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Zwei-Klassen-Sozialpolitik

10. Juni 2014

„Christliche“ Sozialpolitik aus dem 19. Jahrhundert: „Würdige und unwürdige Arme“, Behinderte und „Zigeuner“ werden in Zukunft institutionell von der steuerzahlenden „Mehrheit“ abgekoppelt, so Minister für Humanressourcen Zoltán Balog.

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Die Sozialpolitik müsse „einen Unterschied machen zwischen problematischen Familien und solchen, die fähig seien, den Staat (durch Steuern) mitzutragen“, so der Minister für Humanressourcen Zoltán Balog (Fidesz) im Lánchídrádió. Darum würden unter der neuen Regierung zwei unabhängige Staatssekretariate geschaffen, eines für Leistungsempfänger und eines für diejenigen, die „Ungarn auf ihren Schultern tragen“, also die belastbaren Steuerzahler.
So werde in Zukunft für Leistungsempfänger das Staatssekretariat für Soziales und Inklusion (bzw. für gesellschaftlichen Anschluss)  zuständig sein. Das Staatssekretariat für Familie und Jugend hingegen sei für die „Lastenträger“ zuständig, bzw. „für die Jugend, die die Last in der Zukunft trägt“, also für die heutigen und zukünftigen Steuerzahler.

Somit wird die Bevölkerung kategorisch in Steuerzahler und Leistungsempfänger unterschieden und der Unterschied institutionalisiert und zementiert – Biopolitik zugunsten der eigenen „bürgerlichen“ Klientel.

Eine Bevölkerung von 10 Millionen, darunter ca. 4 Millionen Steuerzahler und  ca. 3,5 Millionen in Armut, davon ca. 500 000 Roma in extremer Armut – offenbar soll diese Schere  aufrechterhalten werden. Zumindest ist Balogs Logik zufolge  jemand, der in Armut aufgewachsen ist, gar nicht erst als zukünftiger Steuerzahler vorgesehen (s.u.).

Die Gruppe der Leistungsempfänger wird von Balog in weitere Untergruppen eingeteilt: „Ohne eigenes Verschulden bzw. selbstverschuldet in Not geraten“; somit wird „Schuld“ als neue Bewertungskategorie für Armut eingeführt. Dies ist der historische christliche Diskurs der „würdigen und unwürdigen Armen“ (Zoltán Balog ist reformierter Pastor). Als „würdiger Armer“ galt seit dem Mittelalter, wer nicht selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen konnte, speziell Kranke, Alte, Witwen und Waisen. Als „unwürdige Arme“ galten gesunde und arbeitsfähige Menschen, denen Müßiggang unterstellt wurde. Die größte Armut herrscht in Ungarn wohlgemerkt auf dem Land, wo es auch für arbeitsfähige Menschen nicht genügend Jobs gibt. Unter diese Leistungsempfänger fallen:

  • „Behinderte“ – dies pauschal, als schlössen Behinderung und Berufstätigkeit einander grundsätzlich aus; eine implizite Absage an  Integrationsmaßnahmen.
  • „Kinder, für die Maßnahmen des Kinderschutzes  erforderlich sind“: Hier dürften u.A. Kinder aus armen Familien gemeint sein, die ihren Eltern von Amts wegen weggenommen und ins Heim gegeben werden. Der Romaanteil unter den Heimkindern ist überproportional hoch. Hier beachte man, wie diese Kinder aus der Zuständigkeit des Staatssekretariats für Familie und Jugend hinausdefiniert werden – bedürftige Jugend zweiter Klasse.
  • „und die Zigeuner“ (sic – als Zuständiger für die Nationale Romastrategie hätte Balog hier ohne Weiteres auch den Begriff Roma verwenden können) – also pauschal, als Ethnie. Aufgrund dieser Formulierung fragt man sich doch, inwiefern berufstätige, steuerzahlende Roma in Zukunft noch Zugang zu Maßnahmen des Staatssekretariats für Familie und Jugend haben werden.

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Zu Zoltán Balog auf diesem Blog (Auswahl):

4 Kommentare leave one →
  1. Andreas Lehner permalink
    10. Juni 2014 12:32

    Das hat er tatsächlich so im Radio gesagt? Ich meine auch die Unterteilung in die vier Gruppen?

    • pusztaranger permalink
      10. Juni 2014 13:18

      Zitiert nach Magyar Nemzet Online:

      A miniszter szerint a szociálpolitikának különbséget kell tennie a problémás családok és terheket hordani képesek között, ezért az új kormányban két külön államtitkárság foglalkozik majd a rászorulókkal és azokkal, akik „a vállukon viszik Magyarországot”. Elmondta: így a szociális és felzárkózásügyi államtitkárság gondoskodik az önhibájukon kívül vagy önhibájukból rászorulókról, köztük a fogyatékkal élőkről, a gyermekvédelmet igénylő gyerekekről és a cigányokról. A család- és ifjúságügyi államtitkárság pedig a „teherhordozókat” segíti, valamint az ifjúságot, akik majd a jövőben viszik a terheket.

  2. ralfz permalink
    10. Juni 2014 14:39

    Fehlt bloß noch das er die Euthanasie befürwortet….wie wärs mal mit unterteilung in dumme und fähige Politiker……uuuups da wär ja keiner der Orange/Schwarzen dabei…

  3. Don Quijote permalink
    11. Juni 2014 06:45

    Der Pfaffe Balog hat der nicht immer schon als Leistungsempfänger, als Mitglied der ungarischen Kirche, „gearbeitet“? Wer so etwas im Radio sagt, der ist per se-mper behindert.

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