zum Bürgermeister in Ungarn gewählt, mit „linker“ Unterstützung?

László Toroczkai, Gründer und “Ehrenpräsident” der „Jugendbewegung 64 Burgkomitate“, einer offen neonazistisch-revisionistischen Gruppierung im Umfeld der Parlamentspartei Jobbik, gewann die Nachwahlen um das Bürgermeisteramt im rund 6.000 Einwohner zählenden Ort Ásotthalom, Komitat Csongrád, im äußersten Süden des Landes. Toroczkai trat als „unabhängiger“ Kandidat an und löste bei rund 37% Wahlbeteiligung einen Fidesz-Interimsbürgermeister ab.

Mit 71,5 % der Stimmen (Quelle).

Der Reguläre legte sein Amt im Oktober wegen strafrechtlicher Ermittlungen nieder. Jobbik gratulierte bereits in einem Statement und freut sich, dass nun die nationale Gesinnung gestärkt werde.

Der heute 35jährige Toroczkai war für das ungarische Staatsfernsehen zu Zeiten der ersten Orbán-Regierung als Jugoslawien-Kriegsreporter unterwegs und damals Mitglied der MIÈP, 2001 gründete er die „Bewegung der 64 Gespanschaften“, eine militante Nazigruppierung, die sich die Revision der Trianon-Grenzen mit „allen Mitteln“ vorgenommen hat und auch viele führende Aktivisten der diversen „Garden“ stellt. Er wird als einer der Dratzieher des gewaltsamen Sturms auf die TV-Zentrale in Budapest 2006 angesehen und hatte auch mehrfach Ärger mit Gerichten. Er gilt als enger Vertrauter des rechtsextremen Terroristen Budaházy. Zuletzt gründete er die Bewegung Hunnia, die als Dachorganisation für alle völkisch-nazistischen Gruppen des Landes dienen soll und auch militärische Ausbildung anbietet. Toroczkai hat bzw. hatte Einreiseverbote in Rumänien, der Slowakei und Serbien. 2008 reiste er illegal in Serbien ein, wurde nach einem Auftritt in der Vojvodina von Unbekannten krankenhausreif geprügelt, sodann abgeschoben und mit weiterem Aufenthaltsverbot belegt. (…)

Zwölfte ungarische Gemeinde mit rechtsextremem Bürgermeister

Einen Jobbik- bzw. Jobbik-nahen „unabhängigen“ Bürgermeister haben mittlerweile die Gemeinden Gyöngyöspata, Tiszavasvári, Kosd, Monorierdő, Tuzsér, Békésszentandrás, Hegyháthodász, Hencida, Kemenessömjén, Martonfa und Érpatak („Érpataker Modell“).

„Linke Unterstützung?“

Für Aufsehen sorgte die Meldung, dass der örtliche Vertreter der Partei der Demokratischen Koalition (DK), der linksliberalen Partei um Ex-Premier Ferenc Gyurcsány, mit seiner Ortsgruppe den Nazi-Kandidaten unterstützte.

Die DK-Fraktion von Ásotthalom war erst vor Kurzem geschlossen von den Sozialisten zu DK übergetreten. Nach ersten Medienberichten über eine  mögliche Unterstützung Toroczkais durch die DK-Ortsgruppe rief die DK-Führung sie in einer Erklärung auf, nicht für Toroczkai zu stimmen. Sie  betonte,  dass die Partei unter keinen Umständen mit Jobbik und anderen Neonazis gemeinsame Sache mache, und kündigte Parteiausschlüsse an, die in einem Fall auch erfolgte.

Es ist Wahlkampf und DK-Bashing billig, aber es handelt sich hier um ein grundlegenderes Problem. Dass sogenannte Demokraten aus Alternativlosigkeit gegen Fidesz mit Jobbik kooperieren, kam auch anderswo schon vor, z.B. in Esztergom, wo die unabhängige Bürgermeisterin 2011 die einzige Jobbik-Stadträtin zur Vizebürgermeisterin wollte (hvg), weil sie angesichts der Fidesz-Blockadepolitik bei konkreten kommunalen Problemen „unideologisch“ und konstruktiv mit ihr zusammenarbeiten konnte. „Kooperation mit Jobbik um des größeren gemeinsamen Zieles willen, trotz ideologischer und politischer Differenzen“, das gab es 2011 auch bei LMP, und bei der Hochwasserkatastrophe im Juni 2013 argumentierte auch Gordon Bajnai so, vgl. Post. Dass sich jetzt ein Dorf einschließlich seiner „Demokraten“ in die Hände eines militanten Nazis gibt, fällt nicht vom Himmel und ist nur als konsequente nächste Stufe zu betrachten.

Der DK-Sprecher Zsolt Gréczy fragt sich, welche Lehren für die demokratische Opposition aus diesem Debakel zu ziehen sind (Quelle):

1. Die demokratische Opposition hatte keinen gemeinsamen Kandidaten. Das war auch nicht möglich, weil die MSZP keinen Ortsverband hat, er trat geschlossen zur DK über.  Gemeinsam 2014-Dialog für Ungarn  (Együtt-PM) haben dort kein einziges Mitglied.

2. Toroczkai hat vor Ort mehrere Betriebe, er gibt Ortsbewohnern Arbeit. Auch einem Ex-Sozialisten, der zu DK übergetreten ist. Für ihn ist sein Auskommen wichtiger als ein  Parteiausschluss durch die DK. Er und andere Bewohner erkennen entweder Toroczkais Bemühungen für das Dorf an, oder sie wurden erpresst, aber haben ihn vermutlich mit ihrer ganzen Familie gewählt. Außerdem machte Toroczkai als „Oppositioneller“ lautstark Stimmung gegen Fidesz.

3. Hätte Fidesz Toroczkai und Kumpanen keine Amnestie für den Putschversuch von 2006 gegeben (und Balsai wurde danach zum Verfassungsrichter ernannt), hätte dieser Mensch nicht das nötige polizeiliche Führungszeugnis, um für einen solchen Posten zu kandidieren.

Es handelt sich um das Gesetz, das die Urteile gegen Rechtsextreme wegen den Krawallen von 2006  annuliert, das sog. „semmiségi törveny“ von 2011, es wurde 2013 vom Verfassungsgericht endgültig für verfassungskonform erklärt. Der Ex-Justizminister Istvan Balsai stellte 2011 gemeinsam mit Jobbik-Juristen einen Regierungsbericht zum “brutalen Vorgehen” der Polizei 2006 zusammen, der als Grundlage für das Gesetz diente („rechtswidrige Polizeigewalt gegen regierungskritische Demonstranten“); kurz darauf wurde er zum Verfassungsrichter ernannt. (vgl. Post Ex-Premier Gyurcsány unter “Terrorverdacht”- Regierungsbericht in Kooperation mit den Jobbik-Juristen, 26. September 2011., und Hungarian Spectrum: The long arms of Viktor Orbán: The Balsai Report, September 26, 2011.)

4. Die drei Parteien (MSZP-DK-Együtt-PM) müssen sich zusammensetzen und im Interesse eines landesweiten Bündnisses miteinander verhandeln.

Die Chancen dafür stehen nicht gut, MSZP-Chef Mesterházy denkt, er könne eine Zweidrittelmehrheit allein gewinnen. (Standard)

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